Seit einem halben Jahr bin ich nun Rentnerin und mit meinem Dasein recht zufrieden. Keine Langeweile und genügend Abwechslung, zumal ich weiterhin wöchentlich für einige Stunden ins Büro gehe. Damit bleibe ich nicht nur in Kontakt mit berufstätigen jüngeren Menschen, sondern kann mich auch über ein finanzielles Extra freuen.
Viele Unternehmungen standen in den vergangenen Monaten auf meinem Programm: Raus aus dem Haus und gucken, was passiert. Doch diese Neugierde auf das Leben da draußen endete zum Jahresende. Nach den Feiertagen, die mit zuviel Essen & Co. einhergegangen waren, entwickelte sich bei mir eine große Trägheit. Noch länger schlafen als sonst, auch mittags zuweilen für ein Stündchen hinlegen, zur Freude unserer Katze, die sich keine fünf Minuten später gemütlich einrollte und dazu legte. Tagelang ging ich nur vor die Tür, um etwas einzukaufen. Ansonsten wurde das gerade aktuelle Buch in die Hand genommen und gelesen. Viel mehr fand nicht statt.
Außerdem erwies sich das Wetter als unangenehm; es war kalt und nass, und es fielen sogar mal ein paar Schneeflocken, was wir hier in Köln nicht oft erleben. Also wollte ich erst recht in der Bude bleiben. Unzufrieden machte mich das keineswegs. Ein 64-jähriger Mensch kann offenbar problemlos in den Energiesparmodus übergehen.
An einem kühlen Tag, der aber dennoch einige Sonnenstrahlen bereithielt, machte ich mir endlich ein paar Gedanken: Ich, im Freundeskreis als Predigerin des „So-oft-wie-möglich-Draußenseins“ manchmal belächelt, hatte mich zu einer Stubenhockerin entwickelt.
Und jetzt? Die einzige ernst zu nehmende Maßnahme: Warme Jacke, Stiefel an – und raus!
Mein Mann, der ein bisschen überrumpelt wurde von der plötzlich wieder auflebenden Ehefrau, zog sich überraschend klaglos Mantel und Schal an. Vermutlich wusste er so schnell nicht, wie er das Ansinnen, mit mir raus zu gehen, ablehnen sollte. Und los ging’s.
Was macht ein Kölner, der mal wieder an die frische Luft will? Er geht an den Rhein. Vom Heumarkt aus bewegten wir uns am Rheingarten entlang Richtung Hohenzollernbrücke.
Der Kälte wegen waren nur wenige Menschen unterwegs. Und wir, die ein solch geringes Personenaufkommen in diesem Bereich kaum je erlebt haben, genossen es. Uns entgegen kamen ab und zu Menschen mit verfrorenen Gesichtern, vielfach wohl Touristen, mit einem Smartphone in der Hand, um Selfies aus Köln zu machen. Auch manche Hunde wurden ausgeführt, einige bekleidet mit bunten Mäntelchen. Wir überlegten, wann denn wohl jemand auf die Idee kommen wird, den Tieren kleine Stiefel zu verpassen, farblich passend zur Oberbekleidung.
Beim Blick Richtung Dom – vom Rheinufer aus sieht man ihn ja von der Rückseite – bemerkten wir den jungen Mann, der hier regelmäßig seine bunt schillernden Riesenseifenblasen produziert. Normalerweise ist er umringt von Publikum, doch diesmal schaute niemand zu.
Nachdem wir mit großer Ausdauer eine Möwe fotografiert hatten, die auch wirklich so lange auf dem Geländer sitzen blieb, bis wir sie gut im Kasten hatten, fiel unser Blick auf den Uferbereich.
Unglaublich! Massen von Fahrrädern lagen im Wasser, erkennbar verrostet, weil sie vermutlich schon vor Jahren dort entsorgt worden sind. Seit Wochen hat der Rhein einen extrem niedrigen Wasserstand, und nur daher konnten wir die Räder so gut sehen. Da wir so intensiv in die Tiefe schauten, wurden andere Passanten auf uns bzw. unsere Objekte aufmerksam; niemand hatte bisher von der Existenz der vor sich hin rostenden Drahtesel gewusst.
Doch allmählich wurde es Zeit, wieder den Rückweg anzutreten. Ein kurzer Blick noch hinauf zur Hohenzollernbrücke, die der vielen am Brückengeländer angebrachten „Liebesschlösser“ wegen wunderbar im Sonnenlicht glänzte, und wir drehten uns um – ich jedenfalls im festen Glauben daran, kleine Touren durch die Stadt oder die Umgebung wieder fest in meinem Wochenplan unterzubringen. Egal, wie das Wetter ist.

evelyn52


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Kommentare (4)

evelyn52 Liebe Kristine, Gegensteuern ist das richtige Wort. Was nützt es, wenn man sich zwar allerhand vornimmt, aber dann trotzdem nichts unternimmt. Mittlerweile gelingt es mir wieder, täglich wenigstens eine Stunde vor die Tür zu gehen, und es macht Spaß. Das derzeitige Wetter, wenn auch kalt, aber doch sonnig und schön, lädt ja geradezu dazu ein.

Lieber Willy, das klingt ja alles ganz positiv. Möge es noch lange so weitergehen. (In den langweiligen Himmel werde ich dereinst vermutlich auch nicht kommen ...)

Liebe Ladybird, auch eine Kölnerin? Die Bemerkung "Et kütt wie et kütt" spricht ja sehr dafür. Über die Fahrradleichen steht heute ein Artikel im Stadtanzeiger; offenbar haben auch noch andere Leute die entsorgten Objekte gesehen.

Euch allen herzliche Grüße von Evelyn
ladybird Danke für den aktiven Spaziergang am Rhein entlang, den ich hier im Sessel wahrlich genoss und ich bin erstaunt, dass diese "Fahrrad-leichen" wirklich zu sehen sind. Ich sah sie
bereits in der Zeitung, wollte es jedoch nicht ganz glauben.
sie werden bald wieder verschwunden sein, es droht Hochwasser nach diesen Schneemassen um uns herum,
et kütt wie et kütt-herzlichst ladybird
Willy Als ein alleinstehender Rentner, der für sich selbst sorgen muss- ist mir noch nie Langeweile aufgekommen. Das Schreiben fürs Web füllt auch einen Teil der Zeit. Nein- zu versauern habe ich keine Furcht und da ich ganz gewiss nicht nach meinem Ableben in den langweiligen Himmel komme, bin ich auch in dieser Hinsicht aller Sorgen frei.
LG
W.
werderanerin schöne Begebenheit in Kölln, liebe Evelyn und ich könnte mir vorstellen, es geht vielen so, wie dir.

"Angekommen" im Rentnerdasein möchte man gerade in der ersten Zeit alles "nachholen", was man dachte versäumt zu haben...und dann, ja dann... kommt das trübe und nasskalte Wetter hinzu, man möchte sich vergraben und nicht in die Tristesse schauen, da hilft nur Gegensteuern und keine depressive Stimmung zulassen.

Mein Motto ist Bewegung, egal welcher Art und das, wenn möglich draußen. Wenn das Wetter jedoch so gar kein Erbarmen hat, dann finde ich auch etwas Anderes.

Für mich war wichtig, möglichst aktiv zu bleiben, egal auf welche Art. Der Kopf und auch der Geist brauchen weiterhin Nahrung, um nicht zu veröden...und wenn mir nach Ausruhen ist, dann mache ich das auch, gönne mir Auszeiten.

In dem Sinne, einen aktiven Januar wünscht
Kristine

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