Das Seelenhaus, zwischenmenschliche Kommunikation

Autor: ehemaliges Mitglied

Dieser Aufsatz basiert auf der Transaktionsanalyse und versucht, deren Grundlagen für Laien verständlich darzustellen.
Ziel ist, zwischenmenschliche Konflikte zu verstehen, um das Mit­ein­ander zu verbessern.
Das Original befindet sich auf meiner geschäftlichen Seite.

Das Seelenhaus
Das Seelenhaus ist ein Modell für den Aufbau der menschlichen Psyche.

Kindheits-Ich
Jeder Mensch hat schon ab (eigentlich schon vor) der Geburt Bedürfnisse physischer und psychischer Art. Er möchte sich wohl fühlen, möchte irgendwo dazugehören, möchte Anerkennung, möchte dass sein Leben eine Bedeutung, einen Sinn hat. Und als Baby äußert er seine Bedürfnisse noch hemmungslos.
Was ihm auch in seinem Leben als Erziehung und Schicksal widerfährt, diese Bedürfnisse bleiben immer erhalten, mindestens im Unterbewusstsein.
Dieser Teil der Psyche wird in der Transaktionsanalyse als "Kindheits-Ich" bezeichnet, im psychologischen Alltag oft als das "innere Kind".

Eltern-Ich
Im Lauf des Lebens wird der Mensch dann mit den Reaktionen seiner Umgebung konfrontiert, speziell in der Kindheit mit Erziehung. Bei der Erziehung lernt er mehr oder weniger drastisch, sich in eine Umgebung einzufügen. Er lernt soziale Normen, Werte, Gewissen, Moral…
Dieses System von Verhaltensregeln hilft dem Menschen mehr oder weniger gut, im Leben mit anderen Menschen zurechtzukommen, indem sie den hemmungslosen Wünschen des inneren Kindes entgegenwirken. Vieles davon wird auch im Unterbewusstsein abge­legt und erscheint nur als Automatismus im Bewusstsein.
Dieser Teil der Psyche wird in der Transaktionsanalyse als "Eltern-Ich" bezeichnet.

Erwachsenen-Ich
Wenn bei der Erziehung die Seele des Kindes nicht nachhaltig gebrochen wird, fängt es in der Pubertät an, die erlernten Regeln zu hinterfragen. Durch Ausprobieren und eigenes Nachdenken lernt es, welche Regeln in welchem Ausmaß sinnvoll sind. In dieser Phase macht sich der Mensch die Regeln und Werte zu eigen, die ihn überzeugen. Er wird sie danach aus freien Stücken anwenden und vertreten.
Der Teil der Psyche, der sich in dieser Phase entwickelt, wird in der Transaktionsanalyse als "Erwachsenen-Ich" bezeichnet, und macht die eigentliche Persönlichkeit aus.

Zusammenwirken
Und wie läuft das so, wenn drei Parteien in einem Haus leben?

Kommt drauf an.

Das Kindheits-Ich ist immer da und stellt seine Forderungen. Entscheidend ist, welches Gegengewicht vorhanden ist:

Gab es in der Kindheit eine ausgewogene Mischung aus Freiheit und vernünftigen Grenzen, so wurde ein gleichstarkes Eltern-Ich aufgebaut, und es konnte sich auch in der Pubertät ein starkes Erwachsenen-Ich entwickeln, das zwischen beiden vermittelt, das zwischen den Bedürfnissen sowohl des inneren Kindes, als auch der sozialen Umgebung abwägt. Die Folge ist ein zufriedener, selbst­be­wusster Mensch mit sozialen Kompetenzen.

Gab es zu wenig Grenzen (antiautoritäre oder laissez-faire-Erzie­hung), so ist das Eltern-Ich schwach. Ein Erwachsenen-Ich konnte sich mangels Werte-Angebot nicht entwickeln. Das innere Kind tobt sich aus, kommt in Konflikt mit dem Umfeld und sieht nicht mal ein, dass es zu weit geht. Mit anderen Worten: Dieser Mensch ist unreif.

