Als ich noch in kurzen Hosen ging


Wie in jedem Jahr zu den „Großen Ferien“ wurde ich zu Tante Pauline auf`s Land geschickt. Das Land hiess Ulbersdorf und war der Geburtsort meiner Mutter, somit war Tante Pauline die Schwester meiner Mutter. Insgesamt waren es sieben Schwestern, eine hieß Tante Selma und sie hatte einen Sohn der durch die verwandtschaftlichen Verhältnisse mein Vetter war. Da wir beide aus der gleichen Stadt kamen, eben Berlin, hatten wir auch zur gleichen Zeit Ferien. Er hiess Helmut und ich war der Paul. Ausgesehen haben wir wie Max und Moritz. Er kurzgewachsen und Schwarzhaarig, ich dagegen lang und dürr mit hellblondem Haar welches in der Sonne wie Gold leuchtete. Pauline sagte immer wir sähen nicht bloss so aus, sondern benahmen uns
auch so. Aber ganz so schlimm waren wir doch nicht.
Nun waren wir da und Ulbersdorf gehörte uns. Wie es nun so in den Dörfern war, da gab es Grossbauern. grosse Bauern, kleine Bauern und keine Bauern. Zu den letzteren gehörte Tante Pauline, sie war eine Häuslerin, bestellte ihre kleine Wirtschaft, half den Bauern zur Erntezeit und melkte ihre Ziegen. Ausser den Ziegen gab es noch einige andere Tiere. Hühner, Gänse und zwei Schweine, eine Sau und einen Borg. Ein Borg ist ein Eber der kein Eber mehr ist, eben ein Eunuch unter den Schweinen. Die Sau wurde dann als sie fett und schwer genug war verkauft und der Eunuch zum Hausgebrauch geschlachtet, zu Wurscht und andere Schreinereien verarbeitet.
Tagsüber waren wir zwei beide mit uns alleine Beschäftigt. Unsere bäuerlichen Spielkameraden mussten zur Schule und anschließend mit in der Landwirtschaft oft noch mithelfen. Dafür hatten sie dann lange „Kartoffelferien“ im Herbst und da mussten sie ganz schön ran.
So sassen wir oder lagen auf der Angerwiese und sinnierten so vor uns hin. Helmut fragte mich plötzlich ob ich noch Märchen lese? Na ja, lesen nicht mehr aber ich erinnere mich, jetze lese ich lieber Jhon Klink, Rolf Torring oder Billy Jenkins.
Helmut fragte weiter, kannste dir noch an Tischlein deck dich das Märchen mit den drei Brüder und der Ziege?
Da dämmerte es mir und der Moritz kam bei mir durch als Max, meinte Helmut, mich angrinste. Mit geschlossenen Augen der sonne wegen, sah ich Tante Pauline und die Ziegen vor mir.
Nun hiess es ran an sie Bouletten, Aber wo bekamen wir eine Schere her? Das Nähzeug von der Tante war in der guten Stube und die war immer verschlossen. Da ging mir n Licht auf und ich rannte rüber zum Bauer Zippel, der hatte vier Töchter da wird sich schon ein Schneidedinges auszuborgen sein.
Elfriede die Zweitälteste spielte eben mit ihrer Katze. Sag mal Elfi, ich wusste sie freut sich wenn man sie Elfi nannte, du kannst doch schon nähen? Klar sagte sie. Kannste mir nicht mal deine Schere borgen? Was willst denn damit machen? Ja was sag ich nun? Him, ich will mir n paar Bilder aus n Katalog ausschneiden. Zeigst du sie mir dann auch mal? Klar, sagte ich, mach ich doch. Sie huschte ins Haus und kam tatsächlich mit ihrer Schere zurück. Sie gab mir das Schneidewerkzeug und ich zurück zu Vetter Helmut. Nun mussten wir nur hoffen dass Tante Pauline nicht so schnell von der Feldarbeit zurückkam. Wir nun rein in den Zickenstall. So, wer fängt an? Ich war der Ältere also nahm ich die Schere und Helmut hielt die erste Ziege fest und ich ran an den Zickenbart, ritsche ratsche der erste Bart war ab. Nun lass mir mal und der zweite war perdü der dritte und vierte folgte sogleich. In dem Moment als wir fertig waren mit dem Barbierspiel knarrte die Stalltür und ein mädchenhaftes Kichern war zu hören. ELFRIEDE rief ich, aber sie war schon weg. Nun würde ich nie mehr zu ihr Elfi sagen.
Es wurde Nachmittag und bei strahlenden Sonnenschein kam das Donnerwetter in Person von Tante Pauline: „Ihr verruchten Lausebengels, ihr seid ja wie die Schweine, nicht wie die Weissen, wie die schwarzen Schweine seid ihr. Die armen Ziegen, jetzt geben sie keine Milch mehr.“ „Aber Tante, wir meinten es doch nur gut. Es sind doch weibliche Ziegen und Frauen haben doch keine Bärte“ Aber das Argument nutzte nix, zum Abendbrot gab es Stulle mit Ziegenbutter und Ziegencqark.
Und Elfriede? Als wir die Schere zurückbrachten grinste sie, legte ihren Zeigefinger über die Lippen und macht pst.
Ich sagte wieder Elfi zu ihr.
Immer wenn wir uns von da an begegneten sagte sie määh, auch noch als wir älter waren und wir uns zur Begrüßung küssten.
Alle angst war unbegründet, die Ziegen gaben weiterhin Milch damit die Butter nicht alle wurde.
Nachbemerkung: Diese „Geschichte“ entspricht voll und ganz realer Tatsachen. Nur die Elfriede ist erfunden, Denn ein wenig Liebe muss sein.

Paulicke




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Kommentare (1)

finchen mit dieser Aussage "verkaufte" man mir nach langer Krankheit dieses "köstliche" Getränk - brrrr.
Nase zu und runterschlucken............lieber Paulicke,
glaube mir, es hilft, wenn man daran glaubt, auch so.
Eine nette Geschichte, mir hat sie gefallen.
Sei lieb gegrüßt mit mähhhh
das Finchen

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