der Geist, der in der Flasche lag und weinte.......


die Stachelbeeren waren es, die ihn so pieksten.
Und das war so: ich wohnte in Oldenburg bei einem sehr netten Vermieterehepaar mit deren Oma und einem mongoloidem Knaben, in einem Haus.Die Oma und ich wohnten im 1-sten Stock in der Dachwohnung. Wir hatten jeder 2 Zimmer und ein gemainsames Klo. Der Bub durfte nicht in den 1. Stock, da das Klo frei zugänglich war und er die Angewohnheit hatte, die Klo's völlig mit Papier zuzustopfen und sich an den überlaufenden Wasser zu erfreuen. Das mußte man unten genauso einbremsen, wie auch oben. Na gut, wir hatten keine Probleme, im Gegenteil, er freute sich, wenn ich nach Hause kam und wir auf den Treppenstufen vor dem Haus saßen und er mir seine täglichen Abenteuer in leider unverständlichen Art, erzählte. Wir wurden richtige Freunde und er wartete auf mich jeden Tag. Eines Tages saß er da, steckte seine Hand in die Hosentasche und holte völlig zerquetschte Stachelbeeren raus und schenkte sie mir. Nahm mich an die Hand und führte mich in den großen Garten und zeigte mir, wo er sie gefunden hatte. Gefunden ist geprahlt, es standen Eimer und Zinkwannen im Garten und die Eltern und die Oma zwischen oder in den Stachelbeerstäuchern. Es war Stachelbeer-Ernte.
Klausi hüpfte und tanzte, weil er doch schon mehr in diesen Eimern und Wanne hatte, als alle anderen in ihren Eimerchen vor dem Bauch.
Klausi signalisierte mir, daß ich auch welche pflücken sollte. Zeigte auf die Früchte und genau diese mußte es sein. Ich pflückte eine nach der anderen und er sprang mit jeder einzelnen Stachelbeere zur Wanne und legte sie sorgfältig ab. Er war ja nicht doof, er kam auf die Idee, mehrere in die Hosentasche zu stopfen. Ich zog sie alle wieder raus und zeigte ihm die Matsche, so geht das nicht, die sind tot. Klausi dachte nach....stand ganz still und schaute in den Himmel, nahm ein Stachelbeerchen, streichelte es und trug es in ehrfürchter Weise zum Sammelbottich. Ich nahm Klausi an die Hand und erklärte ihm, daß ich Hunger habe, tauschte noch einen Blick mit seinen Eltern aus und er ging ganz brav mit. Wir gingen in den verbotenen 1.Stock in meine kleine Wohnung. Klausi zappelte nicht, grölte nicht und ließ sich ganz einfach in den Sessel fallen und schaute mir zu. Ich legte ihm ein Brettchen hin, schmierte Brote und so saßen wir da und aßen. Klausi war ganz still und andächtig, ich stellte das Radio an und das schien ihm zu gefallen, er strahlte nur noch und wiegte sich hin und her und plötzlich stand er auf und umarmte mich. Irgendwelche Äußerungen gab er von sich, für mich aber nicht zu verstehen, dennoch haben wir unsere eigene Sprachverständigung gefunden. Der Winter kam und die Zeit im Haus war unvermeidlich. Ich fing wieder an zu malen. Klausi ließ anfragen über seine Mutter, ob er mich besuchen dürfe - keine Frage, er durfte. Der Tisch wurde freigemacht und Klausi malte mit. Und jeder Strich von mir wurde in seiner ungeschickten Gestik irgendwie kopiert. Bis Mutter kam und zum Bettgehen aufrief. Unwillig willig ging er dann mit, mit dem Versprechen, daß wir wieder malen. Meine Hauswirtin drückte das schlechte Gewissen und von nun ab wurde ich an der Haustür abgefangen und zum Essen eingeladen, da Klausi keine Ruhe gab. Gut, ich war da und Klausi ging auch beruhigt ins Bett.
Es wurde Winter, der berühmte mit meinem Käfer Bj.1948, meine dicke Jacke blieb gleich auf den Treppenstufen liegen und ich saß im Wohnzimmer vor einem herrlichen Buffet von Köstlichkeiten und einem Glas der verflüssigten Stachelbeerernte. Die Oma saß auf ihrem Sessel und freute sich wie immer. Das war ein herzig Omilein. Und noch ein Gläschen von der guten Ernte und Oma strahlte und noch ein Gläschen auf den gelungenen Wein und noch eins, daß wir uns so gut versteh'n. usw. usw...... Aber Oma mußte wie ich, in den ersten Stock. Gemeinsam, uns gegenseitig stärkend durch guten Zuspruch, schob ich sie die Treppe rauf. Oma fand ihr Bett, ich meins auch, sogar noch den Wecker, aber dieser Abend blieb unvergessen. Und Klausi blieb mein treuer Freund und großer Malermeister. Wenn ich Malermeister zu ihm sagte, dann nahm er doppelte Körpergroße an. Seine Eltern haben übrigens seine Hyperaktivität mit Malkasten und Pinseln sehr gut in den Griff bekommen, aber die Stachelbeeren, waren seine Lieblingswerke. Schade, daß ich sie aus den Augen verloren habe. Meine Stachelbeeren vom Hülsenhof 6.



