Brief an die Mutter - damit es nicht vergessen wird


Es war ein wolkenloser Herbsttag, Mama - erinnerst Du Dich? - kühl und nass und ich gerade sechs Jahre auf dieser Erde;
Du führtest mich an meiner kleinen Hand durch die schmalen Gassen zur Main-Brücke; Männer in schwarzen Anzügen und hochschäftigen Stiefeln zogen in gleichem Schritt und mit grimmigen Blicken, aber sauberen Gesichtern an uns vorüber, ihre Hände waren wie die von den Doktoren im Krankenhaus, in das ich nicht wollte.
Auf der anderen Seite des Flusses stand ein Gebäude lichterloh in Flammen, Du sagtest, es sei eine Kirche, die brenne, ja, auch die Bürger der kleinen barocken Stadt redeten so: die Kirche sei eine Synagoge und sei von einem Blitz getroffen worden; das glaubtet Ihr, und ich drängte Dich, dass Du mir erklärst, was für eine Kirche die Synagoge sei, doch Du bliebst stumm, Mama, tatest wie alle anderen den Mund nicht auf; in Deinen Augen loderten die Flammen, wenn Du hineinschautest und mir dabei mit Deiner warmen Hand über die Haare strichst; und mir schien die ganze Welt in ein rotes Tuch gehüllt, wenn ich wegen des beißenden Brand-Geruches meine Augen schloss; und über Deinem Gesicht lag der geheimnisvolle Zauber des schlafenden Dornröschens; - plötzlich kehrtest Du dem prasselnden Feuer den Rücken, als wäre Dir bange, die Feuersbrunst würde gleich in Dein Gesicht überspringen und Dich wachküssen.
Diesseits führtest Du mich durch eine breite Kastanienallee, an dessen Ende große Wagen standen mit feldgrauen Planen überspannt, und aus denen kleine Mädchen und Jungen gezerrt wurden, geprügelt und getreten von den schwarz-gekleideten Männern in den schwarzglänzenden Stiefeln mit den grimmigen Blicken und den sauberen Gesichtern; die Mädchen mit langen Zöpfen, in bunten Kleidchen, und die Jungen in schwarzen Leinenkittelchen und zerschlissenen Hosen, Mädchen und Jungen, die keine Kinder sein durften, sondern zu Nichtkindern erklärt worden waren, sie schrieen nach ihren Müttern und nach ihren Vätern, sie schrieen immer lauter, schrieen gotterbärmlich wegen der Schmerzen und weil sie nicht in das langgezogene weiße Gebäude wollten, das an der einen Straßenseite lag und das ich für ein Krankenhaus hielt, das aber keines war, sondern der Bahnhof der kleinen pittoresken Stadt am Main, ja; die Kinder wollten dort nicht hinein, weil sie sich fürchteten, wie auch ich aus Furcht niemals in ein Krankenhaus wollte, Mama; und ich fühlte den Schmerz der niedersausenden Gewehrkolben auf meinem Rücken, als spaltete man Holz darauf, und ich sah Großvater mit dem Beil das Holz hacken auf dem großen Baumstumpf im Garten, weißt Du noch, Mama? dabei hatten die Männer ganz saubere Gesichter und reingewaschene Hände, was ich nie hatte, und derentwegen Du mich oft vom Tisch wegschicktest und mir bis zum Abend nichts mehr zu essen gabst.
Ich riss mich aus Deiner Hand los und lief am ganzen Körper zitternd zu den Häusern, die auf der anderen Seite entlang der Allee eine lange Kette mit vielen Augen bildeten, ich lief von Tür zu Tür, doch niemand öffnete, obwohl hinter den Vorhängen hunderte Blicke die Szene verfolgten, und viele von ihnen sagten, man müsse sich keine Gewissensbisse machen, es handle sich nicht um Kinder, es seien allesamt "lebensunwerte Judenbankert", die unser Reich nur mit ihrer Existenz belasteten, ja; und ich spürte den Schweiß, der meinen ganzen Körper in ein kaltes Nass tauchte, als wäre ich in einen heftigen Regenguss geraten, und Du, Mama, liefst hinter mir her, ich hörte das Tackern Deiner Schritte auf den Pflastersteinen, wie du näher rücktest, ja, und ich glaubte, auch Du würdest mich zum Krankenhaus bringen, in das ich niemals wollte, und ich wusste nicht warum - ich wischte mir mit meinen Fäustchen die Tränen von den Backen.
Wenn Du, Mama, und all ihr anderen, die ihr hinter verschlossenen Fenstern zugesehen hattet, statt das Geschaute zu verdrängen nur geredet hättet, dann wüsstet ihr heute, was geschehen war und es würde nicht noch einmal Leben definiert, "lebenswertes" gegen "lebensunwertes" gewogen, Kosten-Nutzenrechnungen für Behinderte und für die zu alt und unnütz Gewordenen angestellt, Euthanasie eingeführt und sich alles von neuem wiederholen.
Doch ich fürchte, ihr habt dies alles nicht gewusst, weil ihr es nicht wissen wolltet.


