Der Spritverbrauch des Maikäfers im Rückenflug




Der Spritverbrauch des Maikäfers im Rückenflug

So bezeichneten wir als junge Studenten Pflichtlektüre, die als Voraussetzug für die Teilnahme an Seminaren oder Übungen galt. Wir wollten damit ausdrücken, daß uns dies Thema als unwichtig erschien und das eigentliche Thema nur streifte. Man muß ja ökonomisch denken! Manchmal lagen wir richtig, aber manchmal auch nicht. Das schlug sich dann in der Note der Klausur nieder.

Je älter ich werde,desto öfter und intensiver muß ich an die vergangenen Zeiten denken. Dabei schiebt sich wieder und wieder die Frage nach der Wertung der Dinge des täglichen Lebens in den Vordergrund. Zu meinem Erstaunen stelle ich fest, daß sich die Schwerpunkte immer stärker verlagern.

Spielten früher die Fragen der Politik,des beruflichen Fortkommens und der Familie die dominierende Rolle, so muß ich sagen, daß meine Ansprüche heute viel bescheidener geworden sind. Gern will ich gestehen, daß diese schlechte Gewohnheit manchmal noch zutage tritt, aber die Debatten werden lange nicht mehr so leidenschaftlich geführt wie vor vielleicht zwanzig Jahren.

Heute beschäftige ich mich unter anderem mit den Vögeln in meinem Garten. Ich wohne in einem Vorstadtviertel einer Kleinstadt. Da noch nicht allzuviel Natur verdorben ist, haben wir noch einige davon. Es sind überwiegend Spatzen, Drosseln und Meisen, aber auch noch andere. Seit einigen Jahren habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, mein und meiner Fraus Frühstücksbrötchen zu entkernen,und diese Reste in kleine Brösel zu verwandeln. Nach dem Frühstück setze ich mich dann vor der Tür auf die Terasse, lasse einen Schnalzlaut los, der wie das Gezirpse eines Spatzen klingen soll, um sie anzulocken. Aber meistens warten sie schon auf mich.

Es war spannend zu beobachten, wie sie sich langsam an mich gewöhnten. Von Woche zu Woche konnte ich die Brösel etwas näher zu mir hinlegen. Sie trauten sich, immer näher an mich ranzukommen. Aber eine gewisse Fluchtdistanz unterschreiten sie fast alle nicht. Sie liegt bei ca. fünfzig Zentimetern. Aber wenige wagen sich auch bis an meinen Fuß.

Die Spatzen sind oft sehr futterneidisch untereinander, obwohl sie doch Schwarmvögel sind. Sie hacken sich dann. Sehr putzig sind die Jungvögel die mit ausgebreiteten, auf der Erde schleifenden Flügeln ankommen und ihre Eltern anbetteln, obwohl sie das Futter schon selbest aufnehmen könnten. Nun kommen die Drosseln ins Spiel. Sie sind überwiegend später da als die Spatzen und warten auch nicht schon, wenn ich noch nicht da bin.

Die Drosseln picken zuerst die Brösel auf, die am weitesten entfernt sind. Sie arbeiten sich von außen zum Zentrum vor und vermeiden es, auf frische Brösel zu treten. Die Spatzen fliegen -bruch- mitten in das Futter hinein! Die Drosseln sind auch sehr tolerant den Spatzen gegenüber. Ich habe selten gesehen, daß sie die Spatzen weggehackt haben.

Meisen kommen weniger, denn sie fressen überwiegend Insekten. Aber eine Beobachtung ist bemerkenswert: Wenn sie Junge haben, sind sie hemmungslos. Mir ist noch nie ein Spatz oder eine Drossel auf die Hand geflogen, in der ich Futter hatte, aber mehrere Meisen schon.

Die wenigen Schlüsse, die man aus einzelnen und vielleicht sporadischen Beobachtungen ziehen kann, lassen kein fundiertes Urteil zu. Die Beobachtungen müssen breit und über einen längeren Zeitraum angelegt sein. Dann kann man auch generalisieren und sagen : Die Drosseln sind vornehmer als die Spatzen!

Und so hatten unsere Profs wohl doch recht, wenn sie uns mit dem oben genannten Thema quälten.


Urego

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Kommentare (5)

ehemaliges Mitglied dass mir schon der Titel dieser kleinen Geschichte "Der Spritverbrauch des Maikäfers im Rückenflug" sehr gefiel und mich neugierig gemacht hat. Ich wurde beim Weiterlesen nicht enttäuscht. So ganz nebenbei erfährt man Interessantes und Wissenswertes. Sowohl über Drossel, Spatz & Co, als auch über den Autor selbst. Dies allerdings eher zwischen den Zeilen. Danke für den Lesegenuss!

