Das Zauberlächeln



Das Zauberlächeln
Luise war ein kleines und zartes rotblondes Mädchen von etwa sechs Jahren. Sie wohnte mit ihren Eltern, der Oma, den Ziegen und Katzen in einem Häuschen am Waldrand. Auf dem Hof, vor dem Ziegenstall konnte man ungestört mit den Puppen in der Sonne spielen. Luise nahm die Puppe auf den Arm und sagte, „komm wir spielen Friseur, du musst jetzt ganz still sitzen.“ Die Puppe mit den grünen Glasaugen lächelte und blickte an Luise vorbei, in den blauen Himmel. Luise kämmte sorgfältig das Puppenhaar, flocht es zu einem Zopf und band eine rote Schleife hinein. „Anita, du siehst aus, wie eine richtige Prinzessin“. Sie legte die Puppe zurück in den Wagen und deckte sie zu. Jetzt wollen wir spazieren fahren. Luise schob den Puppenwagen auf dem Weg zwischen Haus und Blumenbeet bis zum Gartentor und drückte die Klinke. Das Tor war offen. Luise fuhr einfach los, immer die schmale Straße entlang, vorbei am Feld mit den Kornblumen, Richtung Schule. Plötzlich stand Nachbars Fritz breitbeinig vor ihr und rief, „Rotfuchs die Heide brennt, Feuerwehr kommt angerennt.“ Er bog sich vor Lachen und schrie: „Rote Haare, Sommersprossen sind des Teufels Artgenossen“. Dann verzog er das Gesicht zu einer grässlichen Fratze. Luise bekam es mit der Angst zu tun und eine Träne rollte über ihre Wange. „Heulsuse, Heulsuse“. Jetzt gab es kein halten mehr, Luise lies den Puppenwagen stehen und rannte einfach los. „Mutti, Muttiii, der Fritz hat“, mehr war jetzt nicht aus ihr heraus zu bringen. Die Mutter beugte sich zu ihr herunter und fragte. „Was ist denn nun wieder passiert? Was hat Fritz gemacht?“ „Rotfuchs hat er gerufen und mich ausgelacht“. Die Mutter beruhigte Luise, die am ganzen Körper zitterte. „Komm, es ist ja nichts passiert, wir holen jetzt den Puppenwagen. Und das nächste mal hörst du gar nicht mehr auf ihn“. Das Mädchen dachte noch den ganzen Nachmittag an den frechen Fritz. Am Abend sang ihr die Oma ein Schlaflied. Das machte sie jedes Mal. Luise wälzte sich im Bett hin und her und konnte nicht einschlafen. „Natürlich“, dachte sie, „schuld daran sind nur meine roten Haare. Ich bin ein Rotfuchs und alle lachen mich deshalb aus.“ Als der Mond zum Fenster herein schaute, war das Kind endlich eingeschlafen. Im Traum erschien ihr die Puppenfee. Mit ihren funkelnden grünen Glasaugen und ihrem feuerroten Haar trat sie an das Bett und sprach: „Schau her, ich bin die Zauberfee, mit rotem Haar und Haut wie Schnee, ich schenke dir ein Zauberlächeln, schön wie der junge Morgen und hell wie ein Sonnentag, es wird dir Türen öffnen und Freunde schenken, es ist der Schlüssel zum Glück. Mein Geschenk ist ein kostbarer Schatz für Dich, aber verstecke ihn nicht. Trage das Lächeln auf deinem Gesicht, sonst geht mein Zauber verloren“. Die Puppenfee beugte sich über das Kinderbett und hauchte Luise ein zauberhaftes Lächeln ins Gesicht. Für einen Wimpernschlag öffnete Luise die Augen und sah wie die Fee im Mondlicht davon schwebte.
„Die Sonne ist längst auf ihrer Bahn, auf seinem Posten kräht der Hahn, guten Morgen Luise“, die Mutter trat ans Bett und gab ihr einen Kuss. Luise strahlte. Sie freute sich über die liebe Sonne und als sie in den Spiegel schaute, lächelte ihr ein glückliches Mädchen entgegen. Nach dem Frühstück wollte sie gleich in den Stall gehen und das kleine Zicklein streicheln. „Hallo Mohrchen, komm mit, wir wollen spielen, willst Du im Puppenwagen spazieren fahren?“ Luise streckte ihr die Hand entgegen und die kleine schwarze Ziege nuckelte an ihrem Finger. Das machte sie immer, wenn sie Hunger hatte. Luise legte die Puppe Anita ins Gras und wollte die Ziege auf den Arm nehmen. „Hör auf zu zappeln, du fällst noch runter.