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Stolpersteine
in Freiburg und Breisgau
       

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Juden, Stolpersteine, ...

Lotte und Johanna Meyer in Goethestrasse 73 in FR-Wiehre am 10.10.2007

 

Stolperstein-Führung von Marlies Meckel am 4.9. in der Wiehre

Unter einer Vielzahl von Veranstaltungen ist die "Stolperstein"-Führung in der Wiehre ein Beitrag zum Europäischen Tag der Jüdischen Kultur. Er findet am Sonntag, 4. September, statt. Zum ersten Mal führt Stolperstein-Mitinitiatorin Marlis Meckel ihre Teilnehmer durch die Wiehre. Julia Littmann sprach mit ihr über den Stadtteil, der auf unterschiedliche Weise von jüdischem Leben in Freiburg geprägt wurde.
BZ: Was macht die Wiehre so speziell in Bezug auf jüdisches Leben in Freiburg – und was lässt sich gerade hier an den Stolpersteinen ablesen?
Marlis Meckel: Es ist diese ganze Bandbreite, die sich in der Wiehre zeigen lässt. Zum Beispiel dieses: Es war ein gewisser Ulrich Zasius, der einst mit seiner Neugestaltung des Freiburger Stadtrechts im Jahr 1520 dafür sorgte, dass Juden nicht in die Stadt durften. Das blieb dann bis ins 19. Jahrhundert so. Dann erst gab es Gegenden wie die Wiehre – damals noch vor den Stadttoren Freiburgs –, in denen über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten sogar ein ausgesprochen reges jüdisches Leben stattfand. Ausgerechnet auch in der Zasiusstraße, übrigens. Dort liegen heute elf Stolpersteine, die an jüdische Mitbürger erinnern. Mit dem legendären Oberbürgermeister Otto Winterer waren nicht nur wohlhabende Hamburger Pensionäre als "Cholera-Flüchtlinge" in die Wiehre gezogen, sondern es kamen eben auch viele Juden. Die waren in aller Regel assimilierte Juden.
BZ: Wie hat man sich die Wiehre denn in dieser Aufbruchs-Zeit um 1900 vorzustellen?
Meckel: Als einen wunderbar bunten Stadtteil – mit einem äußerst lebhaften Gepräge, keineswegs als ruhiges Rentnerquartier. Es gab viel Handwerk, viele kleine Geschäfte – und etliche von denen hatten jüdische Inhaber. Zum Beispiel eine kleine Textilhandlung, eine Hutmacherei, Weinhandlungen, ein Geschäft für Weißwäsche, und acht Viehhandlungen. Natürlich haben auch jüdische Zahnärzte und Juristen hier mit ihren Familien gelebt, Stadträte, wohlhabende Juden. Aber es gab eben auch in großer Zahl diese jüdischen Kleinbetriebe – und es gab hier ein einvernehmliches und gutes Miteinander im Stadtteil.
BZ: Das blieb nicht so...
Meckel: Nein. Und welche dramatische Veränderung da stattgefunden hat, lässt sich am Annaplatz so gut sehen. Für mich ist der Annaplatz Freiburgs schönster Platz, einer der schönsten Flecken in der Wiehre. Und es ist zugleich der grauenhafteste Ort. Hier wurden am 22. Oktober 1940 die Juden aus der Wiehre für die Verschleppung nach Gurs zusammengetrieben. Warum hier? Weil dieser beschauliche wunderbare Platz mit vier Posten dicht gesperrt werden konnte.
2.9.2011, www.badische-zeitung.de

Stolpersteine-Führung am Sonntag, 4. September: Treffpunkt um 14 Uhr vor der Goethestraße 3 bei den Stolpersteinen für Lotte Bernstein und Ida Cohn. Die kostenlose Führung dauert etwa 1,5 Stunde
n.

 

 

Dr. Eugen Moses Kaufmann, Schwaighofstraße 6

Dr. Kaufmann war vermutlich der Witwer von Dr. Marie Kaufmann-Wolf, geboren in Alzey, siehe Anlage. Sie war in der Forschung tätig (Berlin) und starb relativ früh.
Er muß ein sehr toleranter Mann gewesen sein, denn seine Frau Maria  (auch Marie) studierte erst nach der Eheschließung. Sie finden sie unter "Ärztinnen im Kaiserreich", dabei auch ihre Kusine Dr. Ella Wolf aus Alzey (1941 in Hadamar in der T4-Aktion ermordet). Die Familien Wolf waren sehr angesehene Bürger Alzeys, Lederhändler, die Brüder Georg und Theodor hatten am Obermarkt, im Zentrum der Stadt, zwei Häuser gebaut. Fast alle Kinder (geboren um 1880) haben promoviert, auch
die Töchter. Ich habe (seit heute) Kontakt zu einer Nichte in den USA.
3.1.2011, Renate Rosenau
Ebertstraße 26 C, 55232 Alzey
Arbeitsgruppe Juden im Alzeyer Land
Arbeitsgruppen NS-"Euthanasie" in Alzey und Bendorf-Sayn
RenateRosenau@t-online.de

