Die Geduld gilt als eine Tugend. Beim Arbeiten, in einer Beziehung, zu den Familienmitgliedern, zu kranken Menschen… Ohne Ende?
 
   Wenn eine Arbeit Geduld benötigt, muss man sie zu Ende geduldig machen, wenn gemäß dem Arbeitsvertrag. Wenn eher eine Art Hobby, kann man jederzeit darauf verzichten. Eine kranke Person, unabhängig vom Alter, oder ein kleines Baby, sollten so viel Geduld von den Mitmenschen (oder von fremden Betreuern) genießen können, damit sie sich absolut komfortabel fühlen können.
 
   Was eine Beziehung, Familie, oder Kinder und Jugendliche – beruflich - anbetrifft, da gibt es schon Grenzen. Wenn jemand die nicht setzen kann, wird wahrscheinlich Probleme haben, oder etwas ganz verlieren. Und der andere Mensch, dem die Grenzen nicht gesetzt werden, der verliert auch mit.
 
   Mich als Lehrerin interessiert die Frage der Geduld im Umgang mit Kindern und Jugendlichen ganz besonders, natürlich. An einem Beispiel aus den letzten Tagen möchte ich darstellen, wie ich gehandelt habe, als ich im Unterricht meine Geduld zu verlieren beschloss. Ich beschloss – dies war also meine Entscheidung, und nicht etwa, dass mich meine Schüler dazu gezwungen hatten.
 
   Also, drei Fünfzehnjährige (Erstklassler einer Oberschule also) drehten sich im Unterricht immer wieder um, flüsterten miteinander, sprachen ohne Zweifel über mich, und lachten. Natürlich machte mir das kaum etwas aus, zu lange bin ich als Lehrerin tätig, doch sie störten mich und die Gruppe. Ich sagte mehrmals ganz ruhig: Hört bitte auf, wir haben hier etwas zu tun. Oder ähnlich.
 
  Meine Geduld ließ mich ein wenig abwarten. Bei schlechtem Wetter werden die Jugendlichen besonders lästig. Oder haben sich in der neuen, großen Schule, noch nicht ganz abgefunden.
 
   Beim dritten sprichwörtlichen Mal habe ich anders reagiert. Ich bat ganz ruhig und freundlich den aktivsten Jungen, einen Martin, nach vorne zu kommen. Unmöglich, dass er unfreundlich antworten würde, oder sagen, ich habe kein Recht, ihm zu befehlen, usw., das ahnen meine Schüler schon. Er stellte sich vor die Tafel. Und ich – habe seinen Platz in der Schulbank genommen. Mit seinen Kameraden habe ich gelacht, und tat, als ob wir uns über ihn unterhalten würden. Ich kontrollierte die Situation, ob es für den Martin doch nicht zu peinlich war. War es nicht; zwar stand er ein wenig verlegen da, in seinen Augen konnte ich aber noch etwas sehen: Anerkennung. Nicht nur in dem Sinne, dass es ihm einfach auch gefallen hat. Auch in dem Sinne, dass diese kleine Strafe – haben wir doch keine Angst vor dem Wort – ihn nicht mehr geschmerzt hat, als es meine Absicht war. Er hat sie akzeptiert.
 
   Ob ich ihn schon für immer artig gemacht habe? Na ja, mit den Fünfzigjährigen ist es so eine Sache… Wenn nötig, lasse ich mir aber wieder etwas – etwas Anderes natürlich - einfallen. Keine Geduld ohne Ende.
 


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Kommentare (6)

Rosi65

Liebe Christine,

ein Pädagoge muss eine Vielfalt an positiven Eigenschaften für seinen Beruf mitbringen.
Dazu gehören gute soziale und fachlicher Kompetenzen, wie Einfühlungsvermögen, Geduld, Nervenstärke, Ausdauer und Flexibilität. Er sollte diesen jungen Menschen Halt und Orientierungshilfen anbieten, sie motivieren können und sie respektieren. 
Aber er muss ihnen auch ganz konsequent Grenzen setzen, damit sie lernen bestimmte Regeln nicht zu übertreten.
Es ist ein schwerer Beruf, der nur gute Erfolge aufweist, wenn der Lehrer zusätzlich Leidenschaft, Persönlichkeit, Überzeugungskraft und Freude an der Unterweisung mitbringt.
Er muss seine Arbeit lieben und es richtig gerne machen, denn das spüren die Schüler sofort mit ihren feinen Antennen, und fühlen sich dann auch als Mensch ernst genommen.Diesen "Vollblutlehrer" werden sie nicht nur akzeptieren, sondern sehr gerne mögen. Und sie werden ihrem "Vollblutlehrer" sogar ein paar Schwächen verzeihen, falls er mal einen Tag nicht so gut d`rauf ist.

