Der besondere Heiligabend ...


Der besondere Heiligabend ...

So gaaanz leicht erinnere ich mich noch daran, wenn Weihnachten „nur noch einmal schlafen“ hieß, hatten Vati und Oma einen frischen Weihnachtsbaum besorgt, der plötzlich ungeschmückt im Wohnzimmer mitten vor dem Eckfenster stand. Schließlich war es dem Christkind ja nicht zuzumuten, so einen schweren Baum auch noch in unser Wohnzimmer zu bugsieren!

Wir Kinder mussten unsere Wintermäntel anziehen, unser Vater drückte der Ältesten eine kleine mit Minikerzen bestückte Tanne in den Arm, dazu eine Schachtel Streichhölzer und trug ihr auf, nicht nur gut auf das Bäumchen und uns zwei Geschwister zu achten, sondern auch am Grab nicht mit den Streichhölzern zu spielen und recht vorsichtig – nur – die kleinen Kerzchen anzuzünden. Unsere vor einem halben Jahr verstorbene Mutti sollte ja auch etwas weihnachtliche Stimmung haben.

Der Weg zum Zentralfriedhof Münsters führte uns erst zur Promenade, durch die der Weg ein wenig zu gehen war. Dann, am wunderschönen Schloss vorbei, an den alten Universitätsgebäuden (die mir mit ihrem düsteren Eindruck noch ein wenig Angst einjagten) und dann auf dem Friedhof den bekannten Weg bis zum Grab unserer Mami, die direkt neben ihrer Tante ihr Grab gefunden hatte. So lag sie nicht so allein in der winterkalten Erde.

Es geschah alles so, wie unser Vater es verlangt hatte. Wir verweilten noch einen kleinen Augenblick am Grab unserer Mutter und schauten den flackernden Flämmchen der kleinen Kerzen zu. Aber das Wissen, zuhause könnte das Christkind schon dagewesen sein, ließ uns bald den Heimweg antreten. Es dämmerte schon und als wir fast zuhause waren, glaubte ich, ein Wehen der Gardine an unserem Wohnzimmer-Eckfenster gesehen zu haben und sah in meiner Fantasie das Christkind weg fliegen!! Oh, so aufgeregt war ich nie wieder …

In der Wohnung angekommen, war noch ein wenig zu warten. Wir saßen mit der Oma und unserer Haushaltshilfe in der Küche und konnten unsere Ungeduld nur schwer zügeln. Da – da erklang das Glöckchen, das uns zum Eintritt ins Wohnzimmer rief – es war Bescherung! Die Tür öffnete sich, auf dem nun mit vielen Kugeln, süßen Zuckerfiguren und Lametta geschmückten Tannenbaum strahlten die brennenden Kerzen,

Foto 77 Weihnachten 1951 ohne Hanna.jpg
zwei neu eingekleidete Puppen bewachten einen traurig blickenden Neuzugang sowie ein recht großes Puppenhaus.

Foto 81 Filou sollte Mutti Hanna ersetzen 1951.jpg
Auch ein kleiner Dackelwelpe kam uns neugierig entgegen. Oma nahm ihn recht schnell auf ihren Schoß, damit wir Kinder und Filou, so nannte sie das Hundchen, nicht übereinander stolperten. Unsere Kleinste flüchtete erst einmal auf den Schoß unserer Haushaltshilfe, bis die Neugierde sie an ihr großes Puppenhaus lockte. Ich versuchte, mich mit der traurig dreinblickenden Käthe-Kruse-Puppe anzufreunden, aber sie machte mich stumm …

Foto 80 Große Schwester Anne zeigt auf den Weihnachtsengel an der Christbaumspitze 1951.jpg
Unsere Große übernahm fast automatisch die Rolle unserer Mutter und überwachte die abbrennenden Kerzen.

Ob es ein oder zwei Jahre später war, kann ich nicht mehr erinnern. Aber unser Vater muss wohl gemerkt haben, dass die Käthe-Kruse-Puppe nie mein Puppenkind geworden war, obwohl die Oma ihr ein wunderschönes rosa Prinzessinnen-Kleid genäht hatte. Ich bekam ein Hula-Puppe, die einer erwachsenen farbigen Frau nachempfunden war. Sie hatte keinen der üblichen Puppenkörper, sondern eine wunderhübsche Frauenfigur mit Busen, langen schlanken Beinen, trug ein Baströckchen und unter den langen schwarzen Haaren bestach eine bunte Blumenkette. Mein Vater hatte ihr eine festsitzende Perücke perfekt geknüpft.

Auch mit dieser Puppe habe ich nie gespielt. Sie war mir einfach zu kostbar und schmückte lange Jahre meinen Platz im Mädchenzimmer. Erst als ich verheiratet war und unser Sohn sich auf den Weg ins Leben machte, bekam eine gute Bekannte ihr drittes Kind. Zwei Söhne hatten ihre Familie schon ergänzt. Doch wir wussten beide nicht, welches Geschlecht unser Nachwuchs haben würde.

Ich versprach ihr meine Hula-Puppe, wenn mein Kind ein Sohn würde und sie nach ihren beiden Jungs endlich das gewünschte Mädchen bekäme. Und so geschah es auch. Einige Jahre später bekam auch ich meine Tochter, obwohl es zuvor geheißen hatte, ich bekäme keine Kinder! Ein wenig bedauerte ich mein Tun, aber meine Tochter war – wie ich – kein Mädchen, das mit Puppen spielte. Sie bevorzugt bis heute technische Dinge …
 

Anzeige

Kommentare (0)


Anzeige