 

Keine Stolpersteine für Lörrach

Wolfgang Fuhl, Oberratsvorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Baden und im Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde Lörrach, wendet sich gegen Stolpersteine. Da werde auf den Namen und mithin symbolisch auf die Opfer getreten, viele gingen auch einfach achtlos darüber hinweg, so die Erfahrungen in Städten, in denen Stolpersteine gesetzt wurden. Hunde verrichteten bisweilen darauf ihre Notdurft, nennt Fuhl weitere Erfahrungen und manchmal würden diese Gedenksteine von Neonazis und anderen Antisemiten gezielt angespuckt. Der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde Lörrach ist einstimmig dagegen.
Alles vom 12.1.2011 bitte lesen auf
http://www.badische-zeitung.de/keine-stolpersteine-fuer-loerrach


Entschieden Stellung beziehen als Pflicht

Der Kölner Künstler Gunter Demnig hofft mit seinen Pflastersteinen, die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus in einer breiten Öffentlichkeit wach zu halten. Mit Ausnahme der Rechten fand und findet die wirklich geniale Idee nicht nur in Freiburg einhellige Zustimmung. Angesichts von soviel Konsens kann man das "diffuse Unwohlsein" von Wolfram Wette teilen, das sich bei dem Historiker allerdings lediglich auf das Verschweigen der Täter bezieht. Welchen Sinn macht Erinnern, wenn sich daraus nicht tiefere Einsichten und praktische Konsequenzen für die Nachwelt ableiten? Warum wird nicht deutlich gemacht, dass aus der kritischen Analyse von Ursache und Wirkung in der Geschichte für Gegenwart und Zukunft die Verpflichtung erwächst entschieden gegen Unrecht und Gewalt Stellung zu beziehen? Nur das macht Sinn!
Im nächsten Jahr wird in Israel der 60. Jahrestag der Staatsgründung gefeiert werden. Eines Landes, das sich selbst als ethnisch und religiös definiert. Nach Lage der Dinge ist zu befürchten, dass die Fokussierung auf die Vergangenheit eine klare Stellungnahme gegen die nun über ein halbes Jahrhundert andauernde Vertreibung und Unterdrückung der Palästinenser unmöglich macht. Zugegeben: Die als Nakba bezeichnete Katastrophe fand und findet im Nahen Osten statt. Von daher können hier auch keine Mahnsteine verlegt werden. Aber vielleicht beteiligen sich doch einige an dem Versuch, die Brocken aus dem Wege zu räumen, die einer Anerkennung und Durchsetzung des internationalen Rechts im Wege stehen. So könnte eine als halb apostrophierte Erinnerungskultur doch noch zu einer ganzheitlichen Konsequenz führen.

BZ-Leserbrief vom 10.1.2008 von Volker O´Barden, Rheinfelden

 

Georg Pietrkowski, Werner Grab, Paul Noether - Freiburger Pharmakologen

Das Ausführlichste zu Georg Pietrkowski, Werner Grab und Paul Noether findet man in einem Büchlein des im November vergangenen Jahres in Tübingen verstorbenen Pharmakologen Ullrich Trendelenburg (1922-2006). Nur für Noether und jetzt Pietrkowski gibt es in Freiburg Stolpersteine, nicht für Werner Grab.
Das Pharmakologische Institut Freiburg wird heuer 100 Jahre alt (1907 gegründet). Die beiden amtierenden Leiter, die Professoren Aktories und Hein, veranstalten dazu am Freitag 2. November 2007 ein Symposium. Hier wird Prof Klaus Starke über die von den Nazis verfolgten Pharmakologen berichten. Auch über Otto Krayer, den wegen seiner singulären Standhaftigkeit gegenüber den Nazis berühmt gewordenen Pharmakologen, nach dem das Otto-Krayer-Haus in der Albertstraße 25 benannt ist, wird berichtet.