Liebe Christine, ich bin mir sicher, dass Du auch eine tolle "Vollblutlehrerin" bist, denn Du beschäftigst Dich ja sogar in Deiner Freizeit gedanklich mit ihren Problemen.
Deine Schüler lieben Dich ganz bestimmt! Sie können es nur nicht immer so richtig zeigen, weil es etwas uncool wäre.😘

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So etwas wird Dir nie passieren!!!


Herzliche Grüße
  Rosi65

 

Christine62laechel

@Rosi65  

Liebe Rosi, ich kann ganz stolz behaupten, dass mich meine Schüler auch wirklich mögen. Als wir noch Papier-Wörterbücher im Unterricht gebrauchten, habe ich mal in einem auf der letzten Seite eine diskret kleine Aufschrift gelesen: "Ich liebe Frau K.J." (da stand keine Abkürzung). Mich also. :)

   Welche Schwächen habe ich natürlich auch, wie sonst. Ich spreche zum Beispiel nicht richtig das "r" aus - es klingt glücklicherweise richtig, wenn ich auf Deutsch spreche. :) Doch niemand lacht darüber. Und vor Jahren habe ich mal erst nach einer Unterrichtsstunde bemerkt, dass mein Hosenreisverschluss offen steht, nach dem Toilettenbesuch in der vorigen Pause. Klar war es zu sehen, damals war ich noch ganz schlank, und trug kurze Shirts. Keiner hatte gelacht, ja niemand wohl bemerkt. Bei einer gehassten Lehrerin wäre es ja schon Grund zum Verspotten, nicht wahr?

   Ich sehe meine Pflicht jedoch auch darin, den Lieblings beizubringen, dass man Sympathie nicht unbedingt mit Witzen vorzeigen sollte. :)

Mit lieben Grüßen
Christine

HeCaro

Liebe Christine, 
jedesmal wenn ich von solchen oder ähnlichen Vorkommnissen mit Schülern höre denke ich,
dass ich als Lehrerin völlig ungeeignet wäre.  Ich bewundere Dich sehr,  dass Du so gut mit
Respeklosigkeit umgehen kannst. Du hast diese Situation souveran gelöst.  Bravo.  Ich hätte die
Geduld dafür nicht. 

Liebe Grüße. Carola 

Christine62laechel

@HeCaro  

Danke schön, liebe Carola, für Deine netten Worte. Ich bin übrigens eine Ausnahme in meiner Familie: Da ist und war niemand je Lehrer oder Lehrerin, und niemand singt! Mein Bruder wollte in den 70. kurz einen Bekannten als Lehrer an einer Berufsschule ersetzen (damals war es möglich, ein Ingenieur ohne ein pädagogisches Studium). Er erzählte, dass ihn die Schüler von Anfang an ignoriert hatten. Er versuchte sogar zu brüllen. Na, das muss man auch können, und wissen, wann... 😁

Mit herzlichen Grüßen
Christine

 

Roxanna

Das war ein sehr kluger Schachzug, liebe Christine, da sage ich Hut ab 👍. Fünfzehnjährige in der Pupertät können sehr ätzend sein. Das war ihm sicher eine Lehre, aber bis zum erwachsen werden, werden es wahrscheinlich noch ein paar mehr sein müssen. Dass er es annehmen konnte, spricht für ihn.
Geduld zu haben ist auch eine unserer schwierigsten Aufgaben, je nachdem, um was es sich handelt. Ich gebe zu, dass ich da noch etwas Übungsbedarf habe 😉.

Herzliche Grüße
Brigitte

Christine62laechel

@Roxanna  

Ja, liebe Brigitte, so ist es mit den Jugendlichen. Einerseits muss man viel Geduld haben, andererseits - wissen, wann man doch reagieren muss, und wie. Es gab hier in einem Nachbarort einen Fall, darüber konnte man sogar im Internet lesen, dass die Schüler einem Lehrer, einem Mann um 50, einen Müllkorb auf den Kopf aufgesetzt hatten, und das noch mit dem Handy verfilmt. Eine ganz dumme Geschichte, und, was ich in meinem Eintrag betont habe, da haben alle sozusagen verloren: Der Lehrer selbst, die daran beteiligten Jungs, und auch ihre Eltern. Die mussten sich aber schämen...
   Der Lehrer war zu lange geduldig, und wahrscheinlich ahnten die Schüler, dass er nicht reagieren können wird.

   Also, ich bin nur 160 cm groß, 58 kg schwer, mir aber einen Müllkorb aufzusetzen...? Auf die Idee kommt gewiss keiner. Die meisten, weil sie mich sehr mögen und respektieren. Die anderen - weil sie es doch nicht wagen, mich nicht zu respektieren... 😊

Mit herzlichen Grüßen
Christine


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