Bis dass der Tod uns scheidet


Bis dass der Tod uns scheidet

Ich weiß nicht, ob Klaus nun einer von den Männern ist, die nicht besonders gut reden können oder einer von denen die besonders gut nichtreden können … Jedenfalls hatte ich ihn lieb. Auch dafür.
Obwohl er ein ganz normaler Mann ist, ist er für mich etwas Besonderes. Manchmal dermaßen gedankenlos und unbedarft, dass er mich an ein Kind erinnert, unzuverlässig in einem Maß, dass es schon wieder zuverlässig ist, und spontan auf eine naive Art, über die ich mich stets freue.
Es ist ein schönes, bewegendes Leben mit ihm. Ich bin glücklich – auch wenn er zu den Männern gehörte, die fast jeden Hochzeitstag vergessen.

Doch gestern, am Sonntag kam er mit einem „Hochzeitsgeschenk“, wie er es nannte. Ein halbes Jahr zu spät, wie ich dachte – oder zu früh. Aber diesmal war’s genau richtig. Er hatte mir ein Fotoalbum zusammengestellt mit Bildern aus den vergangenen über 40 Jahren und es in Alufolie verpackt. Als er’s mir gab, strahlte er dabei dermaßen, dass ich nichts sagen konnte in dem Moment, und das tiefe Gefühl der Liebe verhinderte für einen Moment, dass ich mich überhaupt bewegen konnte.
Dabei strahle er mich auf eine Weise an, dass ich wusste, da kommt noch was …

„Hättest du nicht gedacht, dass ich unseren Hochzeitstag nicht vergesse, ne?“

„Welchen? Den letzten oder den nächsten?“

„Diesen. Wir haben heute Aluminiumhochzeit – siebenunddreißigeinhalb Jahre!“, trompetete er stolz.

„Ja,“ sagte ich, „da hab‘ ich wirklich nicht dran gedacht,“ und musste ihn anschmunzeln.
„Siehst du? Und deshalb hab‘ ich ein besonderes Geschenk für dich.“

„Das Album ist wunderschön, Klaus. Wo hast du nur …“

„Nein, doch nicht das Album. Das ersetzt nur die Karte und die Blumen. Das andere hab‘ ich hier …“ Und er tippte mit der Hand bedeutungsvoll an seine Brust.

Die Fragezeichen schienen mir auf der Stirn geschrieben zu stehen.

„Weißt du, die Aluminiumhochzeit ist Symbol für ‚Erinnerung‘. Da passte das Album so schon. Aber als ich es zusammenstellte gingen meine Gedanken an die vielen Stellen der Vergangenheit zurück, die wir gemeinsam erlebt haben – die schönen Erlebnisse und auch die harten Zeiten, die wir gemeinsam durchstanden haben. Naja, und unsere Hochzeit war da ja noch und mir fiel ein, dass wir uns geschworen hatten, ‚bis dass der Tod uns scheidet‘ verheiratet zu bleiben.“

„Und jetzt willst du einen Rückzieher machen?“, musste ich lachen.

„Nein,“ sagte er, „ich hab‘ damals nur nicht darüber nachgedacht. Dadurch war es im Grunde nicht ernst gemeint. Die Bedeutung war mir überhaupt nicht klar.“

„Aber jetzt ist der Groschen endlich gefallen?“, vermutete ich lachend.

„Naja, so ungefähr,“ gestand er, „geliebt habe ich dich ja immer. Und eigentlich liebe ich dich immer mehr. Da ist mir dann zu dem Spruch das richtige Geschenk eingefallen,“ sah er mich jetzt ernst und tief an.

„Aha …?“, fragte ich nach kurzer Stille.

„Ich liebe dich, Schatz! Ich liebe dich so sehr, ich schenke dir den Rest meines Lebens“

Und in diesem Moment wirkte er wieder unglaublich jung.

 


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