"Aba Hundt sans scho!"


„Aba Hundt sans scho!“
(Übersetzung: „Aber Hunde sind sie schon!“)

Diesen mit Bewunderung ausgesprochenen Satz könnte ein Nicht-Bayer hören,wenn er auf einen bayerischen Landsmann trifft, der sich über eine Gruppe nicht anwesender Männer unterhält.Daraus ergibt sich schon im Vorfeld: es ist mitnichten eine Beleidigung,auch wenn es sich für jeden Nicht-Bayern erst mal so anhören muss.

Diese 'Huldigung' ähnelt ein wenig dem französischen „Chapeau!“; doch das Bayerische meint hier noch eine ganze Ecke mehr – es sanktioniert dabei Handlungen, die sich hart an der Grenze zur Legalität bewegen (oder schon darüber hinausgehen); und es ist eine, meist mit kräftigen Schulterschlägen untermauerte, Ehre, die nur Männern zugedacht ist.
Frauen bleiben außen vor, anders als bei den Franzosen; sonst wäre wohl auch
die vor einiger Zeit mit Modellautos jonglierende Frau Hadertauer in den Genuss dieser Würdigung gekommen.

Jedenfalls will dieses Lob demjenigen, der weniger 'ein Hund' ist, sagen, dass mit Hinterlist und einer von Demut getarnten Bauernschläue der Reibach locker
in die eigenen Taschen gewirtschaftet werden kann. Er muss sich nur trauen, in den richtigen Momenten gekonnt täuschen und vielleicht auch ein paar Tränen zerdrücken, dann kann er sich der (fast) ungeteilten Zustimmung seiner Landsleute schon sicher sein, wie uns bereits mal sehr eindrucksvoll von Herrn Hoeneß vorgeführt wurde.

Wieso für diesen Vorgang aber ausgerechnet der Hund herhalten muss, erschließt sich nicht so ganz; denn wahre Freunde des Hundes sind die Bayern nur vereinzelt. Was sich jedoch langsam wandelt, da die Durchmischung mit den Preußen (es umschließt alles, was sich oberhalb des Weißwurstäquators, sprich der Donau, befindet) langsam erschreckende Züge annimmt; zumindest aus dem Blickwinkel einiger handfester, unterhalb dieser 'Demarkationslinie' angesiedelter Bayern.

Doch zurück zum Hund: Die Beziehung des 'gstandenen' Bayern (das meint: seit Generationen andauernde, bayrische Abstammung) zu ihm ist eher desinteressiert, denn eine ordentliche Schweinshaxn oder ein Bifflamott (ein ‚Boeuf a la mode‘), lassen sich aus ihm nun mal nicht machen. Vielleicht wird der Hund aber auch deshalb herangezogen, weil ihm die Fähigkeit des 'sich vielen Situationen anpassen können' nachgesagt wird. Und das ist wiederum eine Fähigkeit, die die Bayern, trotz aller Sturheit, meisterhaft beherrschen: Unser sehr verehrter
Herr Ministerpräsident Seehofer hat uns dies schon mehrfach bewiesen …

Doch weiter im Text: Das wäre zumindest vorerst eine Erklärung; sehr viel näher werden wir der Sache nicht kommen, deshalb wenden wir uns einem anderen Phänomen im Land der Seen und Berge zu:
In Bayern gehen die Uhren anders, heißt es. Und nimmt man Herrn Seehofers vor einiger Zeit vorgebrachten Worte als bare Münze, so ist Bayern sowieso der Vorhof zum Paradies. Was will man da noch sagen, außer: Nichts wie hin!, wenn Gedanken an das Paradies den Denkprozess bestimmen.

Ein 'Zuagroaster', übersetzt ein 'Zugereister', oder auch 'Zugerannter' ('roasen' meint eigentlich 'rennen'), jedenfalls ein aus anderen Landesteilen kommender Mensch, der wegen der himmlisch gezeichneten Aussichten des Herrn Seehofer so schnell als möglich im Vorhof einlaufen und deshalb in Bayern ansässig werden will, hat allerdings vorab noch einige Maßnahmen zwecks Anpassung durchzuführen:

So ist als Erstes zu beachten, dass das katholische Gebetbuch vorsichtshalber fest unter den Arm geklemmt sein sollte. Weiter empfiehlt es sich, diese Glaubensform als Gesinnungsausrichtung nachhaltig im Kopf verankert zu haben, wenn in den Olymp vorzudringen angedacht ist.