In der Maximilianstraße 18 wohnte Georg Pietrkowski, Arzt und Pharmakologe, der 1933 Berufsverbot erhielt und über Italien, Spanien und Kuba in die USA floh. Er war ein liebenswerter, beliebter Mann, der gut mit Kindern umgehen konnte, erzählt Marlis Meckel - das hat sie von Hanna Hauser erfahren, der Enkelin des "Rebhaus" -Gründers Max Daniel Lasker an der Wonnhalde. Im Sommer kam Hanna Hauser aus Israel zu Besuch nach Freiburg, da stellte sich heraus, dass ihre Familie mit Georg Pietrkowski befreundet war.
2.10.2007

 

Am Tag der Jüdischen Kultur entlang den Stolpersteinen durch Freiburg

"Hier erfährt man Geschichte viel direkter als aus Büchern" , sagt Franziska Bohlmann. Die 20-jährige angehende Touristikassistentin ist an diesem strahlend schönen Sonntag eine von etwa 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern an einer sehr besonderen Stadtführung: Am europäischen Tag der Jüdischen Kultur begeht die Gruppe die Straßen in der Innenstadt — auf der Suche nach den Spuren jüdischen Lebens in Freiburg.

Als eine Art Orientierungshilfe und informative Blickfänge eignen sich dabei die hier verlegten "Stolpersteine" , kleine quadratische Messingtafeln eingelassen im Gehweg, die an die Opfer des Naziregimes erinnern, die einst in den jeweiligen Häusern gelebt haben. Und es ist Marlis Meckel, — die eben diese Stolpersteinverlegungen in Freiburg initiiert hat — , die nun mit lebhaftem Engagement und großer Sachkenntnis hilft, Spuren jüdischen Lebens zu finden und zu deuten. Der Stolperstein, von dem aus die Stadtführung startet, gilt Max Mayer. Das Haus in der Bertoldstraße 31 lag einst genau vis à vis der Synagoge. Die wurde in der Reichspogromnacht niedergebrannt. Da waren bereits gut die Hälfte der jüdischen Freiburger und Freiburgerinnen geflohen, erzählt Marlis Meckel, noch wenige Jahre zuvor, 1926 waren hier 1300 Juden gemeldet. Etliche von ihnen werden einst bei Max Mayer eingekauft haben: Er nämlich hatte die koschere Metzgerei seines Vaters Israel Mayer übernommen. Für die Menschen im angrenzenden Sedanquartier lag das Geschäft in fußläufiger Entfernung, erinnert Marlis Meckel. Und sie beschreibt mit weit ausholender Armbewegung den Stadtteil hinter dem Theater: "Das war zu der Zeit richtig so ein bisschen das jüdische Viertel."
Viele der hier verlegten Stolpersteine tragen das Datum 22.10.1940 als Tag der Deportation jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger in das südfranzösische Internierungslager in Gurs. An mehr als einem Dutzend dieser Steine verharrt die Gruppe auf ihrem Weg. Und erfahren beispielsweise, dass der Tag, an dem Juden in Freiburg verhaftet und verschleppt wurden, ein jüdischer Feiertag war. Als Margarete Lais-Kuhn mit den Umstehenden den Stolperstein von Max Mayer betrachtet, stellt sie fest: "Als der starb, war er so alt wie ich jetzt bin." 54, "mitten im Leben" , findet Julia Chaikowa. Sie ist Jüdin, 2002 kam sie aus der Ukraine nach Freiburg. Heute will sie mehr darüber lernen, wo Juden gewohnt haben und wie sie gelebt haben — und erfährt viel, auch über deren Sterben. Charlotte Bloch, zum Beispiel, die in Freiburg ein Weißwarengeschäft betrieb. Mit 56 Jahren nach gerade mal drei Wochen Inhaftierung in Gurs starb sie 1940. "Ermordet ist das richtige Wort" , meint Julia Chaikowa, "auch wer verhungert ohne Hoffnung und Hilfe, wird ermordet." Sie ist angetan davon, wie man in Deutschland gegen den Faschismus aktiv sei und sich für das Ansehen der Juden stark mache. Wie gnadenlos Juden einst auch in Freiburg verfolgt und deportiert wurden, erschüttert alle. Und sie fühlen sich diesen Menschen nah. Albert und Lina Abraham und ihrer großen Familie, die jüngste Tochter war 17 als sie in Auschwitz ermordet wurde. In guten friedlichen Zeiten hatten die Abrahams einen Kolonialwarenladen in der Eisenbahnstraße. Für Franziska Bohlmann eine bewegende Vorstellung: "Wir gehen auf den selben Straßen, stehen vor den selben Häusern." Dass reihum die Teilnehmer an dieser Führung die Stolpersteine polieren, hat für sie etwas von Andacht - und von Begreifen: "Freiburg war deren Zuhause!"
Julia Littmann, 3.9.2007, BZ

 

