Die christliche Madonna: Imagination des Männlichen und Erfassung weiblicher Reaktionen:



[Ergänzungen am 24.08.08)
Dieser Text sollte im Forum zu Pelagias Beitrag über Madonnen (der komischerweis schon geschlossen ist…) erscheinen und hier als analytische Beitrag erscheinen.





Reales und Fiktives bei Mutter und Kind


Max Ernst:
"Die Heilige Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen: A.B., P.E. und dem Maler"

(1926 Öl, 195 x 130 cm. Sammlung Madame Krebs, Brüssel)


Motto:


Jesaja 7,14: "Deshalb wird euch die Herrschaft [Adonaj] selbst ein Zeichen geben:
Seht, die junge Frau wird ein Kind empfangen, sie wird ein Kind gebären und sie wird ihm den Namen ‚Gott ist mit uns’ [Immanuel] geben."
(Nach hebräischer Überlieferung; in der Übersetzung nach „Bibel in gerechter Sprache“.
Ich persönlich möchte Immanuel mit ‚Gott sei mit uns’ übertragen.


Um diese „junge Frau“ geht es bei der leichtsinnig "Gottesmutter" genannten Maria oder hoffnungsverheißenden "Madonna".

Vgl. die jüdische Auslegung der drei hier relevanten Jesaja-Sprüche:

Jüdisiche Deutung

Wer die Ideenfolge Gott Vater, Gott Sohn; Jungfrau etc. (und der Ableitung "Mann=Herr/Weib=untergeordnetes Wesen" als politische, soziale, emotionale und sexuelle Ordnungen) verwendet - verwechselt die Zielvorstellungen seiner gattungsgemäßen, patriarchalen Herrschaftsideen mit den Methoden seiner tausendjährigen Gewalt-Maximen in Göttereien, Krieg, Dogmatik und unfriedlichen, unaufgeklärten, spukhaften und unmenschlichen Dominanzen.



1. Einleitung:

Emotionale und sexuelle Imaginationen des Männlichen und weibliche Reaktionen auf solche Angebote:

Mädchen, Jungfrau, Frau/Weib/Geliebte (… und als 'Gottesmutter' Madonna) –

Werbezeile einer SPAM-Verkündigung: „So werden Sie von jeder Frau vergoettert!“

„Venedig liegt am Schulterblatt“, so nennt Ulrich Tukur die für mich wichtigste Story seinem Kurzgeschichtenband „Die Seerose im Speisesaal“. Fotos von Katharina John. 216 Seiten. € 18,00. Claassen Verlag. S. 103-121)

http://images.buch.de/images-adb/3b/0d/3b0d66dc-e01a-434f-b8b2-6e33fa68655f.jpg
[/img]

[... wird noch korrigiert!]


Zu einem literarischen Text:
Auf diesen Seiten erleben Leser (und hoffentlich auch Leserin; und insbesondere Gottes-Denker) eine Urszene, wie ich sie aus Literatur nicht kenne; in der Psychologie nur ansatzweise diskutiert wird; in der Theologie gar nicht, da sie dort zum Geheimsten gehört, was Männer über Götter und ihre Kopulationstechniken mit irdischen Jungfrauen sich ausgedacht haben seit Jahrtausenden (gemäß den Phantasie von Herrschern, Priestern und Frauengebietern, die sich patriarchaler Macht, betäubender Religion - oder auch in Kunstbeispielen geübt haben).


Der vorpubertäre Junge Arturo Rosso erlebt in einer fremden Wohnung, wo ihn die Mutter hingeschickt hat, einen Liebesakt zwischen der Frau Marcelle, die ihm flüchtig bekannt ist, und seinem Vater:

Tukur erzählt im Zentrum seiner Geschichte ein überraschendes Geschehen zwischen Sohn und Vater - und dessen Geliebte:


