Auf dem Weg zur Wanderdüne


Ein paar Tage später war unser Urlaub so gut wie zu Ende. Wir packten alles in den braven Trabi, der unter der Last wieder ächzte und fuhren davon. Unterwegs wollten wir noch einen Abstecher zur Wanderdüne bei Łeba machen. Ich hatte gelesen, dass dies eine fast echte Wüste sei. Die wollten wir besuchen, weil wir sonst keine Chance sahen, jemals eine Wüste zu sehen.
Wie meistens, wenn wir reisten, saß ich am Steuer und meine Frau sagte, wo es lang ging. Da wir einen alten polnischen Autoatlas besaßen, sollte es kein Problem sein, Łeba zu finden. Das hätte auch fast geklappt, bis meine Frau meinte, eine Abkürzung gefunden zu haben. Ich war auch für Abkürzen, und so fuhren wir von der Straße herunter und durchquerten den Wald auf unbefestigten Wegen. Das ging anfangs noch ganz gut, aber bald wurde der Weg immer abenteuerlicher. Rechts und links von uns war Wasser und ab und zu mussten wir über Brücken, die eigentlich nur aus zwei über das Wasser gelegten dicken Brettern bestanden. Ich ließ immer vorher die Familie aussteigen, damit sie im Falle eines Falles nicht mit ins Wasser fiele. Außerdem brauchte ich jemanden, der aufpasste, dass ich auch wirklich auf den Brettern fuhr und nicht daneben. So fuhren wir immer tiefer in die Pampa bis es plötzlich nicht mehr weiterging. Eine dieser sogenannten Brücken war durchgefault und unbenutzbar. Nun war guter Rat teuer. Wenden ging nicht, dazu war der Weg zu schmal. Es blieb also nichts anderes übrig, als den ganzen Weg noch einmal rückwärts zu bewältigen. Das war wahrlich kein Vergnügen. War es schon vorwärts sehr kompliziert, so über die Brückenbretter zu fahren, dass das Auto nicht aufsetzte und auch Reifen und Federn geschont wurden, so war es rückwärts um ein Vielfaches schwerer.

Völlig durchgeschwitzt und k.o. erreichten wir irgendwann wieder eine Straße, auf der wir uns dann auf den „Umweg“ nach Łeba machten.
Wegen unserer Irrfahrt war es bereits Abend als wir auf dem Parkplatz in Rąbka eintrafen. Hier musste man sein Auto stehen lassen und den restlichen Weg zur Wanderdüne zu Fuß absolvieren. Da es schon so spät war, mussten wir weder Parkgebühren noch Eintrittsgeld für den Nationalpark bezahlen, denn die Kassen waren geschlossen. Wir brauchten nur 5,5 km zu gehen, dann würden wir bei der Wüste sein. Leider war dieser einfache Plan nicht in die Praxis umsetzbar, denn während unser 9-jähriger Sohn zügigen Schrittes mit uns lief, war der 6-jährige nicht vom Wandern zu begeistern. Er blieb dauernd stehen, was zur Folge hatte, dass die zahlreichen Mücken sich auf ihn stürzten und malträtierten.

In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und der widrigen Umstände mussten wir die Aktion leider abbrechen. Wir setzten uns in unser Auto und fuhren in Richtung Heimat, wo wir dann auch spät in der Nacht ankamen.

Zusammenfassend kann man sagen: Der Trabant hatte tapfer durchgehalten und es war ein billiger Urlaub. Wir hatten uns erneut sehr wohlgefühlt in Polen und trotz der Versorgungsprobleme wollten wir unbedingt wieder dorthin reisen.

In Polen kam es im Sommer 1980 zu einer massiven Streikwelle, in deren Folge 1981 das Kriegsrecht ausgerufen wurde, das Privatreisen fast unmöglich machte. Aus diesem Grund sollte die hier beschriebene Polenreise für lange Zeit die letzte sein.

Aus dem Buch "Reisehusten" von Wilfried Hildebrandt


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