Bronislawa Wajs, genannt Papusza – Dichterinnen-Part VI


Bronislawa Wajs, genannt Papusza – Dichterinnen-Part VI


„Vom Aufstieg einer Analphabetin zur gefeierten Dichterin“
 
 
Liebe ST-Ler*innen, bei meiner Suche nach Dichterinnen bei uns in Europa stieß ich auf Papusza, so wurde sie zuerst von ihrer Roma-Familie genannt. Eine Zigeunerin aus Polen, die es sich als Kind in den Kopf gesetzt hatte, lesen zu lernen – und nicht mehr von ihrem Ziel abließ, obwohl ihre Familie es nicht wollte.
 
Papusza über sich: „Als Kind war ich am Fluss Memel. Meine Mutter hat mir den Zigeuner-Namen Papusza gegeben, die Puppe. Als Kind war ich gesund, hatte wohlgeformte Arme und Brüste und eine Haarfülle. Ich war schlank, hatte gesunde Farbe im Gesicht, mochte tanzen, singen und heiter sein.“
 
Sie begann auch - in der Sprache der Roma -  zu schreiben und zu dichten. Auch dies wollte ihre Roma-Familie nicht. Sie bezichtigten Papusza sogar des Verrats. Aber trotz aller Hindernisse gab Papusza nie auf – und schrieb und dichtete weiter. So wurde sie langsam berühmt, und zwar als Dichterin und auch als Sängerin.   
 
„Papusza, die Puppe, wurde ihr Pseudonym, zum künstlerischen Markenzeichen. Um 1910, das genaue Jahr ist nicht verbürgt, wurde sie geboren. Mit bürgerlichem Namen hieß Papusza Bronislawa Wajs. Sie war nicht nur schön, auffallend war ihre literarische Begabung.“
 
(Zitate in Kursivschrift entnommen von:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/lyrikpapusza.974.de.html?dram:article_id=279886 )
 
2013 wurde der polnische Schwarzweiß-Film „Papusza“ über ihr Leben uraufgeführt, und bei YouTube hat Google Classical eine Kurzfassung über den Film eingestellt, der sich auf alle Fälle anzuschauen lohnt. Eigentlich nicht nur anzuschauen, sondern auch anzuhören lohnt, denn im Mittelpunkt steht ein ganz und gar wundersames Lied, gesungen von zwei Frauen. - Aber sehen und hören Sie nur selbst:
 
https://www.youtube.com/watch?v=lVig97H8-Nc
 
 
Hier nun eines ihrer Gedichte:
 
 
ZIGEUNERLIED AUS PAPUSZAS KOPF GEFERTIGT:
 
... Das Feuer lieb ich wie mein eignes Herz.
Winde, stark und sachte
wiegten das Zigeunerkind,
trieben's weithin in die Welt.
Regen wuschen mir die Tränen,
der Sonnenball – goldener Zigeunervater
wärmte mir den Leib
und versengt‘ mir schön das Herz ...
 
... Es wiehert das Zigeunerpferd,
weckt die fremden Leute,
fröhlich macht es das Zigeunerherz.
Eichhorn auf der Wagenplane
knackt und knabbert Nüsse ...
Oj, wie ist es schön zu leben,
alles das zu hören!
Oj, wie schön,
alles das zu sehen!
 
Oj, wie ist es schön zu leben,
nachts zum Fluss zu gehen,
Fische, kalt wie kaltes Wasser,
einzufangen mit den Händen ...
Am Himmel Henne samt den Küken
und auch der Zigeunerwagen
deuten die Zigeunerzukunft.
Und das Silbermondgesichtchen,
Ahnenvater uns aus Indien,
schenkt uns Licht,
mustert still im Zelt die Kinder,
leuchtet der Zigeunerin,
dass sie wohl ihr Kindlein windle ...
 
 
Schöne Tage wünscht
Angeli44 🍁
 
 
 
 
Werke:
Papuscha. Gedichte / Papusza. Wiersze. Unabhängige Verlagsbuchhandlung Ackerstrasse, Berlin 1992, ISBN 3-86172-032-9.
Papuszas gesprochene Lieder. Kleistmuseum, Frankfurt (Oder) 2011, ISBN 978-3-938008-30-0.
 
Websites:
 
http://culture.pl/en/artist/papusza
 
https://de.wikipedia.org/wiki/Bronis%C5%82awa_Wajs
 
 
Bild oben: Polnische Roma-Lyrikerin und Sängerin Bronislawa Wajs; entnommen von Wikipedia
This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.
 
 


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Kommentare (2)

Angeli44

Danke, lieber Manfred, für deinen Kommentar. - Aber wie haben dir denn nun die beiden Frauen im Video mit ihrem Lied gefallen? Und was sagst du zu Papusza selber? Ist sie nicht eine tolle Frau gewesen? - Sie selbst sprach immer von den Zigeunern, und sie verstand sich auch immer als Zigeunerin. - Auch interessant.
Mir gefällt auch das Gedicht von ihr, das ich hier eingestellt habe.

Dir noch einen schönen Tag,
Angeli 🌝

Manfred36


Die wenigen Sinti und Roma, die ich von der großen sesshaften Gruppe hier kenne, sind voll integriert. Gerade zur Zeit verweilt aber auch ein riesiger Wohnwagen-Konvoi auf einem hiesigen Kamping-Parkplatz. Es stimmt, dass unter Kenntnis ihrer Ethnie viele Ressentiments gegen sie bestehen. Nomadisierend und delinquent herrschen noch als Attribute. Ihre geschlossene Identität ist aber kaum aufzubrechen, auch Romanes sprechen sie untereinander. Es ist fast, als sei ein besonderes Gen für Freiheit und Musik in ihnen wirksam. Auch Romano Rose konnte uns auf einer Podiumsdiskussion „das Zigeunerherz“ nicht näher erklären.
 


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