Herzliche Grüße
Fred Lang
groschbmich Sehr schöne Beschreibung über das Verhalten und die Zutraulichkeit vermeintlicher 'Wildtiere'. Die nächste Generation sollte sich schon auf Deine Hand setzen - versuche es einmal.
Liebe Grüße,
Bernd
tilli Nach deinem Blog, kann ich die Vögel jetzt besser verstehen.
Ich wohne in einer kleinen Stadt, aber habe das Glück in der Nähe des Waldes zu sein.
Ich kaufe im Winter die Körner für die Vögel.Die Amsel ist größer und verschafte sich immer als erste den Zugang zu den Futerstand.Keiner der kleinen Spatzen, wagte sich heran.Die Amsel verscheuchte sie ja immer. Dann ist mir aufgefallen,das wenn einer Spatz beim Futerstand war,haben die anderen gewartet bis der abgeflogen ist.So ist es wunderbar zu sehen,dass die Vögelein, bessere Manieren haben wie manche Menschen, die sich vordrängen.Ja,und das die Starken Großen, immer die erten sein werden.
Schön, das du diesen Blog geschrieben hast.
Viele Grüße Tilli.
Urego Hallo Ortwin,

Sei froh, daß Du Deinen Spatzen noch hast, auch wenn er zum Tragen zu schwer ist. Aber in Gedanken tust Du das bestimmt.

Auf die Idee mit dem Beobachten von Spatzen und Drosseln kam ich, weil ich Langeweile hatte, aber auch weil mir mein Jugendfreund, der einmal auf Hawaii in Urlaub war eine Geschichte erzählte:

Er berichtete mir, er habe morgens am Frühstückstisch, natürlich im Freien, eine ältere Dame beobachtet, die sich auf kuriose Weise der Spatzen erwehrte. Immer, wenn sie ihr zu nahe kammen und ihr quasi das Brötchen aus der Hand picken wollten, nahm sie eine Wasserpistole und schoß auf sie. Dies Bild habe ich mir immer vorgestellt und fand es sehr komisch.

Dies Verhalten der Vögel habe ich leider nie feststellen können, denn ich wollte damit vor meinen Enkelkindern angeben.

Das unflätige Verhalten der Drosseln mit ihren Hinterlassenschaften berührt mich weniger, denn es fällt in das Ressort meines"Spatzens".

Urego
ortwin Eigentlich ging es nicht um die Unterschiede der Zutraulichkeit der gefiederten Sänger.

Ich saß am Gendarmenmarkt auf einer Bank zum Ausruhen der schwergewordenen Gehwerkzeuge. Spatzen, so richtige, domestizierte Stadtspatzen holten sich die kleinen und größeren Brotkrumen, die junge Leute ihnen zuwarfen, sie flitzten auch auf den Tisch und stiebitzten mal eben was vom Teller. Die Taube kam angewatschelt, die Spatzen schnappten schnell ihre Beute und nahmen Reißaus.

Die Eltern hatten ihren Garten unterm Kreuzberg in Bonn. Sie fütterten die kleinen und großen Gäste mit selbsthergestellten Schmelzflocken sommers wie winters. Eine Vielfalt von Vögeln kam herbei und holte sich ganz zutraulich die Malzeit - im Sommer vom Teller oder aus der Laube, im Winter aus dem hängenden Futtersilo, das gegen die großen Räuben mit Kükendraht geschütz war. Die Alten flogen an brüteten ganz in der Nähe oder in den "Starenkästen" - sie brachten ihre Jungen mit. Eine schönere Lehrstunde konnten wir Kinder nicht bekommen - wir lernten die Gesänge zu unterscheiden. Ich habe mal die Bilder der Vögel aus einem Katalog herausgepickt: 16 habe ich zusammengekriegt, ohne die Großen.

Wenn ich mit meinem "Spatz" über den Friedhof in Baumschulenweg zu den Gräbern wandere, dann - mein Spatz ist schwerhörig - bin ich der Souffleur, der das Mädel darauf aufmerksam machen darf.

Und wenn wir hier in Ingolstadt auf dem Balkon dem Treiben in Hainbuche und Kastanie zusehen, dem Geschmetter der Amseln in ihrem Wettstreit zuhören dürfen, dann sind wir Beide so dankbar, dass wir die Zeit zum Entdecken und Zuhören haben.
Nur eines ist ein wenig unfreundlich: wenn die Amseln Platz auf dem Balkongeländer nehmen und sich dann von weißem Inhalt lösen - auf den schönen Freilandteppich.

ortwin

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