Der Mann mit den ungeputzten Schuhen


Am Tisch nimmt er den Stirnplatz ein:
Er ist der Hausherr, der Mann, der Vater.

Auf dem Bahnsteig des heimischen Bahnhofs
hat er einen Namen, ist ein Herr.

Im Großraumwagen ist sein Platz reserviert.
Niemend macht ihm den Fensterplatz streitig.

Der Schaffner locht die Fahrkarte, dankt,
im Europa-Express ist er der Fahrgast.

In der Großstadt jedoch steht er eingezwängt
in der Straßenbahn, hält sich am Haltebügel fest.

Gesicht sieht er keines, aber geputzte Schuhe,
modische Stöckelschuhe, lacklederne Schnürer.

Und seine Schuhspitzen? Sie sind verstaubt:
Er ist der Mann mit den ungeputzten Schuhen.


kNs
24. Februar 2012

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Kommentare (3)

Medea Der Mann mit den ungeputzten Schuhen ...

Mich erinnert das an meine Kindheit,
mit ungeputzten Schuhen durften wir nicht
aus dem Haus gehen, darauf achteten die
Eltern sehr.

Schuhe wurden gepflegt, jeder hatte nur
drei Paar,
die Guten, die für die Schule und die
für draußen zum Spielen - um 1946 herum zogen
wir uns Holschen für draußen an,
das sind diese Holzschuhe, wie sie die
Niederländer trugen mit dicken selbstgestrickten
Socken aus Schafswolle.

Der Sonnabendvormittag war Familienschuhputztag,
da wurde dann gewienert, bis alle Paare glänzten.

Wie die Zeiten sich geändert haben: jetzt geht
sogar der "Vater" , früher ein Vorbild, mit
ungeputzten Schuhen auf Reisen.
Wie kann seine "Brut" dann anders sein .....

M.

EHEMALIGESMITGLIED63
es hat alles einen eigenen Blickwinkel,
kommt immer auf den Betrachter an
wunderbar in Worte gefaßt..LG Begine
stefanie ich denke,dieser Beitrag sagt etwas ganz Wesentliches aus:
Wo man mich kennt werde ich geachtet als die Person,die ich bin.
Und wo ich unbekannt bin,da sieht man nur die ungeputzten
Schuhe,nur das Äußerliche,
Danke Koloman für Deine Betrachtung sagt Helene

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