Das Mädchen und die Hausnachbarn


Das Mädchen und die Hausnachbarn
Erneut eine Geschichte, die beginnt mit: «Es war einmal………»
Ein Mädchen, schüchtern und aufmerksam, lebte mit seiner Mutter und dessen Partner in einem Mietshaus. Dem Mädchen wurde beigebracht, dass man immer die Menschen freundlich grüsst, wenn man ihnen begegnet, sei es in der Nachbarschaft oder beim Einkaufen im Lebensmittelladen. Für das Mädchen war das ganz klar und es sagte den Hausbewohnern stets mit einem Lächeln im Gesicht freundlich «guten Tag» ob im Treppenhaus oder Hauseingang oder sonst wo.

Eines Tages hörte das Mädchen ein Streitgespräch zwischen seiner Mutter und dessen Partner. Es vernahm ungeheure Schimpfwörter, wie «verdammte S……» oder «Idiot» oder «Sauchaib» und noch schlimmer. Es war derart schockiert über die unglaublichen Kraftausdrücke und über den Tonfall dieser Unterhaltung, dass es nicht einmal verstanden hat, um wen sich dieses Streitgespräch überhaupt handelte.
Eines Tages begab sich das Mädchen zusammen mit seiner Mutter und deren Partner ausserhaus und als sie wieder heimkehrten, kam unerwartet die Nachbarin gegenüber aus ihrer Wohnung. Das Mädchen grüsste ganz freundlich «guten Tag Frau Sowieso», worauf die Nachbarin nach einer kurzen Pause «guten Tag, liebes Mädchen» antwortete. Danach grosses Schweigen und enorme Verwunderung seitens des Mädchens, denn seine Mutter und deren Partner sagten KEIN WORT!!! «was ist denn hier los» dachte sich das Mädchen…………..

Kaum in der Wohnung hinter verschlossener Wohnungstüre, entbrannte ein Höllenstreit der beiden Erwachsenen gegen das Mädchen: «sag mal, was fällt dir denn eigentlich ein, diese Frau zu grüssen, warum hast du diese Frau gegrüsst??? Das kommt gar nicht in Frage, dass hier jemand gegrüsst wird – was fällt dir den ein???» Ein ohrenbetäubender Lärm!!
Das Mädchen sagte etwas entsetzt, aber ganz ruhig: «warum denn, diese Frau hat mir doch nichts getan»………….
Die Tonlage der Streithähne steigerte sich enorm und das Mädchen fühlte sich eingeschüchtert, aber es blieb im Stillen unbeirrt bei seiner Aussage.

Jutta

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Kommentare (13)

protes

heute liebe Jutta
denke ich wird von vorn herein anders erzogen (mit ausnahmen)
das ändert aber nichts daran, dass kinder nach wie vor 
allein gelassen werden
ich denke eher noch mehr

schöne geschichte und leider halt kein märchen denke ich

mit sonnigen grüßen
denn es ist ein frühlingstag
hade

Jutta

@protes  
Hallo hade,
Hab vielen Dank für deinen Kommentar. Ich persönlich glaube nicht so sehr, dass sich so viel zum Positiven verändert hat in der Erziehung bis heute. Denn die Welt ist schnelllebiger geworden und obwohl ein Tag nach wie vor 24 h hat, haben die Menschen oft "keine Zeit", was sich sicherlich auf das Zwischenmenschliche auswirkt.
Aber wie auch immer, das Mädchen ist trotzdem gross und munter geworden!
Liebe Grüsse
Jutta

protes

@Jutta 
ich dachte auch nicht
dass sich erziehung positiv entwickelt hat
ich empfinde eher das gegenteil

 

pfundig


Liebe Jutta
Deine Geschichte erinnert mich an meine Kindheit. Wir wohnten in einem 6-Familienhaus. Meine Eltern hatten auch mal eine Auseinandersetzung mit einer Familie im Haus. Es fielen zwar keine so beleidigenden Sätze, aber es herrschte danach zwischen den Erwachsenen Funkstille. Meine Mutter hatte meine Schwester und mich angewiesen, die Familie zu grüßen, denn der Streit geht uns nichts an. Das hätte ich auch unserer Tochter gesagt, aber wir hatten nie Streit mit Nachbarn. In unserem Freundeskreis war ein Ehepaar, das lag mit den Nachbarn im Clinch. Die Frau sagte zu ihren Kindern: Wehe ihr grüßt die. Ich finde da nicht gut-
Luise

 

Jutta

@pfundig  
Liebe Luise,
Vielen Dank für deinen Beitrag. Ja die Eltern wissen manchmal halt wirklich nicht, was sie den Kindern antun, wenn sie ihnen verbieten, nicht freundlich zu allen zu sein. Unter Umständen hinterlässt das Verbot Spuren!
Liebe Grüsse
Jutta

