Auf dem Trödelmarkt


Auf dem Trödelmarkt


Es gibt Menschen, für die ist ein Besuch auf dem Trödelmarkt wirklich nur vertrödelte Zeit. Sie meinen, es gäbe nur Ramsch, alten Kram, den später mal die Erben eh wegschmeißen. Anstatt seinen Haushalt nach und nach zu verkleinern, schaffen sich die Trödelmarktliebhaber immer mehr Sammelstücke an, von denen sie sogar glauben, es sei eine Wertanlage. Manche mutieren sogar zum Messie, weil sie nicht mehr wissen, wohin sie mit den "Schätzen" sollen. Auch wir haben im Garten solch ein Häuschen stehen, dass alte Radios, Hobel aller Größen, Petroleumlampen und weitere diverse "Raritäten" einlagert.

Mein Freund Bernd zu Beispiel gibt Geld aus für alte Blechschilder. Manche aus den 50er Jahren bringen 200 Euro und mehr, meint er. Ein Sammler verkauft aber nicht, er freut sich, solche alten und teilweise rostigen Werbeschilder auf Flohmärkten zu finden, sie im heimischen Keller ab- auf- und umzuhängen. Nur ganz selten findet man noch eine echte Rarität, für die auch schon mal 2000 Euro über den Trödeltisch gehen können.

Das klingt doch verrückt. Die Frage ist doch nur, ob es in 40 Jahren auch noch Liebhaber der verrosteten Emaille-Schilder gibt. Wenn nicht, dann ist die Wertanlage geplatzt, ohne dass man wie in mancher Finanzkrise eine Bank dafür verantwortlich machen kann.
Mein Ehemann suchte unbedingt ein Wagenrad für den alten Handwagen, der in unserem Garten aus Gründen der Verwitterung die Blumenkästen nicht mehr waagerecht stehen lässt. Macht Sinn. Er beging nur einen Fehler. Er fragte den Verkäufer, was jener dafür haben wolle. 20 Euro. Der Handel endete bei 16.

Man muss dem Händler nämlich sagen: Ich gebe Dir 10 Euro und nehme das Rad mit. Ist das ok? Bei mir jedenfalls klappt diese Art des Handels fast immer.

Mir hat meine Großmutter vor 30 Jahren einige Weingläser hinterlassen, aus denen sie selbst noch zu ihrer Hochzeit 1930 getrunken hat. Anfangs fand ich sie altmodisch, das Glas zu dünn, zu klein für Wein, Blümchenverzierungen geätzt oder geschliffen. Die Damen von 1930 nahmen natürlich auch nur einen kleinen Schluck und nicht wie wir heute einen großen.

In die modernen volumigen Gläser von heute kann man fast eine halbe Flasche Wein hinein gießen. Die Gläser haben nur einen Nachteil. Sie sehen alle gleich aus, es sei denn, man lässt das Preisschild dran.
Und genau so hat meine Sammelleidenschaft für Weingläser aus Großmutters Zeiten angefangen.

Ich wühle auf jedem Flohmarkt mit geübtem Blick nach Einzelstücken in Kisten, wo noch vor Jahren 1 DM drauf stand und auf welchen heute verständlicherweise 1 Euro steht. Man sieht, auch im Trödelhandel gibt es eine Inflation.

Im Antikhandel bezahle ich für 4 Gläser einer Sorte heute schon um die 50 Euro und wenn ich ein Glas für bis zu 3 Euro erstehe, dann ist es doch wie eine Trophäe und mein ganzer Sammlerstolz macht sich breit.

Unser genialstes Trödelmarkterlebnis hatten wir im vergangenen Sommer. Ziel meines Lebensbegleiters war es, einen Dampfentsafter zu erstehen, weil die Holunderernte nicht mehr lange auf sich warten ließ. Das Gerät im Gartenhäuschen stammte aus dem Jahr 1978 und war zu verschlissen und nach seinen Recherchen die passenden Entsafter im Online-Handel zwar im Edelstahl-Look aber alle zu teuer. Es gibt immer einen Grund, etwas nicht im Handel zu kaufen.

Ich warnte: "Wage Dir ja nicht, solch einen alten Schinken zum Entsaften im Trödel zu kaufen, dann kannst Du Deine frischen Vitamine alleine trinken." Er beruhigend und gelassen wie Männer eben immer sind: "Warte doch erst mal ab."

Nach über drei Stunden wühlen sah ich den Pappkarton mit entsprechender Abbildung des altbekannten Fruchtentsafters aus tiefsten DDR-Zeiten bei einem holländischen Händler stehen. Der Karton war noch verschlossen und unten klebte das Originalpreisschild: EVP 24,80 M. EVP stand für Endverbraucherpreis und M natürlich für Mark. Ostmark versteht sich. Ich beschaute den Karton, drehte ihn um und schon bemerkte Verkäufer Edwin mein Interesse.

Auch mein Ehemann hatte meinen genialen Fund bemerkt. Und welchen Fehler machte er wieder? Er fragte: "Was wollen Sie dafür haben?" "Sehen Sie selbst, das ist ein Dampfentsafter in total unbenutztem Zustand. Der ist schon über 30 Jahre alt und trotzdem neu. Heute bezahlen sie im Geschäft über 50 Euro dafür. Also für Sie 30 Eus. "

Edwin roch ein Geschäft, öffnete den Karton und holte das noch verpackte Gerät aus einem vergrauten Packpapier. Ich sah meinem Mann an den Augen an, dass er einfach nicht handeln konnte und schritt nun ein: "Schauen Sie, das Ding hat mal 25 Ostmark gekostet, 1980 hat man etwa 1 : 20 West- in Ostmark heimlich umgetauscht, der offizielle Tauschkurs 1990 1 : 2. Das heißt, das Gerät war 1990 gerade mal 12 D-Mark wert. Und als 2002 der Euro kam... "
Edwin unterbrach mich genau in dem Moment, wo ich Luft holen musste...und antwortete in seinem schönsten Holländerdeutsch: "Liebe Frau, vergessen Sie nicht, dass man Freude und den Erinnerungswert nie in Geld ausdrücken kann." Er lächelte ein liebes Händlerlächeln.

"2002 nur noch 6 Euro....." musste ich einfach noch hinterher schieben, weil Frauen leider gerne das letzte Wort haben wollen. Mein Mann: "Ich gebe Ihnen 20 Euro." Ich: "Bist Du verrückt. Außerdem will ich Deinen Holundersaft gar nicht, weil er mir nicht schmeckt. Wir brauchen das Gerät nicht. Komm jetzt weiter. " Er: "Das ist ja plötzlich ganz was Neues. Du wolltest doch immer zurück zur Natur. Alles selber machen." Ich spitzbübisch lächelnd zu Edwin: "Sehen Sie, so kann es wegen Ihres Dampfentsafters sogar noch zu einem Ehestreit kommen. Wollen Sie das etwa? "

Pause.

Mein Mann: "15 Euro !" Handschlag . Geschäft abgeschlossen. Von 24,80 Ostmark auf 15 Euro !!!!!!!!!!!!! Welch ein materieller Verlust, sprachen ganz leise meine Gehirnzellen.

Es sind 15 Liter Holundersaft geworden. Gut gegen Fiber und andere Tücken einer Erkältung. Der Saft lagert schon das zweite Jahr, weil einfach keiner krank wird.

Ich glaube, das Schöne am Flohmarkt ist das Miteinander- ins -Gespräch- kommen, das Geschichten- erfinden, erzählen, in Erinnerungen schwelgen und jeder glaubt am Ende ein Schnäppchen gemacht zu haben.

by Maritt

 


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