Avatare
langsam weicht die dämmerung dem tag
die kaffeemaschine spuckt wasser auf den filter
du gehst zur tür, die zeitung ist da
kurzer blick auf die schlagzeilen
derselbe wahnsinn wie immer
die erste tasse kaffee ist durch
dein kopf ist noch benommen
du nimmst dir vor
deinen rotweinverbrauch zu reduzieren
die uhr an der wand tickt die sekunden herunter
du überlegst deinen plan für heute
um dann festzustellen, es ist derselbe wie gestern
du nimmst die tasse zum schreibtisch
klappst den deckel des laptop hoch
das vertraute bild deiner welt leuchtet auf
die konstante in deinem leben
im forum die gleichen gesichter wie immer
avatare, so vertraut wie unbekannt
du blickst auf den blinkenden cursor
dein tag beginnt
langsam weicht die dämmerung der nacht
der monitor hat sich in deine augen gebrannt
du gehst in die küche, das helle licht blendet
ein kleiner rest rotwein ist noch in der flasche
du öffnest eine neue, nimmst das glas zum schreibtisch
der alkohol legt sich weich über deine gedanken
du verspürst die vertraute leichtigkeit
die avatare schlagen ihre letzten gefechte des tages
ringen um die wichtigkeit ihrer worte
In der bedeutungslosigkeit ihrer scheinwelt
das licht im badezimmer grell
dein fahles gesicht im spiegel, die augen gerötet
und du stellst dir die frage
wie deine leben vorher war
Kommentare (11)
@Tulpenbluete13
Hallo Angelika
Wenn dich das Gedicht zum Nachdenken anregt, hat es seinen Zweck erfüllt.
Vermutlich denkst du beim Lesen meines Namens an Cote de Boeuf oder an ein Boeuf Bourguignon. Beides ehrt mich 😁
Herzliche Grüße
Peter
Dein Gedicht kommt der Realität sehr nah und ich gebe zu, mich in gewisser Weise auch selbst darin gefunden zu haben. Aber, lieber Boeuf… oder Wolfgang… was würdest du tun ohne die alltägliche Unterhaltung mit Avataren der virtuellen Welt? Das wäre interessant und ganz gewiss ein neues Gedicht wert unter dem Titel „Gestaltete Einsamkeit“,
...meint mit Freundlichkeit
Syrdal
@Syrdal
Ab und an ist es gut, in den Spiegel zu schauen. Sein Tun zu hinterfragen.
Wir werden weiter unsere Einsamkeit gemeinsam gestalten.
Herzliche Grüße
Boeuf
Mir hat dein "prosagedicht" überaus gut gefallen.
Ich glaube, viele ( besonders ältere) menschen sind z.z. in der von dir beschriebenen lebenssituation.
mich stört es nicht, wenn ich mit einem avatar, also einem virtuellen stellvertreter einer realen person zu tun habe, und ich vermag mich sogar ein wenig mit der situation zu identifizieren.
Deine wortwahl transportiert eine ganz bestimmte Stimmung.
ich kann nicht umhin, eine gewisse traurigkeit und ja, auch eine leere beim lesen der zeilen zu empfinden.
chris33
@Boeuf
Unten im Kommentar schreibst du der Arbeitstitel für das Gedicht wäre "Einsamkeit".
Beim ersten Lesen hätte ich auf die Pandemiezeit getippt. Aber ich geb dir Recht, wenn man Allein ist wird es schnell so wie du es beschreibst.
Leider geht es Vielen so.
herzliche Grüße Wolfgang
@ahle-koelsche-jung
Hallo Wolfgang
Die Frage am Schluss des Gedichtes bezieht sich auf die Pandemie. "Wie das Leben vorher war".
Danke dir für deinen Kommentar.
Liebe Grüße
Peter
"die avatare schlagen ihre letzten gefechte des tages
ringen um die wichtigkeit ihrer worte
In der bedeutungslosigkeit ihrer scheinwelt"
Eine Scheinwelt ist eine mit der objektiven Realität nicht übereinstimmende, fiktive Welt.
Ein Avatar ist eine künstliche Person oder eine Grafikfigur, die einem Internetbenutzer in der virtuellen Welt zugeordnet wird.
Ich frage: Leben wir wirklich als künstliche, konstruierte Akteure in einer virtuellen Scheinwelt, wenn wir uns im ST austauschen ?
@Manfred36
In Foren werden Avatare benutzt, um die wahre Identität zu verbergen. Er ist eine Scheinfigur die mit der Realität nichts gemeinsam haben muss.
Das Gedicht bezieht sich nicht auf den ST, steht auch nirgends. Mein Arbeitstitel für das Gedicht war übrigens Einsamkeit.
Boeuf
Lieber Boeuf...
warum muss ich beim Lesen Deines Nicknamens immer an ein Gericht denken??lach..
Aber mal ernsthaft:
Wenn man nur in der Welt der Avatare "unterwegs" ist und kaum noch "echte" soziale Kontakte hat und/oder sich nicht anderweitig beschäftigen kann...ist man arm dran. Die Grenze ist fließend..und es muß jeder für sich entscheiden ob er sie überschreitet oder nicht...egal ob "vorher" oder "nachher"...
Worte zum Nachdenken für jeden von uns..
meint
Angelika