Seija

Liebe Jutta,
als meine Eltern mit uns Kindern noch zur Miete wohnten hatten sie auch Streit mit einer anderen Familie im Haus. Wir Kinder aber spielten froh und glücklich miteinander.
Als meine jüngere Schwester im zarten Alter von 6 Jahren zu meinem Vater sagte:
"Ich heirate den Clemens," wurde er aber böse und meinte: "Auf gar keinen Fall, das verbiete ich dir!"
Meine Schwester meinte sehr traurig: "Dann gehe ich ins Kloster!"
Soweit ist es aber dann GsD nicht gekommen....😂
LG Seija

Jutta

@Seija  
Liebe Seija,
Danke für deinen Beitrag. Ich denke, deine Schwester hatte das Glück, Geschwister zu haben, mit denen sie sich austauschen konnte. Dieses Mädchen war alleine und musste alle Widrigkeiten mit sich selbst ausmachen.
Liebe Grüsse von
Jutta

Seija

@Jutta 
Ja, so war es!
Als Kind alleine zu sein oder sich so zu fühlen ist schon sehr traurig.
Alles Gute
Seija
 

ehemaliges Mitglied

Liebe Jutta
herzlichen Dank für deine Mädchengeschichte.
Beeindruckend und berührend.

Herzensgrüsse nach Basel 🙋‍♀️
Sonja

indeed

oh, oh, liebe Jutta,

diese Geschichte ist wohl kein Märchen, sondern hat eher einen triftigeren Grund in Erinnerung an eine reale Begegnung der besonderen Art und ich hoffe, nicht aus eigener Erfahrung.

Es macht mich immer wieder sprachlos feststellen zu müssen, dass ein guter Grundsatz in der Erziehung zwar vorliegt, aber leider nicht vorgelebt wird. Es ist traurig.

Gut ist, dass dieses Mädchen eine gute innere Stärke hat. 

Ich danke dir für diesen Beitrag und grüße dich herzlich zur Wochenmitte.

Ingrid

 

Jutta

@indeed  

Liebe Ingrid,

Danke für deinen Kommentar. Es handelt sich tatsächlich nicht um ein Märchen, sondern um eine wahre Geschichte. Zum Glück verfügt das Mädchen über eine solch grosse innere Stärke. Woher sie die hat? wohl ein grosses Geschenk!!!

Ich schicke dir liebe Grüsse aus dem sonnigen Basel

Jutta
 

Syrdal


Liebe Jutta, deine Erzählung klingt wie eine „wahre Geschichte“ und ich fürchte, dass sie sozusagen als „Gleichnis zu den oft recht misslichen Veränderungen im allgemeinen Umgang der Menschen miteinander“ zu sehen ist. Gut aber, dass die einst dem kleinen Mädchen anerzogene Höflichkeit keinen Schaden genommen hat und erhalten blieb.
Die Geschichte hat mich erinnert an den „Schock“, als ich vor vielen Jahren aus meinem beschaulichen Thüringen ins hektisch wuchtige Berlin umsiedelte, dort plötzlich mit der großstadtgeprägten „Berliner Schnauze“ konfrontiert war und lernen musste, unverkrampft damit umzugehen. Nun gut, es ist mir bald gelungen und ich habe auch rasch die hintergründige Liebenswürdigkeit der Großstadtsprache erspürt.
Fast fünfzig Jahre später aber erstaunte ich bei einem Zufallsaufenthalt in einer hübschen hessischen Kleinstadt, dass ich sogar als Fremder von Kindern auf der Straße gegrüßt wurde… Welch ein berührendes Erlebnis! Und dies war schließlich ein Impuls für meinen Entschluss, von der hektischen Großstadt zurück aufs Land, also ins Beschauliche zu ziehen. Hier nun werde ich noch heute wieder auf der Straße von mir unbekannten Kindern (aber auch von Erwachsenen) freundlich gegrüßt.
Danke für deine Erzählung, die mir bestätigt hat, dass es noch immer und auch immer wieder ein allseits freundliches Miteinander gibt.

Darüber freut sich mit herzlichen Grüßen
Syrdal

Jutta

@Syrdal  

Lieber Syrdal,
Es ist eine wahre Geschichte. Ich wehre mich gegen die Aussagen, "früher war alles besser". Für gewisse Gegebenheiten trifft es sicher zu, aber Menschen mit geringem Selbstwertgefühl gab es schon immer und überall und wer hat darunter am meisten zu leiden? die Kinder als die Schwächsten im Glied.

Dein beschriebenes Gleichnis finde ich sehr treffend. Wenn man bedenkt, dass ein freundlicher Umgang unter den Menschen eigentlich gar nichts kostet, sondern Zufriedenheit und gar Freude bringen würde - eben wenn....

Liebe Grüsse von
Jutta


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