[i]Sein Vater und diese Marcella hätten sich doch sonst nicht am hellichten Tag in einem dunklen Zimmer versteckt wie Diebe! Warum sie aber ohne ein einziges Kleidungsstück auf ihm herumgeritten war und er es sich gefallen ließ, verstand er nicht. Und daß ausgerechnet sie die ganze Zeit geschrien hatte, war ihm ebenfalls ein Rätsel; im Falle seines; Vaters hätte er es schon eher eingesehen, denn wenn sich jemand von der Leibesfülle Marcellas auf einen herabsenkte, dann mußte man ja irgendeinen Laut von sich geben. Oder hatten die beiden sich mit einem Spiel beschäftigt, das nur Erwachsene spielten, wenn sie etwas Verbotenes taten? Warum aber mit einer fremden Frau und nicht mit seiner Mutter? War sein Vater vielleicht krank oder verrückt und brauchte Hilfe und Marcella auch? Arturos Kopf drehte sich wie ein Karussell, auf das die Gedanken aufsprangen, um ein Weilchen im Kreise zu fahren und dann wieder anderen Platz zu machen.
In der Nacht konnte er nicht schlafen und starrte langte an die Zimmerdecke. Da schlugen die Glocken von San Domenico die zwölfte Stunde, und sofort sah er wieder Marcella vor sich, ihren nackten Leib, das blonde Haar, den magischen Lichtstrahl auf ihren Brüsten und die stete Bewegung ihres Körpers, als wollte er sich in die Luft erheben und davonfliegen. Er hatte einen Engel gesehen! Auf den großen, dunklen Gemälden, die in den Kirchen der Stadt hingen und vom Leben Christi erzählten, schwebten immer irgendwo am Rande Engel in den Lüften, und sie alle sahen aus wie Marcella, mit dem einzigen Unterschied, daß sie vielleicht ein wenig feingliedriger waren. Natürlich, das war es! Er hatte ein geheimes, religiöses Ritual beobachtet, in das er vielleicht selbst irgendwann einmal eingeführt würde und an das er jetzt in einer Mischung aus Entzücken und Schauder zurückdachte.

*
(Ende des Zitats. Das Geschehen zwischen den Figuren und insbesondere in Kopf, Herz und Phantasie des noch nicht zehn Jahr alten Jungen geht weiter…)

*

Nicht die Madonnenfigur des realen Erlebnisses des Sohnes; aber eine der vielen antiken Vorbilder der Frauenfigur, die von einem Gott heimgesucht wird:

Correggios "Danae" (in Rom), als lebensnaher Frauentypus

http://www.kunstkopie.de/a/correggio-eigentl-antonio/danae-13.html
[/img]

Diese Wahrnehmungen, insbesondere der sinnliche und sittliche Übergang einer ihm völlig überraschenden und unverständlichen Liebesszene und die jungenhafte Kompensation der Frau als Madonnenfigur, haben mich veranlasst, dem Madonnenbild junger Knaben und dem sexuell reifer Männlichkeiten nachzugehen; einschließlich des Versuchs von Frauen, aus solchen Imaginationen Trost, Beglückung und Zurückhaltung, gar Enthaltsamkeit zu stilisieren.

Den Aufsatz will ich jetzt hier im BLOG untergebracht; da ich an einer Diskussion interessiert.

**

2. (... in weiteren Fortsetzungen:)

**

2.1. Analyse der männlich-weiblichen und familiären Zusammenhänge - bezogen auf das Kindswohl des Jungen Arturo - in Tukurs Geschichte


**

2.2 Erläuterungen zu literarichen Bildern, zu ästhetischen Vorlagen; zur Psychologie weiblicher Leistung und Unterordnung

(Forts. folgt)

2.3

[i]Beispiele für
Maria als Mutter oder Madonna in Gedichten und Liedern


Das Bild der wiegenden Gottesmutter "droben auf dem Berge" gehört sicherlich zu den bekanntesten Wiegenliedern mit biblischem Hintergrund. In der romantischen Liedersammlung "Des Knaben Wunderhorn" (1806/1808) haben Achim von Arnim und Clemens Brentano eine Version dieses Wiegenliedes dokumentiert, die von der Gottesmutter und ihrem Kind handelt.
In seiner epochalen Textsammlung "Ewiger Vorrat deutscher Poesie" (1926) präsentiert dagegen Rudolf Borchardt den Text eines schlesischen Volksliedes aus dem 18. Jahrhundert, das die Szene erweitert.

Unbekannter schlesischer Dichter
Wiegenliedchen

Da droben auf dem Berge da wehet der Wind,
Da sitzet Maria und wieget ihr Kind,

Sie wiegt es mit ihrer schloweissen Hand
Da zu braucht sie kein Wiegenband.

>

>

Auf dem Berge da wehet der Wind
Da wieget Maria ihr Kind -

Die Momente der Beruhigung und des Behütetseins, die von einem Wiegenlied in der Regel ausgehen, weichen hier einem Bild der absoluten Verlassenheit von Maria und Josef in finsterer Kälte. Das Begütigende dieses "Wiegenliedchens", das man in den meisten Sammlungen mit Weihnachtsliedern findet (mit der Variante: "Und schützen dem schlummernden Kindlein die Ruh, Sie bringen ihm Blumen vom Paradies") ist hier ins Gegenteil verkehrt. Die heilige Familie wird gezeigt in äußerster Schutzlosigkeit.

