Das Tal der Issa


Guten Abend, liebe ST-ler*innen, heute möchte ich ein weiteres Buch vorstellen, das ich bereits 2004 auf meiner damaligen Senioren-Homepage vorgestellt hatte. – Wie das so mit dem Erinnern ist: In der FAZ las ich einen Artikel über Polen und dass dieses Land in unserer Erinnerung – in der Erinnerung von uns  Deutschen also – viel so kurz käme. Ja, das ist wohl so, und auch ich selber habe über Polen und seine Geschichte, obwohl ein Teil meiner Vorfahren vor allem mütterlicherseits aus diesem Land stammt, bisher nicht viel an realem Wissen erworben! Aber zumindest hatte einmal ein begnadeter polnischer Schriftsteller mit einem seiner Bücher, nämlich Czeslaw Milosz mit dem Buch „Das Tal der Issa“ einige Zeit in meinem Leben eine wichtige Rolle gespielt. Nun möchte ich mein damals über das Buch und den Autor erworbenes Wissen hier sehr gerne weitergeben.
 
(Vorab hinweisen möchte ich noch auf den oben erwähnten FAZ-Artikel, der unter dem Link
 
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/viele-deutsche-wissen-fast-nichts-von-polens-geschichte-16813397.html?premium
 
aufzurufen ist. Allerdings ist der Artikel nur für Leute mit einem F+ Abo komplett lesbar.)
 
 
Buch und Inhalt
 
(Hinführung)
 
Vom Polnischen ins Deutsche übersetzt von: Maryla Reifenberg
 
Ein verlorenes Paradies in den litauischen Wäldern.
 
"Die Intensität, mit der hier ein Stück Welt im Naturzustand verdichtet wird, macht Milosz` Roman zu einem Höhepunkt der Literatur des 20. Jahrhunderts ... Lange bevor die Prosa eines Gabriel Garcia Màrquez Europas Buchmarkt erobert hatte, ist mit dem 'Tal der Issa' ein Roman entstanden, der als nordeuropäische Variante des magischen Realismus kongenial gelungen ist."
Der Tagesspiegel  
           

 
Meine (damaligen) Gedanken zum Buch
 
Das (oben) abgebildete Buch entspricht vom Aussehen her nicht ganz dem Original. Denn dieses ließ sich nicht scannen - ein Verfahren, das ich bisher zusammen mit einem  bildverarbeitenden Programm  immer genutzt habe, um die Bücher abzubilden -, so dass ich es noch einmal selbst entworfen habe. Im Original ist die Farbe giftgrün, leuchtet und hebt sich vom Untergrund fühlbar ab. Wird nun das Buch gescannt, entsteht bei der Übertragung in das bildverarbeitende Programm  bestenfalls eine Art lila Hintergrund, und die Schrift ist zwar lesbar und grün, entspricht aber in keinster Weise der giftgrünen Schrift des Originals. Als Schrifttyp  habe ich  Imprint MT Shadow gewählt, womit ich dem Original recht nahe komme.
                                                                      
 
In das Buch einzudringen wie in einen Wald: So ähnlich stellte sich für mich das Lese-Erlebnis dieses Buches dar: Erst im Laufe eines geduldigen Einlesens treten Figuren, (politische) Schicksale und Landschaft immer deutlicher hervor, bis der Bann - nicht gebrochen, sondern  d a  ist: Ab da wollte ich immer mehr wissen und folgte dem Autor willig in seinen Schilderungen und Reflexionen, die zugleich die eines heranwachsenden Jungen sind. - Kein Bedauern, sondern Faszination und der Wunsch, viel mehr auch noch vom Autor, seinem Wirken und Nachwirken erfahren zu wollen
 
Im Oktober 2004
 
 
Über den Autor
 
Czeslaw Milosz wurde am 30. Juni 1911 in Sztejenie, Litauen geboren und starb am 14. August 2004 in Krakau.
 
Mit Erschütterung wurde sein Tod vor allem in Polen und Krakau von Zeitungen, Passanten, Nachbarn, Arbeitskollegen und Politikern aufgenommen, wie in der FAZ am 24. 08. 2004 zu lesen war.
 
"Die Sprache – mein Vaterland“ so der Titel des Nachrufs von Rolf Michaelis in der Zeit Nr. 35/2004: http://www.zeit.de/2004/35/L-Milosz, , den ich an dieser Stelle noch weiter interessierten Leser/innen sehr gern empfehlen möchte, da er empathisch das Dichter-Schicksal mit den Zeitläuften verbindet und unter anderem auch Hinweise auf das hier vorgestellte Buch: "Das Tal der Issa“ enthält.
 
