Die böse Bäckerei


Die böse Bäckerei


Taschengeld, so hat man ihr stets gesagt, sei nicht nötig. Wann immer sie etwas brauche, solle sie es einfach sagen. Sofern es sinnvoll erscheine, würde es ihr dann von den Eltern gekauft werden.

Hingegen hätte sie es immer für sinnvoll erachtet, ein wenig Kleingeld dabei zu haben, wenn ihre Schulkameradinnen wie selbstverständlich nach der Schule zum „Büdchen“ gingen, um sich eine kleine Nascherei zu kaufen. Sie trottete stattdessen sofort zum Bahnsteig, um auf die Bahn nach Hause zu warten; ihr Neid, wenn die anderen Mädchen mit Kaugummi, weißen Mäusen, roten Erdbeerchen oder sonstigem Zuckerzeug in kleinen, spitzen Tüten kamen und mit ihr die Bahn bestiegen, war unermesslich. Ab und an erbarmte sich eine ihrer Mitschülerinnen und bot ihr aus ihrer kleinen Tüte etwas an, oder sie fischte mit spitzen Fingern etwas heraus und reichte es ihr.

So kam es, dass sie eines Tages an die Geldbörse ihrer Mutter ging. Nur 50 Pfennig, um sich einmal nach Herzenslust auch das kaufen zu können, wonach ihr war. Sie war in der 7. Klasse, und noch nie hatte sie sich selbst etwas gekauft. Entsprechend unbeholfen hat sie sich dann in der Bäckerei angestellt, die nahe der Turnhalle lag, wohin sie mittwochs nachmittags zum Turnen gehen sollte. Mit dem Bus war sie in die Innenstadt gefahren, und der Vater würde sie nach der Turnstunde abholen.

Rote Erdbeerchen kaufte sie und andere Herrlichkeiten. Ein Rausch auf dem kurzen Weg zur Turnhalle. Sie bedauerte, das alles jetzt sofort aufessen – ja, in sich hineinstopfen - zu müssen, aber sie hatte keine andere Wahl. Die Eltern durften ja keine Reste finden, sonst würde es zu unangenehmen Fragen kommen.

Nach dem Turnen wurde sie also abgeholt. Gut daheim, merkte sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Mutter kam mit drohendem Gesicht auf sie zu.
Aus der Bäckerei hatte man angerufen und mitgeteilt, dass sie dort ihre Monatskarte liegen gelassen hatte.

Nun gab es Erklärungsbedarf. Darüber enttäuscht, dass sie ihren Eltern Geld stehle, dass sie doch alles hätte … nein, das hätten sie niemals von ihr gedacht. Aber am schlimmsten: dass sie so doof sei, sich dabei erwischen zu lassen und die Monatskarte liegen lasse.

Als sie das Thema nach mehreren Monaten endlich vom Tisch glaubte, hatte der Vater eine grandiose Idee. Bei ihrer Hochzeit, so plante er, werde er unmittelbar vor der Trauung mit ihrem künftigen Ehemann an der „bösen Bäckerei“, wie er sie nannte, vorfahren. Dann würde er ihm die Geschichte vom geklauten Geld und von der vergessenen Monatskarte erzählen. Dann könne der junge Mann immer noch entscheiden, ob er sie wirklich heiraten wolle.

Ja: Im ersten Moment kommt die Geschichte wohl lustig daher, vor allem die „Drohung“ am Ende. Als Kind aber glaubt man das und fürchtet fortan nicht nur den Vater, sondern auch den künftigen Ehemann: Ob dessen Liebe groß genug sein wird, das Vergehen eines Diebstahls von 50 Pfennig zu tragen?
 


Anzeige

Kommentare (5)

ehemaliges Mitglied

Als Kinder liebten wir auch diese "bunten Tüten" und meine Freundin und ich mußten täglich eine große für die Schwester meiner Freundin am Kiosk einkaufen. Leider bekamen wir nie etwas von den Leckereien ab, wirklich nie. Und eigenes Geld hatten wir auch nie um uns manchmal etwas davon zu gönnen. Und so kam meine Freundin auf die Idee, ein paar Teile aus der Tüte zu mopsen und zu vernaschen. Wir klaubten uns eine kleine Erdbeere und ruck zuck war sie verspeist. Unsagbar lecker!!! Vielleicht noch ein zweites Teilchen? Wir konnten leider nicht nein sagen und kauten schon auf den nächsten Teilen herum. Und die Gier nach weiteren Naschereien aus der Tüte konnten wir nicht aufhalten.😆Wir haben die Tüte vollkommen geleert und alle Gummitiere, Erdbeeren und Lakritz aufgefuttert. Der Schwester haben wir das leere, zerknüllte Tütchen in die Hand gedrückt und sind lachend und grölend aus ihrem Zimmer gerannt.
Und die Moral von der Geschicht: Wer teilt, geht nicht leer aus!😉

ahle-koelsche-jung

Schmunzel schmunzel über diese nette Story. 
Ja an die kleinen weißen Tütchen mit dem leckeren Inhalt kann ich mich auch noch sehr gut erinnern. Sehr oft wurde am Büdchen die Ecke rum auch Esspapier gekauft.
Die leckeren "Zucker Erdbeeren" kauf ich auch heute noch.