Text nach:
Text nach dradio.de

**

Karl May:
Es will das Licht des Tages scheiden – Ave Maria
(Text und Komposition für Männerchor von Karl May)


1.
Es will das Licht des Tages scheiden;
es tritt die stille Nacht herein.
Ach könnte doch des Herzens Leiden
so wie der Tag vergangen sein!
Ich leg mein Flehen dir zu Füßen;
o, trag’s empor zu Gottes Thron,
und lass, Madonna, lass dich grüßen
mit des Gebetes frommem Ton:
Ave Maria!

2.
Es will das Licht des Glaubens scheiden;
es tritt des Zweifels Nacht herein.
Das Gottvertraun der Jugendzeiten,
es soll mir abgestohlen sein.
Erhalt, Madonna, mir im Alter
der Kindheit frohe Zuversicht;
schütz meine Harfe, meinen Psalter;
du bist mein Heil, du bist mein Licht!
Ave Maria!

3.
Es will das Licht des Lebens scheiden;
es tritt des Todes Nacht herein.
Die Seele will die Schwingen breiten;
es muss, es muss gestorben sein.
Madonna, ach, in deine Hände
leg ich mein letztes, heißes Flehn:
Erbitte mir ein gläubig Ende
und dann ein selig Auferstehn!
Ave Maria!

*
Weitere Angaben:
http://deutsch.agonia.net/index.php/poetry/99171/index.html

**

Der Schriftsteller Bert Brecht war Zeit seines Lebens ein
besonders aufmerksamer Religionskundler; bösartige Stimmen nennen ihn einen "scharfen Religionskritiker"; er war einer, der den christlichen Urauftrag des NT so ernst nahm wie hunderttausende Priester, Kardinäle, Päpste.

Er ist und bleibt ein christliches Urgewissen der Moderne, der Literatur als einer moralischen Anstalt des Mitleids als Mitleiden.

Seine lyrischen oder dramatischen Figuren, auch die christlichen Urtypen, denen er nachschrieb, stimmen eher mit den Geboten der christlichen Nächstenliebe und Feindesliebe überein, als kirchliche-administrative Verlautbarungen, Moralzwänge und Dogmen es erreichen können.
So stimmte es, als er auf die Frage nach seinem Lieblingsbuch antwortete: "Sie werden lachen, die Bibel."

Entsprechend wird Brecht kirchen-offiziell und kultur-konservativ als Kommunist verhöhnt oder ignoriert (er, ein literarischer Christus!)

Bertolt Brecht:
Maria

Die Nacht ihrer ersten Geburt war
Kalt gewesen. In späteren Jahren aber
Vergaß sie gänzlich
Den frost in den Kummerbalken und rauchenden Ofen
Und das Würgen der Nachgeburt gegen Morgen zu.
Aber vor allem vergaß sie die bittere Scham
Nicht allein zu sein
Die den Armen eigen ist.
Hauptsächlich deshalb
Ward es in späteren Jahren zum Fest, bei dem
Alles dabei war.
Das rohe Geschwätz der Hirten verstummte.
Später wurden aus ihnen Könige in der Geschichte.
Der Wind, der sehr kalt war
Wurde zum Engelsgesang.
Ja, von dem Loch im Dach, das den Frost einließ, blieb nur
Der Stern, der hineinsah.
Alles dies
Kam vom Gesicht ihres Sohnes, der leicht war
Gesang liebte
Arme zu sich lud
Und die Gewohnheit hatte, unter Königen zu leben
Und einen Stern über sich zu sehen zur Nachtzeit.
(1922)


*

Weitere unkonventionelle Marien-Gedichte:

http://religion.orf.at/radio/gedankentag/ge010813.htm

***

Weitere Erarbeitung erfolgt täglich.

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Kommentare (3)

Medea "Seerose" sollte das heißen - das Fehlen nur eines Buchstabens
wirkt sich hier völlig entstellend aus. Tut mir leid.
Medea Ich bin fast erschlagen Longtime von deinen Ausführungen -
Die "Seerse im Speisesaal" von Ulrich Tukur muß ich mir erst einmal besorgen, habe vorher noch nie davon gehört, ich denke, auch auf die übrigen Kurzgeschichten darf man/frau gespannt sein.

Die "Madonna mit dem Kind" hat in den verschiedendsten Zeitepochen
unterschiedlichste künstlerische Interpretationen erfahren - ein Steinmetz sah sie anders als ein Holzschnitzer oder Maler. Das lediglich zum Äußeren.

Grüße von mir.
pelagia auf Deinen Beitrag bin ich gespannt und freue ich mich. Vielleicht ist dieser Ort besser gewählt für eine hoffentlich gute Diskussion zum Thema.

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