In Liebe Dein Sohn


© Horst Ditz

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Kommentare (27)

kolli Ein dreifaches Danke schön an Karl !!.

Kolli
Karl Lieber Horst,


zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich deinen Text erst gestern Abend gelesen habe. Ich bin diesen Sommer sehr mit dem Lesen im ST im Verzug, bei deinem Text hätte ich es nicht sein sollen. Er hat mich sehr erschüttert. Ich frage mich, ob dies ein fiktiver Brief an deine Mutter ist oder ein real abgeschickter. Wir haben hier im Seniorentreff schon oft die Frage erregt diskutiert, was hätten die Menschen damals von den Verbrechen wissen können, wenn sie wissen gewollt hätten, was hätte verhindert werden können, wenn den Anfängen gewehrt worden wäre. Deinem Brief nach zu schließen und deinem Erlebten nach, hätte sehr viel gewusst werden und demnach auch verhindert werden können. Ich weiß, ich habe gut reden wegen der Gnade meiner späten Geburt (1948). Ich bin mir leider ziemlich sicher, dass ich wahrscheinlich kein Held gewesen wäre und mein Leben unter den damaligen Umständen wohl nicht aufs Spiel gesetzt hätte. Ich habe deshalb nicht das Recht über die damaligen Menschen zu urteilen, aber ich leite aus meinem Wissen um die schreckliche Vergangenheit die Pflicht ab, alles zu tun, um damalige Zustände erst gar nicht entstehen zu lassen.

Wir dürfen nicht mit dem Widerstand gegen Unmenschlichkeit warten, bis dass es lebensgefährlich wird etwas zu tun. Wir leben (noch) in einem Staat in dem es möglich ist seine Stimme zu erheben, wenn Entwicklungen eingeleitet werden sollen, die ein totalitäres Regime wieder möglich machen. Wir haben heute die Möglichkeit Widerstand zu leisten, wenn Kriege vom Zaun gebrochen werden sollen oder der Nachbar wegen seiner Rasse oder Religion verfolgt wird.

Es ist gut, Horst, dass du mit deinem Text aufrüttelst, aber du solltest nicht deine Mutter anklagen, sondern dich/uns in die Pflicht nehmen, den Anfängen heute zu wehren, wo es noch möglich ist.

Mit einem herzlichen Gruß
--
karl
harfe Ein mir befreundetet katholischer Pfarrer nahe der französischen Grenze, wo 1939 viele deutsche Soldaten einquartiert wurden, verbarg ab 1938 bis 1945 ein jüdisches Ehepaar mit Kleinkind in dem Pfarrhaus der Gemeinde, die weitgehend von den Nazis geprägt war. Er selbst trat allen Militärs entgegen, wenn sie ihn aufsuchen wollten. Da er im ersten Weltkrieg selbst als Militärgeistlicher und Offizier mit dabei war, trug er stets seine Auszeichnungen in Miniaturform auf seiner Soutane und stellte sich – er war für damalige Zeiten sehr groß - abwehrend in den Türrahmen – mit Erfolg.
harfe gegenüber ihren unmündigen Kindern schweigen. Wenn sie in in deren Gegenwart etwas Abwertendes über das damalige System gesagt hätten, dann hätten sie durchaus mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Leicht hätte ich als Sechsjähriger in der Umgebung fanatischer Nazis ja etwas äußern können, ohne die Folgen ermessen zu können.

marianne du hast das erlebt....ich bin noch ein paar Jahre jünger.
Und mein Mann sagt, er hat vom Kindergarten aus gesehen, wie die jüdischen Männer in ihren schwarzen Anzügen die Straße fegen mussten! (Er weiss das nicht, ich auch nicht- wahrscheinlich wurden sie später auch nach Lettland deportiert.)

Ich war einige Male in Israel, hatte mich mit meinem Mann zusammen darauf vorbereitet gehabt.... aber erst beim 3. oder 4. Mal dort, brachte ich es fertig, Yad Vashem zu besuchen.

