der Geigenspieler..................


vom Anhaltinischen Staatstheater in Dessau - ein bekannter Mann.
Täglich sah man ihn mit seinem verschlissenen Mäntelchen und dem Geigenkasten unterm Arm fest eingklemmt, seines Weges ziehn.
Schlurfend war sein Schritt, seine Schultern waren nach unten gezogen, sein Blick sah ängstlich unter der Hutkrempe raus.
Er sagte nichts, nicht mal "guten Tag" und schlurfte nur die Straße entlang.
Jeden Tag den gleichen Weg - er gehörte zum Stadtbild dazu.
Doch eines Tages traf ich ihn im verwüsteten Stadtpark sitzen, auf einem Haufen abgeklopfter Mauersteine, und er öfnnete den Geigenkasten. Ganz zaghaft und vorsichtig ging er zu Werke, beobachtete das ausgeleierte Schloß und schaute auf die größerwerde Ritze drauf. Als ob was aus dem Kasten rausspringen könnte, so sorgsam ging er damit um.
Langsam zog er den Deckel ein Stückchen hoch und nichts geschah.
Mühsam zog er ein Stück Papier heraus, glättete es nochmal ganz vorsichtig und schaute wie erstaunt darauf.
Ein leichtes Strahlen überzog sein Gesicht und ganz ruhig wie begnadet zog er es an seine Brust.
So saß er da, mit geschlossenen Augen und innerlich schien er zu musizieren, nur die Augendeckel hoben und senkten sich wie in Trance.
Seine Finger zuckten im Rythmus mit und kein Ton kam über seine Lippen.
Tief zufrieden nahm er das Blatt Papier, rollte es wie geübt wieder zusammen und sprach ganz leise zu sich selbst: das war die Ode der Freude von Beethoven - Du wirst es nicht kennen, denn wer freut sich heute schon.
Wie in einem Traum saß ich neben ihm und schaute verzückt in sein Gesicht. Er schien tief zufrieden und schloß den Deckel wieder ab.
"Tja, meinte er, "einmal täglich muß ich üben, obwohl es die Geige schon lange nicht mehr gibt. Die hat mich vor dem Verhungern gerettet und somit danke ich ihr einmal täglich".
Ganz klein und still saß ich neben ihm und er erzählte mir die Geschichte von der Geige und seinem ehemaligen Beruf.
Er war der Geigenspieler, als es das Orchester noch gab.
Nun ging er Eßbares sammeln und steckte es in den Geigenkoffer rein.
Die Geige hat ihren Sinn erfüllt - so schloß er das einseitige Gespräch.
Ich war genauso tief versunken wie er.
Unsere Wege trennten sich, ab und zu trafen wir uns noch auf der Straße, doch der Gang hatte sich nicht geändert und der Geigenkoffer klemmte nach wie vor unter seinem Arm.
Hoffentlich hat er etwas zum Essen drin, waren meine Gedanken.
Doch nie wieder kam es zu einem kläglichen Gespräch.
"Freude schöner Götterfunken" tönte es in mir........ganz still und leise.
Euer Moni-Finchen


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Kommentare (3)

Netservice Gut beobachtet und interpretiert.

Mit besten Grüßen
Bernd Staudte
omasigi ja liebes Finchen,
so war es damals nach den Kriegswirren. Viele Menschen mussten lieb gewordenes verkaufen um den Hunger zu stillen.
Unsere Kínder und Enkel koennen das heute schwer nachvollziehen.
Auch wir vergessen oft, dass es diese Zeit gab.
Dir wuensche ich eine gute Woche.

omasigi
nnamttor44 für die traurig hübsche Geschichte vom Geigenspieler. Sie erinnert mich an die schönsten Stunden, die ich von meinem Vater in Erinnerung habe! Er mußte seine Geige nie verkaufen. Ich durfte so manchen Donnerstag als kleines Mädchen nebenan im Bett zuhören, wenn er mit unserem Organisten Hauskonzert machte. Eigentlich waren es Übungsstunden, aber sowohl der Organist als auch unser Vater waren auf ihren Instrumenten perfekt!! Unser Vater hatte ja sein Violinspiel autodidaktisch bis zur Konzertreife gebracht und nach dem Krieg bei den ersten Konzerten im Münsterschen Schlossgarten sogar als Solist spielen dürfen. Das war wunderschön!

Uschi

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