Anselm und Eusebius


Anselm und Eusebius
 

Anselm und Eusebius

„Bruder Anselm, wie lange schon
bewegt uns die ewige Frage:
Was werden wir im Jenseits sehn
nach dem Ende der Erdentage?“
„Lieber Bruder Eusebius,
all unsere Überlegungen
brachten uns nur den einen Schluss:
Nur Gott erteilt uns die Segnungen.“

„Anselm, lass uns verabreden,
der erste von uns, der es erfährt,
wird von dort ein Zeichen geben,
mit dem er den Bleibenden belehrt.
Er sag‘ nur einfach „taliter“*,
was all die Herrlichkeit bestätigt,
wie man sie uns immer wieder
in den Heiligen Messen predigt.“

„Oh, eine herrliche Idee“,
spricht Klosterbruder Anselm sogleich,
„falls ich als Erster von uns geh‘,
geb‘ ich gleich Nachricht vom Himmelreich,
ausführlich kann‘s wohl nicht geschehn,
doch reich‘ dies‘ Wort zur Bestätigung,
dass alles, was ich hab‘ gesehn,
ganz so ist wie uns‘re Vermutung.“

„Anselm, lass es uns beschwören
und als Geheimnis still bewahren,
werden es im Traum dann hören,
das Wort als Himmelszeichen. – Amen!“
Sehr bald schon ging Eusebius
von Gott gerufen durchs gold‘ne Tor,
staunte mit höchlichstem Genuss:
So stellt sich kein Mensch den Himmel vor!

Eusebius erschien sogleich
Bruder Anselm im nächtlichen Traum
„Anselm, ich bin im Himmelreich,
mein Bruder, höre, man glaubt es kaum,
doch zwei Worte sage ich dir,
es ist TOTALITER ALITER*
niemals auf Erden konnt‘ ich mir
ausmalen solch herrliche Bilder.“
© Syrdal 2020
…………………….

*taliter (lat.) = es ist so
*aliter (lat.) = es ist anders
*totaliter aliter (lat.) = es ist gänzlich (völlig) anders

Gestaltet nach einer mittelalterlichen Erzählung von zwei Mönchen, die sich das Paradies (den Himmel) in ihrer Phantasie in den glühendsten Farben ausmalten.


Abb. Aage Jessen (1876 – 1961), „Zwei Mönche“

 

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Kommentare (4)

Tulpenbluete13


Das ist keine schlechte Idee, lieber Syrdal, wenn man jemanden hätte der uns auf der letzten Reise vorausginge und dann berichtete was "da oben" so vor ich geht....

Aber- gleich zögere ich: Will ich das wirklich wissen???? Ich sage nein...lieber nicht....

Das ist nur meine  Meinung... Man muss nicht immer die gleiche haben.

Einen wundersvhönen Vatertag
(irgendwie finde ich passt die Geschichteheute)
und dane für die Mühe die Du Dir immer machst
einen lieben Gruß zu DiR
Angelika

Syrdal

@Tulpenbluete13

Ja, will man denn wirklich wissen, wie es im Himmel sein wird…? Es ist wohl besser, ein jeder macht sich sein eigenes Bild und wird einst erfahren, wie es sich tatsächlich darstellt. - Eusebius hat sich ja auch bedeckt gehalten und sagte nur sehr weise „TOTALITER ALITER“, was auch immer man sich nun vorstellen mag!

Was nun den „Vatertag“ betrifft, hat er bei mir ganz bestimmt nicht die landläufige Bedeutung als Anlass für ein feuchtfröhliches „Irgendwie-Geschehen“. Für mich ist es der Himmelfahrtstag, dem der heutige Feiertag ja namentlich gewidmet ist.

Hab Dank für deine Betrachtungen zu Gedicht und Tag und genieße die wärmende Sonne – heute, morgen und überhaupt.

Dies wünscht dir mit heiteren Feiertagsgrüßen

Syrdal  

U. Petri

Prima, lieber Syrdal, 
daß Du nach dem gestrigen Plauderstübchen so schnell Dein Werk von 2022 einstellen konntest:  "totaliter aliter"...
Ganz besonders schön: es so geheimnisvoll von Dir gesprochen zu hören mit entsprechendem Hintergrund!

Also: träume Jeder sein spezielles ALITER ...

Mit herzlichen Grüßen
Ursula

Syrdal

@U. Petri

Ja, liebe Ursula… gestern konnte ich das Gedicht nicht so schnell finden, dann aber später doch.
Die alte Erzählung fand ich so schön und bewegend, dass sie mich gleich angeregt hatte, sie in Versform zu setzen. Und nun mag ein jeder, der sie liest, sich mit allerschönsten Phantasin in den „Seinen Himmel“ hineinträumen.

Ausgesprochen schöne Himmelsbilder wünscht Dir mit lieben Grüßen
Syrdal  


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