Czeslaw Milosz „studierte Jura und gründete 1931 gemeinsam mit anderen Schriftstellern die Literaturzeitschrift "Feuersbrünste". Die Gruppe vertrat einen lyrischen Katastrophismus. 1933 erschien sein erster Lyrikband und 1934 erhielt Milosz ein Jahresstipendium für Paris. Nach seiner Rückkehr arbeitete er am Wilnaer Studio des polnischen Rundfunks und später in der Zentrale des polnischen Rundfunks in Warschau. Während des Krieges blieb er in Polen und beteiligte sich an konspirativen Aktionen. Zusammen mit Jerzy Andrzejewski redigierte er die erste unabhängige Zeitschrift im besetzten Warschau.
Nach dem Krieg arbeitete Milosz von 1945 bis 51 als polnischer Kulturattaché in New York, Washington und Paris. Gleichzeitig publizierte er in Polen zahlreiche Gedichte, Zeitungsartikel und Übersetzungen. 1951 Bruch mit der Volksrepublik Polen; er wanderte nach Frankreich aus. 1953 erschien sein Buch "Verführtes Denken". Hatte er sich nach dem Krieg noch den Kommunisten verbunden gefühlt, wurde er mit diesem Essayband zu einem ihrer schärfsten Kritiker. 1955 erschien der Roman "Das Tal der Issa", 1959 der Essayband "West- und Östliches Gelände".
1960 ging Milosz als Dozent für slawische Literatur an die Berkeley University, Kalifornien. 1980 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Erst nach der Preisverleihung durften seine Werke wieder offiziell in Polen erscheinen. Seit 1989 verbringt Milosz nun die eine Hälfte des Jahres wieder in Krakau, die andere weiterhin in Berkeley.“
 
(Damals) entnommen aus: www.perlentaucher.de/buch/10572.html
 
 
Mehr zum Inhalt
(Meine damaligen Gedanken)
 
In einer Buchrezension las ich, dass man den Schlüssel zur Gelassenheit im Gesamtwerk Milosz' in dem Buch "Das Tal der Issa" finden könne. Milosz hat diesen Roman 1955 in Paris geschrieben, als er sich bereits im Exil befand. Die Kindheitsgeschichte von Thomas (oder Tomasz; in der Erstausgabe des Romans), dem Protagonisten des Buches, ist weitgehend die des Autors Czelaw Milosz.
 
Die Issa ist ein Fluss in einer Art Urlandschaft an der damaligen polnisch-litauischen Grenze, und in den sie umgebenden tiefen Wäldern lebten noch Wölfe, Bären und Elche. Thomas wächst an der Issa im Dorf Ginie bei seinen Großeltern, kleinen polnischen Gutsbesitzern, auf. Lange Zeit sind die Bewohner durch die Abgeschiedenheit der Landschaft zwar vor umwälzenden Zeitereignissen geschützt, aber im Dorf gibt es viele schlimme Ereignisse, die aus der Sicht des heranwachsenden Thomas' geschildert werden: Die Geliebte des Priesters begeht Selbstmord und geht danach als Geist um. Ein Verwandter von Thomas erschießt einen russischen Soldaten, kann diese Tat niemals sühnen und richtet sich durch sie schließlich selbst zu Grunde. Ein armer Junge seines Dorfes, der ihn und andere Jungen beherrscht, quält einen Hund zu Tode. Auf das Haus seiner Großeltern wird ein Handgranatenanschlag verübt, dem Thomas nur durch Glück entkommt. Sein Großvater besticht Behörden, um einer drohenden Enteignung zu entgehen.
 
Thomas, der sich dem Wald und den Tieren zugehörig fühlt, will wie die anderen Dorfbewohner Jäger werden und muss entdecken, dass ihm das Töten nicht gelingt. Dadurch und weil er aus einem Herrenhaus kommt, fühlt er sich von ihnen abgesondert. In der Bibliothek seines Großvaters findet er die Geschichte seines Vorfahren Hieronymus Surkont, der als Pole auf der Seite des protestantischen Schwedenkönigs kämpfte, zwischen alle Fronten geriet, bei den katholischen und polnischen Zeitgenossen als Verräter galt und ins ostpreußische Exil gehen musste.
 
Immer wieder wird die Einsamkeit des Jungen betont, der jedoch mit wachem Verstand und Blick an allen Geschehnissen in seiner Umgebung Anteil nimmt und die Charaktere der verwandten und bekannten Frauen, Männer und Gleichaltrigen auf unvergleichliche Art schildert. Die innere und äußere Welt eines Heranwachsenden und parallel dazu die historischen Ereignisse mit ihren Schrecken und Einflüssen auf Familien und Einzelne: Czeslaw Milosz hat ein Doppeltes und Dreifaches geleistet: Sich seine Kindheit zurückgeholt und eine Landschaft, deren Menschen und ihre Geschicke ins Licht gestellt, die ohne ihn verloren gegangen wären.
 
Ende
 
Im Juni 2020
 
 
Es grüßt herzlich 🌷

Angeli44
 
 
Bild oben: Meiner damaligen Homepage-Seite entnommen (siehe meine obigen Ausführungen dazu)
 
 
 


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