Ein Fahrrad hatte ich ja. Aber ein Herrenfahrrad mit dieser interessanten Querstange, bei dem man schwungvoll das Bein über den Sattel schwingen mußte, das sah doch sehr sportlich aus. Außerdem war es für die Beförderung von Mitfahrern viel praktischer. Vor sich hatte man sie im Griff, hinten war das immer ein Gewackele.
Somit stand der Entschluß fest: ich baue mir eins.
Der große, große Weidenstrauch auf dem man so schön rumklettern und schaukeln konnte, mußte Opfer bringen. Mit geübten Blick suchte ich mir ein Ästlein aus, der uns bei der Kletterei sowieso nicht von Nutzen war und säbelte ihn schweißtreibend ab. Wäre ich ein Biber gewesen, hätte abnagen besser gepaßt. Nun saß ich daheim und paßte erstmal die Länge an, nochmal "nagen". Die Länge stimmte und ich fing an zu schnitzen - vorne war er zu dick, das mußte runter. Meine Mutter wunderte sich und dachte wohl an eine weihnachtliche Schnitzerei, jedenfalls ließ sie mich gewähren und ich verriet auch nichts. Endlich paßte die Länge und die Stärke, aber nun: wie befestigen? Ich erinnerte mich, daß mein Großvater immer sagte, wenn nichts paßt, nimm Draht. Draht...war schnell besogt, sämtliche Gärten hatten Drahtzäune und der zum rückwärtigen Grundstück war sowieso schon runtergetreten. Also Zange und Draht ernten, aber nicht erwischen lassen! Gedacht getan und ich hatte mein bergauf-fahrendes Fahrrad mit Querstange. (man weiß ja, das Vorderrad war größer). Das Problem stellte sich nur bei meiner Konstruktion beim Rechtsabbiegen heraus. Meine Querstange blockierte an der Vorderradbremse. 90 Grad-Abbiege ging nicht mehr. Und so kam es dann, daß ich fast in der Mulde landete. Wir wohnten etwas außerhalb der Stadt und es gab einen gern genutzten Abkürzer durch den Wald und über die Mulde mittels einer Ponton-Brücke. Nach dorthin war kein Problem, doch das Zurück auf die Brücke waren 90 Rechtsschwenk. Verdammt, es klemmte und verklemmte und vor der Brücke ging's in die Mulde. Der Fluß kam näher, das Vorderrad tauchte ein und ich sprang ab und lag halb am Ufer und halb im Fluß, genauso wie mein "Herrenfahrrad". Meine Mutter hatte die Brücke schon fast überquert und sah mich dann am Ufer das Fahrrad retten und war beruhigt. Sie wartete auf mich, sah mich fragend an, ich nahm den Stock und schmiß ihn weg und fuhren mit unseren "Damen-Fahrrädern" nach Hause. Meine nassen Klamotten wurden durchgespült und zum Trocknen aufgehängt - darum kümmerst du dich selbst - und mehr Text kam dazu nicht.
Meine Lektion hatte ich gelernt und nie mehr wollte ich elegant aufsteigen wollen!
Und wozu brauchen Herrenräder eigentlich eine Querstange?
Finchen

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Kommentare (2)

Argapantus das war wohl das Problem,aller kleinen Mädchen.
Ich hatte 5 Brüder,und ich habe es bis heute
noch nicht verstanden,wieso die Herrenfahrräder
so eine Schwierigkeit haben.
Mussten sie ganz einfach besser sein,
als wir?? (die großen Brüder,oder die Jungen)???

Deine Geschichte finde ich großartig.
Liebe Grüße von mir aus Südfrankreich,
Argapantus
koala Das hatte ich mich als Kind auch gefragt:
Wozu brauchen Herrenraeder eine Querstange.
Meine Beine war zu kurz. Ich hab's meiner Freundin nachgemacht und bin unter der Stange durch. Nur war ich nicht so gut mit der Balance halten wie meine Freundin.
Ich haette gerne mit Deinem Damenrad getauscht. Aber mein grosser Bruder waere damit bestimmt nicht einverstanden gewesen.
LG Anita/Australien

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