Der Frauenabend
© 2006 Kurzgeschichte von W. S. v. Grafenberg - Nicht ganz ernstgemeinte Schilderungen eines guten Freundes

Freitagabend. Meine Frau ist von einer merkwürdigen, auf mich bedrohlich wirkenden Unruhe erfasst. Plötzlich wird mir bewusst, dass sich diese sonderbare Aufbruchstimmung schon seit Wochen, - oder gar Monaten? - in verschiedenen Formen zeigt. Die Anzahl der Telefonate mit Freundinnen und Turnschwestern, das Wispern und Hüsteln, sobald ich in Gesprächsnähe komme, hat erheblich zugenommen. Diese Phasen einer überschwänglichen Umtriebigkeit meiner Frau, gepaart mit erkennbarer Unzufriedenheit, die sich nach meinem Empfinden gegen mich, ihren Mann, entlädt, gehen einher mit unvermittelt und keinen Widerspruch duldenden Ideen - oder sind es schon Anweisungen? -, dass wir uns sofort noch ein Kind anschaffen oder wendigstens den Kilimandscharo besteigen sollten.

Als erfahrener Ehemann begegne ich den Umtrieben meiner Frau mit wohlwollender Milde, weiß ich doch, dass Frauen der Altersklasse um vierzig herum, von Torschlußpanik, in der Folge von Unruhe erfasst und somit, zumindest in dieser Lebensphase, aus medizinischer Sicht quasi unzurechenbar sind. Die Kinder, inzwischen flügge geworden, haben den Rand des Nestes schon mehrmals verlassen, auch wenn sie, wie es heute üblich ist, aus Bequemlichkeit immer wieder einmal in Mutters Schoß zurückkehren.
Wir Männer würden den nun freigewordenen Platz gerne einnehmen. Jedoch, wenn  wir diesen Gedanken unseren Frauen vorsichtig näher bringen, schauen sie uns mit den großen Augen der Verständnislosigkeit an. Ich erinnere mich gelesen zu haben, dass die Natur ein derart langes Leben von uns Männern ohnehin nicht vorgesehen habe. Nach Zeugung, Heranschaffen von Nahrung und Beschützen der Brut bis hin zum Flüggesein derselben, sei unsere Aufgabe erfüllt. Dann seien wir überflüssig und das Weibchen sehe sich nach einem neuen, (jüngeren) und kräftigen Erzeuger um, der ihren (neuen!) Ansprüchen genüge.

Ist dieses Naturgesetz nun bei meiner Frau übermächtig geworden?

Das Wissen um die Krise unserer Frauen verhindert nicht, dass sich in das Leben von uns Männern nun eine gewisse Verunsicherung einschleicht. Jetzt, wo wir es uns in unserer Ehe so bequem eingerichtet haben, lesen wir allenthalben, dass über fünfundsiebzig Prozent (!) aller Trennungen und Scheidungen von Frauen ausgelöst werden. Das führt dazu, dass sich die Frauenversteher unter den Politikern und ihre weiblichen Pendants ständig genötigt fühlen, die stetig steigende Zahl an alleinerziehenden Müttern und deren prekäre wirtschaftliche Situation uns Männern vor Augen zu halten, - quasi als Anklage. Bei diesem Stimmenfang innerhalb des weiblichen Klientels übersehen diese Pharisäer geflissentlich, dass die Frauen es sind, die aus den Beziehungen ausbrechen, weil ihnen auf dem Weg zur sogenannten Emanzipation die Beziehungsfähigkeit und eine gewisse Leidensfähigkeit verloren gegangen sind, die man in einer Ehe wohl benötigt und die wir Männer im Zusammenleben mit unseren Frauen beinahe täglich unter Beweis stellen.

Es ist noch immer Freitagabend. Jetzt ist es heraus: Mit dem Unterton von Angriff eröffnet mir meine Frau, dass sie heute mit einigen Freundinnen an einem Frauenabend teilnehmen werde. Überhaupt solle das eine regelmäßige Einrichtung werden. Dann folgt, während des Wühlens im Kleiderschrank und der in den Raum gestellten Frage "was ziehe ich bloß an?", ein wortreiches Sammelsurium an Lebensweisheiten über die Männer schlechthin, und es fallen Worte wie Knechtschaft, Unterdrückung und Ausbeutung, gepaart mit einem Anflug von Aggression, die offenbar jeden Widerspruch gegen den Frauenabend im Keim ersticken soll. Bisher glaubte ich, es sei eine Taktik der Männer: Streit provozieren, heftiges Zuschlagen der Türen, Abgang ins Wirtshaus. Offenbar haben unsere Frauen auch auf diesem Gebiet aufgeholt.

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Es ist still zu Hause. Irgendwie fühle ich mich verunsichert, abgestellt. Mein Selbstbewusstsein schwächelt. Nach kurzer Erstarrung und Überwindung des aufkeimenden Selbstmitleids melden sich jedoch die Urinstinkte - Ducken, Lauern, Abschätzen, Angreifen, die uns schon als Jäger und Sammler in der Savanne das Überleben sicherten. Es muss etwas geschehen!