Stolz bin ich, von einer Pfarrwitwe zu wissen (heute 103 Jahre alt!), die mit ihrem Mann auch Juden versteckte... es gab einen richtigen Ring von Pfarrhäusern, wo Juden versteckt wurden.
Ein Tropfen auf heissen Stein, ich weiss.
Bewegt und aufgewühlt,
Marianne
ehemaliges Mitglied ich habe dieses System nicht kennen gelernt, aber ich habe in der DDR erlebt, wie Eltern schwiegen, weil ihre Töchter oder Söhne - überzeugte FDJlerInnen zur Türe herein kamen. Ich habe diese Angst als Kind gespürt.
Aber es ist mir klar, dass Dein Erleben noch viel viel intensiver und nicht nachzuvollziehen ist, für diejenigen, die diesen Situationen nicht ausgesetzt waren. Dein Einfühlungsvermögen spricht dafür, dass Du in einer entsprechenden menschlichen Erziehungsform großgeworden bist. Denn es gab auch Kinder, die anders reagierten, weil ihre Eltern es ihnen vorgemacht hatten.
kolli Sind diese zwei Sätze von ein und der selben Person?

Meine Mutter hat klug daran getan, zu schweigen, um uns beide zu schützen.! Na, also, dann würd’ ich doch sagen : „Für alle Zeit Danke liebe Mutter“
Statt:
Doch ich fürchte, ihr habt ((du)hast) dies alles nicht gewusst, weil ihr (du) es nicht wissen wolltet.(wolltest)
Wie kannst du das deiner Mutter antun!!?
kolli
guana Abenteuerlich finde ich suess, und Dein Erstaunen ebenso. Deine PN entspricht genau meiner Vorstellung von Dir.
Guntram
harfe für deinen erkenntnisreichen Kommentar. Herzliche Grüße von Horsst
harfe für ein sechsjähriges Kind grausam zusehen zu müssen wie gleichaltrige Kinder geprügelt werden. Und: Es ist schrecklich und zugleich unverständlich, diese nach ihren Müttern schreienden Kinder zu erleben, ohne den Grund hierfür zu erfahren. Meine Mutter hat klug daran getan, zu schweigen, um uns beide zu schützen. Wer ein solches System kennengelernt hat, weiß was erfolgt wäre, wenn der Junge die Schelte gegen das System weitergeplaudert hätte. Worauf es mir bei der Erzählung ankommt ist, der Notwendigkeiit gehorchend als Zeitzeuge diese Geschehnisse öffentlich werden zu lassen, damit – wie über dem Eingangstor zur Gedenkstätte Yad Vachem für die ermordeteten Juden – geschrieben steht: „Damit niemals vergessen wird, wozu Menschen fähig sind“.
Danke liebe Hannelore für deine Aufmerksamkeit
cariha Er hat staunend und auch entsetzt vor mir gesessen, als ich ihm einiges aus den Erzählungen meines Vaters aus dieser Zeit weiter gegeben habe. Sein Nachdenken konnte man wahrlich sehen. Wenn das nur alleine durch deine Zeilen geschehen sein sollte, so danke ich hier recht herzlich, lieber Horst.