Aber nun zu der Moral deiner Geschichte:
Gewußt wie!  man Kinder mit Worten erziehen kann, auch ohne das es weh tut.

Dies ist bestimmt eine wahre Geschichte aus deinem Leben 😉

VG a-k-J

 

Christine62laechel

Tja, was man sehr begehrt, das kann sogar zu einem kleinen Verbrechen führen... Ich bekam nie Taschengeld, und wollte mal einen Teil vom Rest behalten, als ich kleine Einkäufe für meine Mutter gemacht hatte, so mit 6 Jahren. Das Schuldgefühl musste an meinem Gesicht klar sichtbar sein, denn sie hat das Geld verrechnet, und gesagt, da stimmt etwas nicht. Natürlich habe ich dann auch die "gestohlenen" paar Münzen zurückgegeben. Dreimal in meinem Leben hat sich meine Mutter gut verhalten, was mich anbetraf. Das war eines davon: Sie hatte einfach nichts gesagt. Ich habe nie wieder so etwas versucht.

Diese Geschichte am Ende dieses interessanten Eintrags... In einer Familie, wo man sich liebt, und sich gerne Witze macht, wäre es sogar amüsant. Nur unter der Bedingung aber, finde ich.

Mit Grüßen
Christine

werderanerin

Und deshalb ist es gut, dass Kids heute, je nach Alter ein gewisses Taschengeld bekommen. Es geht ja nicht nur darum, das eigene Geld "einzuteilen" und darauf zu achten, dass man es möglichst gut anlegt.

Es geht ja vor allem darum, Kindern den Umgang mit Geld beizubringen, auch wenn sie ja erst mit dem ersten, eigenen Geldverdienen wirklich wissen, wie schwer es ist Geld zu verdienen. 

Im Übrigen denke ich auch, dass der Zukünftige vielleicht nur herzhaft gelacht hat...oder ?

Kristine

nnamttor44

Liebe Tannenmütterchen,

eigentlich hätten die Eltern ein wenig Einsehen von vornherein haben müssen und ihre Tochter durch ihr eigenes Unverständnis nicht dazu bringen dürfen, dass sie die Mutter bestahl ...!!

Da meine Schwestern und ich als Halbwaisen aufwuchsen, war unsere Oma Mutter-Ersatz. Natürlich war sie einerseits liebevoll, andererseits aber sprach sie, wenn sie es für nötig hielt, natürlich auch über unsere Verfehlungen mit ihrem Sohn, unserem Vater.

Dazu gehörte es, dass wir Mädchen jeden Tag eine Stunde Klavier zu üben hatten. Nicht immer hatte ich Lust, eine ganze Stunde Tonleitern oder neue Stücke zu üben, ließ auch manchmal nach einer dreiviertel Stunde das Klavierspielen und verschwand nach draußen, Fahrrad fahren. Sowas "petzte" Oma dann, wie ich empfand. Unsere Wohnung lag doch über dem väterlichen Salon, wo er durchaus hörte, ob Klavier geübt wurde.

Ich hatte mit etwa 9 Jahren angefangen, ein Tagebuch in einem Heft zu schreiben und schon auf der zweiten Seite malte ich einen drohend erhobenen Arm, der der Oma die Faust zeigte, weil sie mich mal wieder verpetzt hatte. Als ich das weitere Geschehen niederschreiben wollte, fand ich mein Tagebuch nicht mehr.

Am Hochzeitstag erhielt ich mit verbaler Erklärung von meinem Vater vor versammelten Hochzeitsgästen dieses Heftchen zurück, keineswegs mit einer Entschuldigung, sondern mit der verbalen Erklärung, so könne es gehen, wenn man drohe!!

Auch hier sehe ich es so, dass er nicht mich als nun erwachsene Frau vor der Familie blamierte, sondern sich selbst! Das war eine Ungezogenheit seinerseits, die sowohl in meiner Kindheit hätte anders gelöst werden müssen, als auch über 10 Jahre später als Vater der Versuch, seine Tochter an ihrem Ehrentag bloß zu stellen!

Aber so waren die Zeiten ...


Anzeige