Die entgegengesetzte Variante entsteht, wenn ein Kind wegen egoistischer und/oder autoritärer Eltern seine Bedürfnisse ständig unter­drücken musste, auch in der Pubertät. Es konnte nicht hinter­fragen, nicht ausprobieren. Es entstand ein starkes Eltern-ICH, das das innere Kind weiter unterdrückt, und kaum ein Erwachsenen-Ich, das vernünftig vermitteln könnte. Das Ergebnis sind ständige innere Konflikte und damit Neurosen. Dieser Mensch kann seine Bedürfnisse gegenüber anderen nicht vertreten, ja nicht einmal vor sich selbst (resp. vor seinem Eltern-ICH). Und wenn er es doch mal wagt, ist er mangels Erfahrung so ungeschickt, dass er in der Regel scheitert und noch mehr entmutigt wird.

Kommunikation und Konflikte
Die Mischung aus diesen drei Ich-Komponenten ist nicht starr, sondern je nach äußeren Einflüssen wie Gesundheitszustand, Hunger/Durst, Verhalten anderer … schiebt sich mal die eine, mal die andere Komponente mehr in den Vordergrund.

Und je nachdem, welche Komponente gerade dominiert, kann der Umgang mit einem (oder mehreren) anderen Menschen unter­schied­lich ablaufen:


Die beste Variante ist natürlich, wenn zwei Erwachsenen-Ichs miteinander umgehen: Rational, argumentativ, angemessenes Verhalten.
Erlebe ich persönlich am deutlichsten, wenn ich mit einem guten Handwerker einen Auftrag bespreche, der für uns beide eine Win-Win-Situation ist. Auch in meinen ersten 25 Berufsjahren war das Firmenklima so, dass ein solcher Austausch die Regel war.


Stehen sich zwei Kindheits-Ich gegenüber, so versucht jeder, seine Interessen zu verfolgen, ohne zu bedenken, was der andere will oder wie der andere tickt.
Klassische Beispiele: Ehen zwischen zwei unreifen Partnern, viele politische und manche geschäftliche Verhandlungen, Verkäufer, der jemand was andrehen will, und dazu ein Kunde, der nicht "Nein" sagen kann, sondern mit Ausflüchten drum herum redet, …


Stehen sich zwei Eltern-Ich gegenüber, so hängt das Ergebnis davon ab, ob sie ähnliche Werte haben.
Wenn ja, können sie sich wunderbar gemeinsam darüber auslassen, was schlecht an der Welt ist, und was (natürlich bei den anderen) zu ändern ist. Beispiel: Parteitage, Stammtische, … .
Wenn nein, betrachtet sich jeder dem anderen überlegen, und es kommt zum Streit. Beispiel: Anhänger von Religionen, politischen Systemen.


Eine annehmbare Situation ist noch, wenn ein Erwachsenen-Ich, also ein reifer Mensch, einem Eltern- oder Kindheits-Ich gegenübersteht. Dann kann wenigstens das Erwachsenen-Ich auf den anderen eingehen, rational, argu­men­ta­tiv, hinterfragend, um das Miteinander zu einer konstruktiven Lösung zu führen, oder – wenn der andere dagegen immun ist - einen Schlussstrich zu ziehen.



Ein im Alltag sehr häufiges Schema ist, dass ein Eltern-Ich, das weiß, "was richtig zu sein hat" (selbst wenn es Unrecht ist), auf einen Menschen trifft, dessen Kindheits-Ich sich auf Grund früherer Erfahrungen dadurch angegriffen fühlt.
Das kommt oft in hierarchischen Beziehungen vor: Chef-Mitarbeiter, Behördenmensch-Bürger, Lehrer-Schüler…
Aus diesem Schema kann der sich unterlegen fühlende aussteigen.
Er kann, wenn ihm die Situation bewusst wird, sein Erwachsenen-Ich auf den Plan rufen, das dem inneren Kind mal über den Kopf streicht und an dessen Stelle die weitere Auseinandersetzung übernimmt, wie im vorhergehenden Schema beschrieben.
Eine solche Veränderung des eigenen Verhaltens erfordert natürlich Kraft und Übung, und wird anfangs gelegentlich scheitern. Aber Übung macht den Meister. Hilfreich dabei können u.a. sein: Ermutigung durch andere, Selbstsicherheitstraining, Techniken, wie sie im Buch "Sag nein ohne Skrupel" beschrieben sind.


kunvivanto

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Kommentare (1)

ehemaliges Mitglied Gut nachvollziehbar. Mindestens theoretisch. Die Praxis will geübt sein.

Danke und lieben Gruss, Agathe

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