Ich greife zum Telefon. Volker ist auch alleine. Sebastian ebenfalls. Kurz und knapp, wie wir Männer mit Problemsituationen umgehen, sondieren wir die Lage. Optimismus bemächtigt sich unserer verunsicherten Seelen. Wir erkennen unsere Chance: heute, an einem Freitagabend, können wir über unsere Zeit selbst verfügen, können selbst entscheiden, ob, wann wir wohin gehen, was wir unternehmen wollen. Freiheit, die ich meine!

Wir öffnen eine schwere Eisentür, ganz unten im Keller unserer Stammkneipe: Die Discothek! Ein ohrenbetäubender Lärm schlägt uns entgegen, dicke kaum durchdringbare Rauchschwaden quellen heraus, als wollten sie sich übergeben. Das muss die Freiheit sein!

Als sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, sehen wir sie: schmalbrüstige Gestalten, langbemähnte und igelhaarige Monster, die mit extasischen Bewegungen im Dunst zucken, als würden sie jeden Augenblick ihr Leben aushauchen, - teilweise mit roten, grünen Haaren, einseitig oder total rasierten Köpfen, mit Ringen in Lippen, Zunge, Nasenlöchern und Augenbrauen. Eine weitere Spezies umringt diese Wesen: großbusiger Babyspeck mit schwabbelnden Pommes-Frittes-Röllchen um die Hüften und dürrleibige Gestalten starren uns mit glasigen Bacardi-Cola-Augen entgegen. Im nächsten Augenblick werden wir brutal in einen Zeitraffer gepresst und mit atemberaubendem Tempo mutieren wir im Jargon dieser Wesen zu "Grufties", "Komposties" und anderen vergreisten Individuen, - ohne jegliche Lebensberechtigung.

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Es ist still um uns, vergleichsweise still. Unsere Stammkneipe hat uns schützend in ihren Schoß aufgenommen. Wir sind unter Unseresgleichen. Keine Lebewesen von anderen Galaxien, kein zänkisches Nörgeln spätpubertierender Frauen; ein geradezu paradisischer Ort.

O' Augenblick verweile!

Wir suhlen uns in dem Gefühl, der heimischen Krise und dem daraus resultierenden Freiheitsdrang unsere Frauen mit mildem Verständnis und großer Weisheit begegnet zu sein. Wir sind überzeugt, dass unsere Frauen (hier wird die schlichte Denkweise von uns Männern wieder einmal erkennbar) uns mit gleicher Weisheit begegnen werden, wenn wir uns später, so jenseits der Sechzig, begehrlich nach jüngeren Frauen umdrehen werden, weil wir davon träumen, noch einmal ein wenig bewundert zu werden, wieder einmal das Gefühl zu spüren, wenn auch nur für einen Augenblick, tolle Kerle zu sein.

Nach einem tiefen Zug aus unseren Biergläsern sehen wir uns schweigend, mit nicht übersehbarer Rührung und der wohligen Erkenntnis tief in die Augen: es lebe der Frauenabend! Er hat sie uns zurück gebracht, die Freiheit, oder zumindest das, was wir nach jahrelanger Askese in unserer Ehe nun als Freiheit empfinden.

Man(n) wird bescheiden!

katerignotus

 

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Kommentare (4)

ladybird

Du sprichst von einem "erfahrenem Ehemann",
lieber Paul,
dabei hast Du erst ca 20 Jährchen am Ring, wenn Du über die Frauen um die 40 soviel zusagen weißt. Es ehrt Dich, Du hast noch Interesse an Deiner Frau und Deine Beobachtungen sind lustig, sarkastisch und herrlich ironisch.
Dein Schreibstil gefällt mir, und ich denke, Deine Geschichte ist  auch ziemlich wahrheitsgetreu...
jedefalls wünsche ich Dir für den nächsten
Frauen/ Männerabend
ein fröhliches Prösterchen an Eurem "paradisischem Ort" und keine spätpupertierende Frauen sollen Euer Selbsbewußtsein zertören, wenn Ihr euch vorkommt wie "tolle Kerle"...auch wenn die vermeintliche Freiheit nur über einen Abend geht....
und ich bin jetzt bei dem Frauenabend...
herzlichst
Renate.


 

katerignotus

Liebe Renate,

eben komme ich vom Sport, dem ich drei Mal pro Woche eisern nachgehe.

Schnell habe ich den PC eingeschaltet, um zu sehen, ob von Dir schon eine Reaktion auf meine Geschichte angekommen ist.

"Plumps" hat es bei mir gemacht, Bei Deinen Worten ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. Ich freue mich, dass Dich meine Fantasien nicht negativ berührt haben. Aus meiner Sicht gibt es heute so viele überzogene Empfindlichkeiten. Ständig wird etwas gefunden, an dem herumgemeckert wird.

Übrigens: Meine Geschichte ist pure Erfindung. Und, ich bin keineswegs mehr so jung, war es auch damals nicht, als die Geschichte entstand.

Lieber Gruß
Paul


 

ehemaliges Mitglied

Nicht schlecht, und mutig diese Kurzgeschichte.
"Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen". Laut Loriot. Manchmal aber schon!

LG Arni

katerignotus

Ich grüße Dich,

wahrscheinlich wird wieder jemand um die Ecke kommen und auf mich einprügeln.

LG
Paul


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