Ich wünsche dir einen recht schönen Abend. Liebe Grüße von Conny
cariha nachdem ich nun deinen Text mehrfach gelesen habe und auch einige Male darüber geschlafen habe, bin ich in der Lage, etwas darüber zu schreiben. Deine Zeilen sind sehr wichtig - egal wie es ein jeder einzelne auffaßt - für uns, die wir zum Glück nach dieser Zeit geboren sind. Ebenso aber auch für unsere Kinder und Enkelkinder. Diese Zeiten dürfen nie vergessen werden. Nur durch die lebendige Erzählung derer, die dies miterlebt haben, kann man erreichen, daß andere Generationen zuhören und begreifen. Wenn das Glück es will, machen sie etwas daraus - in ihrem eigenen Leben. Wie ich dir schon schrieb, hat selbst mein ach so "cooler" 20jähriger Sohn, wie gebannt deinen Text gelesen und es hat dazu geführt, daß Mutter und Sohn eine lange intensive Unterhaltung über diese Zeit geführt haben.
ehemaliges Mitglied schrieb Conny unter mein Nachkriegskind. Wie groß ist die Gnade, als Nachkriegskind geboren worden zu sein.
Die Erzählung Deines Erlebnisses erschüttert mich sehr Horst. Wie furchtbar ist es für ein sensibeles Kind, ein solches zu sehen und zu tragen.
Es ist tragisch, dass Deine Mutter Dir nicht helfen konnte, dieses Erleben zu tragen. Warum das so ist, darüber möchte ich nicht spekulieren. Ich denke, das steht mir nicht zu. Aber Ihr ward vereinzelt, jeder allein für sich und dazwischen die Mauer aus Brutalität, Angst und Scham. Vor allem denke ich Scham. Diese wird oft vergessen.
In einer Zeit, in der Begriffe wie ethnische Säuberungen immer wieder auftauchen (wie oft ist das auf diesem Erdball seit 1945 geschehen?) ist es wichtig, das dies nicht in Vergessenheit gerät.
Ich danke Dir und sende Dir Grüße Hannelore
harfe danke für deinen kritischen Kommentar, den ich mit Erstaunen gelesen habe. Denn ich weiß nicht, warum du mir unterstellen möchtest, ich hätte mit meinem Beitrag die ungeheuren Dienstleistungen unser Frauen und Mütter in Frage stellen wollen. Und ich weiß nicht, was dich bewogen hat, zu glauben, ich würde deinen Artikel nicht lesen –„wahrscheinlich nicht, so etwas liest du gewiss nicht“, lautet deine abenteuerliche Verdächtigung .
Deinen Artikel „Die wirklichen Helden sind und waren die Frauen“ habe ich Ende Mai sehr wohl und mit wacher Aufmerksamkeit gelesen, weil sich deine Erfahrungen aus dieser Zeit nicht wesentlich von den meinen unterscheiden. In deiner spannend erzählten Geschichte stellte ich viel Gemeinsamkeiten des Erlebten fest.
Alles Weitere siehe in deinen Privatnachrichten.
harfe danke schön für deinen kritischen Kommentar. Dennoch: Meine Geschichte ist keine fiktive Erzählung, sondern bis ins kleinste Detail so geschehen. Siehe bitte unter deinen PN´s nach.
harfe du kannst zurecht stolz auf deine Eltern sein. Diesen Mut brachten gottseidank viele damals auf und versteckten jüdische Familien in ihren Häusern, womit sie sich selbst größter Gefahr aussetzten. Ich kannte einen inzwischen verstorbenen Priester, der ein jüdisches Ehepaar mit Kleinkind bis zum Kriegsende in seinem Pfarrhaus versteckt hatte und das in einem Umfeld, das wesentlich von Nazis geprägt war. Weil er im Ersten Weltkrieg Offizier war, trug er auf seiner Soutane Abzeichen, die aus dieser Zeit stammten und verwehrte so selbst Offizieren der Wehrmacht den Zutritt in sein Haus. Deine Eltern und solche Menschen waren damals die eigentlichen Helden in diesem bestialischen Krieg.
LG Horst
guana Wahrscheinlich ist es falsch, gerade bei Dir Harfe, von mir einen Kommentar unter so etwas zu schreiben.

Aber ich habe diese furchtbare Zeit sehr bewusst miterlebt und weiss aus diesem Grunde genau, welche ungeheuere Leistung damals gerade die Frauen und vor allen Dingen die Muetter, in staendiger Angst um ihre Kinder und zudem auch noch mit dem Schwachsinn, welchen die Maennerwelt zu jener Zeit fabrizierte, fertig zu werden.
Ich empfehle Dir daher meinen Artikel "Die wirklichen Helden sind und waren immer die Frauen", zu lesen, vielleicht kannst sogar" Du dann verstehen", was damals wirklich passierte. Oder hattest Du ihn gelesen ( wahrscheinlich nicht, so etwas liest Du gewiss nicht) und Dich dadurch inspirieren lassen?? Das waere dann noch schlimmer und noch geschmackloser!!
guana
kolli sag, welche Töne lässt du klingen!?
würd deine Mama auch so singen?
Lebte sie noch, würd sie wohl sagen?:
„Hab nicht verdrängt, ich musst es tragen
um uns gefahrlos „durchzubringen“
musst ich „deren Lieder singen“
Ich find’s wirklich unerhört
wenn du schreibst; (was mich sehr stört)
>“Wenn Du, Mama, und all ihr anderen,
statt ... zu verdrängen ... geredet hättet, dann wüsstet ihr . . .
und es würde nicht noch einmal Leben definiert, nach wert und unwert . . .
Euthanasie eingeführt und sich alles von neuem wiederholen“<.
>>
ganz arg:
gegen deine Mamm und ’nem Großteil ihrer Generation !
Ist:
„>Doch ich fürchte, ihr habt dies alles nicht gewusst, weil ihr es nicht wissen wolltet.“<
Aua!!!
In meinem Lebensumfeld sind viele Menschen (inzwischen
müsste ich schreiben) gab's; denen du mit diesem > Doch ich fürchte< . . schwer unrecht tust. Ich schreibe nicht aus Polemik sondern weil es mir weh tut.
kolli
monika
ich freu mich mit dir.
harfe für all eure Kommentare, die mir zeigen, dass die Wiedergabe eines derartigen in die Vergangenheit zurückgreifenden Textes angenommen und bedacht wird.
Ganz liebe Grüße und bis bald
Horst
ehemaliges Mitglied Lieber Horst Deine Zeilen haben auch mich zutiffst erschüttert. Auch meine Eltern hatten eine jüdische Familie versteckt und damit uns selbst sehr gefährdet. Sie leben zwar heute nicht mehr, aber ich bin heute noch stolz auf sie, daß sie Menschenleben retten konnten.