Das heißt jedoch nicht, dass sowohl das Gebetsbuch wie auch diese 'wahre Gesinnung' wirklich eingesetzt werden müssen. Noch nicht mal der sonntägliche Kirchgang erfordert das, denn da geht es um anderes: um sehen und gesehen werden, um den verbindenden Plausch nach kirchlicher Andacht. Dieses gemütliche Beisammensein vor den Pforten des Gotteshauses, noch unter dem euphorischen Erlebnis der göttlichen Eingebung stehend, hat schon so manches Geschäft zum erfolgreichen Abschluss gebracht.
(Die Handschlag-Besiegelung gilt in Bayern noch was, zumindest unter Alteingesessenen; was jedoch durch die zunehmende 'Preußianisierung' leider
mehr und mehr abhanden kommt – schade drum.)

Doch zurück zu unserem 'zugroasten Paradiesanwärter': Hat der sich nun ebenfalls auf dem kirchlichen Vorplatz eingefunden, und ist es ihm ernst mit seinen Einbürgerungsgedanken, hat er sich erst noch eine gewisse Etikette einzuverleiben. Dafür sollte er über einen Trachtenhut mit Gamsbart verfügen und diesen demütig vor die mit einer grauen, allenfalls grünen, Jopp bekleideten Brust gedrückt halten.

Die 'Jopp' ist eine Jacke aus gewalkter Wolle. Sie sollte mit Zierknöpfen aus Hirschhorn, eingefasst in Silber, verschönert sein. Das Hirschhorn wiederum sollte am besten vom selbst geschossenen Hirschen stammen; das würde die monetäre Potenz des Anwärters beträchtlich untermauern, ihm attestieren, dass er mit den 'Großkopferten' (damit sind die Reichen, weniger die Schönen gemeint) bereits intensiven Kontakt pflegt. (Wer sonst kann schon auf die Jagd gehen? Wilderer treiben sich nur noch vereinzelt in den ruhmreichen Bergen und Wäldern Bayerns herum.) Ein simples schwarzes Beinkleid noch zur Komplettmontur, und schon kann sich unser Paradiesanwärter den anwesenden Honoratioren mit Bücklingen (dem bayerischen Kotau) problemlos nähern – ohne deren Zustimmung
und Absegnung geht in Bayern nämlich gar nichts.

Denn alles, was ein Neubürger zu erreichen bestrebt ist, durchläuft erst das wohlwollende Abnicken dieser 'Granden'. Als Untermalung dient dazu Kirchengeläut, unter dem diese braven Pfarrkinder via kräftigem Handschlag (hoffentlich auch gegenüber dem Anwärter) ihre gegenseitige Verbundenheit signalisieren und besiegeln, während der beiwohnende Kirchenmann mit demutsvoll gen Himmel gerichteten Händen und holdem Lächeln seinen Segen dazu gibt.

Allerdings haben sich die Verhaltensformen etwas modernisiert: Nur noch auf dem Land sollte man sich der Pflicht des Kirchgangs und seiner geschilderten Umstände inständig widmen. In größeren Städten genügt mittlerweile auch der sonntägliche Einlauf am Stammtisch vor 11 Uhr, damit die anschließend verzehrten Weißwürste fristgerecht vor dem „Zwölfeleiten“ (Weißwürste dürfen, nach bayerischem Brauch, das Zwölfuhrläuten der Kirchenglocken nicht erleben) in den Magen wandern.

Gut, Weißwürste sind nicht jedermanns Sache. Da bietet sich als Ausweichmanöver der Zugriff auf den Leberkaas an. Eben auch eine bayerische Spezialität, die weder was mit Leber noch mit Käse zu tun hat; die für Fleischesser zum Gaumenschmaus werden kann, wenn sie der richtige Metzger zubereitet hat. Leider ist die fachgerechte Zubereitung offenbar nicht mehr weit verbreitet, sodass meist ein labbriges Etwas herauskommt, das mit dem echten, bayrischen Leberkaas wirklich nichts, aber auch fast gar nichts mehr, zu tun hat.

Doch zurück zum Stammtisch: Begleitet wird der Vorgang dieses sonntäglichen Frühschoppens von Weißbier, süßem Senf und räschen (knackigen) Breezn (Brezel, hier Mehrzahl, Einzahl wäre: „a Breezn“).

Bitte keinen Fauxpas begehen und „Bräzel“ sagen, das könnte vom gutmütigen Foppen „ah! Eam schaug oh!“ („ach! Ihn schau an!“) bis hin zum möglichen Ausschluss aus der gediegenen Runde führen. Auch der Austausch des Senfes von süß zu scharf (wenn er denn überhaupt verfügbar ist), könnte missbilligende Blicke aufkommen lassen und den Unmut der Kellnerin (sie KANN in Bayern eine hochgeschätzte Autorität sein) nach sich ziehen; darum hier bitte keine unnötigen Alleingänge!

Resümierend sollte also schon mal festgehalten werden: Will man Macht und Ansehen erreichen, hilft das Gebetbuch und eine devote Haltung einen ordentlichen Sprung weiter; neben den unabdingbar erforderlichen Bücklingen – aber die wurden ja bereits abgehandelt.