“ „Mäh, mäh“, schrie MohrchenMohrchen, befreite sich aus der Umarmung und sprang wild umher. Um Haaresbreite verfehlte sie die Puppe. „Da hast du noch mal Glück gehabt, Luise, das Tier ist doch kein Spielzeug, “ rief die Oma aus dem Fenster. „Komm begleite mich zum Friedhof, wir wollen die Blumen gießen, die wir gepflanzt haben, nimm die kleine Gießkanne mit“. Luise liebte es, mit der Oma auszugehen, sie erzählte immer so schöne Geschichten aus ihrer Jugendzeit. Als sie durch das schmiedeeiserne Tor gingen, konnten sie schon Großvaters Grab sehen. „Die Stiefmütterchen lassen schon ihre Köpfchen hängen, laufe und hole Wasser, die Blumen sind durstig“. Unter der großen Eiche, im Schatten auf der Bank, saßen die Beiden dann, ruhten aus und lauschten dem Gezwitscher der Vögel, das ungehemmt und fröhlich durch den stillen Friedhof klang.
„Jetzt singt die schwarze Amsel ihr Lied, es ist ihr Hochzeitslied. Siehst Du, wie eifrig sie ihr Nest baut“? Neugierig beobachtete Luise, wie die Amsel kleine Zweige im Schnabel transportierte und damit geschickt das Nest vergrößerte. „Jetzt wird es aber Zeit, wir müssen zurück, es ist gleich Mittag“. „Heute gibt es Deine Lieblingsspeise, Milchreis mit Zimt und Zucker und dann ab ins Bett, Mittagsschlaf“, rief die Mutter. Kaum hatte die Mutter die Vorhänge am Fenster zugezogen, war das Mädchen eingeschlafen. „Wenn sie schläft, sieht sie immer wie ein Engel aus“, dachte die Mutter und schloss leise die Tür.
Am Nachmittag wollte Luise ihre Freundin Karin besuchen. Karin war schon ein großes Mädchen und ging in die erste Klasse. „Ich nehme Anita mit, dann spielen wir Schule mit den Puppenkindern“, dachte sich Luise, zog ihre Puppe an und machte sich auf den Weg. Karin wohnte unten am Katzenbuckel, gleich um die Ecke. Es war überhaupt nicht weit. Sie lief am Kornfeld vorbei und freute sich über die blauen Kornblumen. Auf dem Rückweg wollte sie für die Mutter einen kleinen Strauß pflücken. „Bahne frei“! Fritz raste wie der Blitz mit seinem Fahrrad an Luise vorbei, drehte sich zu ihr um und rief, „Rotfuchs die Heide brennt“. „Bums“, da lag er schon neben dem Rad. Oh je, er hatte die Kurve nicht gekriegt. Luise erschreckte sich und blieb wie angewurzelt stehen. Sie zögerte einen Augenblick und fasste sich ein Herz „Kann ich dir helfen“, sie beugte sich über den Jungen und lächelte ihm zu. Für einen Augenblick war Fritz sprachlos. „Rotfuchs hat ja gar keine Angst vor mir, und Lachen kann sie auch“, wunderte er sich. „Hast du dir wehgetan“. „Ja, aber es ist wohl noch mal gut gegangen“, Fritz richtete sein Rad wieder auf, klopfte den Sand aus der Hose und begleitete sie ein Stück. Die Kinder liefen neben einander her und Luise lächelte noch immer, auch noch als sie sich bei ihrer Freundin vor der Tür von dem Jungen verabschiedete.
Das Geschenk der Puppenfee, das Zauberlächeln, blieb für immer bei Luise, sie hat es nicht versteckt. Das Geschenk brachte ihr Glück und ließ sie viele Freunde finden.

 


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Kommentare (1)

Manfred36


Auch meine Mutter Helena hatte blutrotes Haar, in jungen Jahren als Zöpfe oder wie Merita über den Rücken. Sie hieß im Ort schlicht „ess Rotsche“. Echte Namen waren ja verpönt (ich hieß „Kerbmachers Dicker“). Auf den Schwarz-Weiß-Bildern kann man das leider nicht sehen. Das 1. zeigt sie mit mir, das 2. als 82-Jährige mit den Spuren eines sehr arbeitsreichen Lebens und dem Übergang in Schlohweiß, aber immer ein Wenig lächelnd, wie ich. Ihr abgeschnittener Rothaarschopf diente mir einmal als Nikolaus-Verkleidung gegenüber meinem ältesten Nichtchen, das dann aber später attestierte: „Onkel, das warst doch du mit der Oma ihren Bart“
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