Monika
olympedegouges als kühl und beherrscht, doch ich weine über deinen Zeilen. Ich bin Jüdin, 65 Jahre alt und habe nur überlebt, weil meine Mutter von Bauern versteckt wurde. Sie hat mein erstes Lebensjahr nicht überlebt, diese Bauern haben mich als ihr Kind ausgegeben. Ich verlor alle Angehörige im KZ. Marie - Olympe
ehemaliges Mitglied ...wurde 1922 geboren und mit 17 Jahren in den Krieg "geschickt". Ihn haben bis zu seinem Tod 1994 Alpträume geplagt. Viele seiner Alpträume betrafen die Kriegsgeschehnisse, die Ohnmachtsgefühle, die Ängste und das Unglauben aus dieser Zeit. Nie konnte er die Judenverfolgung, die Hetzjagd verstehen. Es raubte ihm bis zum Schluss fast den Verstand.

Ich kann nur erahnen, welche grausamen Ängste von Dir, als 6jährigen Jungen, Besitz ergriffen haben müssen. Um das ganze Mass überhaupt erfassen zu können, muss man in dieser Zeit gelebt haben.

Du schreibst so tiefgreifend, dass mir vor Erschütterung Tränen gekommen sind.

minu die Worte gefunden.
Ich danke Dir Horst, dass Du stellvertretend, für viele, diesen Brief geschrieben hast.
Was wissen wir denn schon, in der Schweiz, was bei Euch geschehen ist, nur vom lesen.
Wir hatten bloss ein bisschen Hunger, weil die Lebensmittel rationiert waren.
Doch was es heisst, mittendrin gewesen zu sein, das wissen wir nicht.
Ich verstehe auch, dass nicht jeder darüber reden mag, der Schmerz muss gewaltig sein.
Auch viele nicht Juden, einfach Menschen mitten im Krieg, müssen einen grossen Schmerz in sich herum tragen, jeder geht anderst damit um.
Ich habe eine grosse Hochachtung für Euch alle, man sieht ja nur bis zur Gartentür, was sich dahinter verbirgt , das sieht man nicht.
Danke Horst, das war sehr wichtig.
marlenchen Ich war zu klein um mich an sowas zu Erinnern,weiß nur das meine Mutter mit uns 4Kindern auf der Flucht gestorben ist,aber mein Vater,Tante Oma erzählten viel über diese Zeit,die auch heute noch in Erinnerung zurück gerufen das Herz ergreift.
immergruen die Generation, die wie Du ein solchen Erlebnis in der Erinnerung mit sich herumträgt,hatte ich doch oft mit meiner Mutter Diskussionen über die Zeit und das Schweigen.
Auch ich lebte in einem Staat, der totalitär regiert wurde und ich weiß, was Angst ist. Nicht um meinetwillen, aber um meines Sohnes willen habe auch ich nicht protestiert, wo mancher, der hier gelebt hat, vielleicht sagen würde."Warum hast du geschwiegen?"
Wir hatten immerhin die Möglichkeit zu gehen, auch das war kein leichter Weg, aber es war ein Weg, den viele Menschen in der von Dir beschriebenen Zeit nicht hatten.
minu Herzlichst Emy
therese macht mich sprachlos, erschüttert und lässt meine Haut zu Gänsehaut werden. Wenn ich mir versuche vorzustellen was für Gefühle die Kinder da erlebten wird mir übel. Die Panik und das Leid in den Seelen dieser Kinder ist unvorstellbar und auch in deiner Seele werden sicher Narben zurückgeblieben sein. Dazu das Leid der Mütter, wenn deren Seelen schreien könnten würden wir taub. Danke, dass du uns deinen Brief lesen lässt.

Herzlichst, Therse

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