Der erste Stolperstein Freiburgs erinnert an Else Liefmann

Das Schicksal der jüdischen Kinderärztin Else Liefmann, die in der Goethestraße 33 wohnte

Als Else Liefmann 1885 mit ihrer Mutter und vier Geschwistern nach Freiburg kam, ahnte sie nicht, was - nach glücklichen Anfangsjahren - in der neuen Heimat auf die Familie zukommen sollte. Susanne Breisinger zeichnet in ihrer Freiburger Dissertation "Die niedergelassenen jüdischen Ärzte in Freiburg 1933-45" die Lebensstationen der jüdischen Kinderärztin auf. Else Liefmanns Schicksal ist ein bedrückendes Beispiel für das Unrecht, das der Nationalsozialismus den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern Freiburgs zufügte. Else Liefmann wurde 1881 als Tochter des wohlhabenden Kaufmannes Semmy Liefmann in Hamburg geboren, wo sie mit ihrer Familie die ersten Jahre ihrer Kindheit verbrachte. Die Eltern waren zum evangelischen Glauben konvertiert und hatten auch die Kinder evangelisch taufen lassen. Nach dem Tod des Vaters zog die Mutter mit den Kindern nach Freiburg und kaufte 1894 in dem begehrten Stadtteil Wiehre eine Villa in der Goethestraße 33. Zwei der Geschwister starben früh. Elses älteste Bruder Robert wurde ein international anerkannter Wissenschaftler im Fach Nationalökonomie, 1904 Lehrstuhlinhaber für diesen Fachbereich an der Universität Freiburg. Die jüngste Schwester Martha studierte Kunstgeschichte.

Else Liefmann musste den für Frauen damals üblichen Umweg zurücklegen und Primarschullehrerin werden, bevor sie 1904 endlich mit dem Medizinstudium in Freiburg beginnen konnte. 1908 schloss sie es mit dem Staatsexamen ab. Nach einer gründlichen Ausbildung in verschiedenen Kliniken eröffnete sie 1915 in der Gartenstraße 30 eine Praxis für Säuglings- und Kinderkrankheiten sowie für "Ärztliche Erziehungsberatung" . In den folgenden Jahren engagierte sie sich in den verschiedensten Bereichen: Sie arbeitete mit der Universitätskinderklinik zusammen, engagierte sich als Stadtverordnete für die Deutsche Demokratische Partei, arbeitete bei Mütterberatung, Kinder- und Jugendhorten sowie Frauenbildung, war Mitbegründerin des "Deutschen Ärztinnenbundes" in Berlin und Gründerin des "Deutschen Akademikerinnenbundes" Ortsgruppe Freiburg. 1928 promovierte sie zusätzlich auf dem Gebiet der Psychotherapie. 1933 endeten die glücklichen und erfolgreichen Jahre jäh. Else Liefmann wurde die Kassenzulassung entzogen. Sie musste ihre Praxis aufgeben. Ihr Bruder Robert wurde zwangsweise emeritiert. Am 22. Oktober 1940 deportierte die Gestapo die Geschwister Else, Robert und Martha in das südfranzösische Lager Gurs. Die Familie wurde enteignet. In die Goethestraße 33 zog die Gestapo ein. 1941 erreichten Schweizer Freunde und Verwandte, dass die kranken Geschwister in eine Klinik nach Morlaas, ein Städtchen in der Nähe von Gurs, verlegt wurden. Robert starb kurz darauf. Er hatte die unmenschlichen Lagerbedingungen nicht verkraftet. Martha gelang die Ausreise, Else floh mit Hilfe der Freunde über die Berge in die Schweiz. In Zürich verbrachten sie die letzten Jahre ihres Le-bens. Martha starb 1952, Else 1970. Sie hatte zwar das von den Nationalsozialisten beschlagnahmte Haus in der Goethestraße zurückerhalten, wollte aber nicht mehr in ihr ehemaliges Heimatland Deutschland zurückkehren. Seit 2002 ist das ehemalige Liefmann-Haus das Gästehaus der Freiburger Universität. Der erste Stolperstein in Freiburg, der an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern soll, wurde vor dem Haus der Familie Liefmann eingelassen. 1954 besuchte Else Liefmann Freiburg noch einmal kurz. Auf ihre Initiative hin wurde 1962 auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge eine Gedenktafel errichtet.
Ingrid Kühbacher, 20.7.2007, BZ

Die Autorin ist Verfasserin des Buches "Sie lebten in Freiburg - Erinnerungen beim Gang über den Alten Friedhof"
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Links

Stolpersteine-Aktion des Kölnersr Gunter Demnig:
www.stolpersteine.com

 

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