Was braucht's sonst noch, um im Vorhof anzukommen? Unbedingt ist Standfestigkeit mitzubringen, um bei den schnellen Drehungen der wechselnden Meinungen nicht die Balance zu verlieren und versehentlich in die verkehrte Richtung zu kippen. (Die rote Farbe ist als Blumenschmuck an den mit 'Lüftl-Malerei verzierten Häusern durchaus erwünscht, ansonsten sollte unser Anwärter einen weiten Bogen um sie machen.) Weiter dient die Standfestigkeit dazu, dass die Maß Bier (Mass wie ‚Hass‘, nur mit ‚M‘ ausgesprochen, um das mal endlich klarzustellen) beim Mitschunkeln der lautstark vorgebrachten Hymne vom „mia san mia und uns kon koana“ („wir sind wir und uns kann keiner“) nicht außer Kontrolle gerät.

Was ist noch zu beachten, um in diesen Himmel der Glückseligkeit einzufahren? Der bayrische Dialekt sollte beherrscht werden. Vor allem seine hintersinnigen Deutungen sind zwingend zu erfassen; ohne sie vollends zu begreifen geht nun mal überhaupt nichts.

Aber da stößt dann wohl der Kopf eines Normalbürgers aus Nicht-Bayern an seine Grenzen. Denn was kann er schon damit anfangen, wenn es heißt „wer ko der ko!“ („wer kann der kann!“). Nach Überlieferung wurde dieser, von selbstgefälligem Lachen begleitete, Ausruf von einem Fuhrunternehmer gegenüber unserem allseits hochgeschätzten König Ludwig geäußert, nachdem er die Königskutsche, von eleganten Pferden gezogen, dank seines schweren Haflingergespanns im Straßengraben versenkte.

Fazit: Wahrscheinlich wird’s nichts, mit dem Vorhof zum Paradies. Das klappt einfach nur, wenn man in Bayern von bayrischen Eltern geboren und großgezogen wurde. Und selbst da ist der Aufstieg nicht sicher, sollte der Anwärter bei der Auswahl seiner Eltern versehentlich in eine der unteren Schubladen gegriffen haben.

Aber vielleicht gibt es doch noch eine Möglichkeit - wenn man in der Hirschledernen (nur eine Kniehose aus Hirschleder mit fein besticktem Hosentürl vor dem ‚Gmächt‘ der ‚Mannsbuider‘ ist standesgemäß) ordentlich klimpern kann und anschließend den 'Diredare' (das Geld) an exponierten Stellen großzügig verteilt. Das verhilft in der Regel dazu, dass ohne größere Nachfragen die Wunschportale geöffnet werden, die den Weg in eben diesen Vorhof des bereits angesprochenen Paradieses freigeben.

„Do san dann oi finfe wieda grod“ („da sind dann alle fünf wieder gerade“), und vom Paradiesanwärter heißt es dann eventuell „aba a Hund is a scho!“ („aber ein Hund ist er schon!“), und langsam wird sogar dem zuagroasten Neubürger klar, was damit gemeint ist ...

Den vielen aufrechten und frommen Bayern sollte mit diesen 'hinterfotzigen' (milde übersetzt: sarkastischen oder zweideutigen) Worten nicht ans Bein gepinkelt werden. Doch die bayrische Oberschicht (oder alles, was sich dafür hält) sollte sich gelegentlich schon eine Prise Spott gefallen lassen; nur dann kann man von ihnen weiterhin behaupten „aba Hundt sans scho!"

© Elenore May


Zusätzliche Anmerkung im Juni 2016:
Dieser Text ist bereits älter und wurde etwas überarbeitet. Angesichts der momentanen weltpolitischen Lage - Einknicken der UN vor den Saudis, die Flüchtlingsproblematik, unser neuer 'Freund' Erdogan, die erneut aufflammenden Hungersnöte in Afrika, der einsetzende Klimawandel, die asoziale und infame Gier der Multis - sowie noch eine ganze Reihe weiterer Probleme, die der Mensch sich so (selbst geschaffen) antut – sind wohl die Störfeuer aus dem Freistaat fast vernachlässigbar; nur, auch Bayern ist längst keine 'Insel der Seligen' mehr … leider.
EM

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Kommentare (2)

Elenore ... Danke Roxanna, das freut mich,
Elenore
Roxanna im Gesicht, liebe Eleonore, habe ich deine Geschichte, in der du uns die bayerische Mentalität nahe bringst, gelesen. Dank auch für die kleine Lektion über den Bayerischen Dialekt . Unbestreitbar hat er einen gewissen Charme Da fällt mir auch gleich die Geschichte des Bayern im Himmel ein. Luia sog i!!!
Ich habe mich köstlich amüsiert.

Herzlichen Gruß
Roxanna

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