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Kommentare (6)

finchen hallo Moni, das kann ich mit einem klaren "ja" beantworten. Bis auf seine Klo-Macke, zeigte er keine Agressionen. Man könnte ihn sogar zum Einkaufen mitnehmen. Brav wie ein Hündchen dackelte er hinterher, in seinem Hirn war Platz für "Ja" und "Nein".
Grüßchen
Finchen
nixe44 Wenn das Thema nicht so ernst wäre, man könnte lachen bzw. Freude verspüren.
Nicht umsonst gibt es in Psychiatrischen Einrichtungen für die Patienten die Maltherapie.
Es ist eine mit Freude ausgeführte Beschäftigung.

Mich beschäftigt eine Frage, war der Klausi immer so friedlich?
Wenn ja, dann haben die Eltern Glück gehabt.
LG Monika
finchen Ich danke Euch allen für die Kommentare. Ja, Klausi war mein Freund und wir übten wie verrückt, bis er deutlich aussprechen konnte: Klausi, Freund. Dann strahlte er und lief mit Stolz geschwellter Brust umher. Es war wirklich ein Herzchen.
Gruß Finchen
stefanie Liebe finchen. Weißt Du was? Unser Leben ist und war reich und besonders wenn wir es mit andern teilen konnten.So wie Du Deine Erlebnisse mit Klausi. stefanie
omasigi die mongoliden Kinder/Erwachsene sind sehr liebenswuerdig und freuen
sich, wenn sie Anerkennung finden.
Ich habe ja eine Schwester, die durch Zangengeburt geistig behindert ist.
Vor der Auswanderung ging sie in die besch. Werkstatt. Dort lernte ich
diese mongoliden Kinder kennen.

Das Malen ist wirklich eine Freude fuer die Behinderten. Auch heute noch mit
ihren 62 Jahren malt meine Schwester ihre Bilder. Nur hat sie keine Ausdauer.

Danke fuer den Bericht und danke, dass Du Freundschaft geschlossen hast mit
diesem Jungen.

gruessle
omasigi
Argapantus .....wunderschön hast Du dieses Leben dort wiedergegeben.
Ich konnte mir Klausi richtig vorstellen.
Du warst seine Meisterin.
Du hast ihn wie einen normalen Menschen angesehen.
Das hat ihm geholfen!
Du warst es ,die seinem bisherigen Leben ,eine Wende brachte.
Was ist aus ihm geworden??

Liebe Grüße von mir
aus Südfrankreich/Argapantus

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