Die unbegabte Lehrerin 2

Autor: ehemaliges Mitglied

Schule 1

Es gibt Pädagogik-Studenten, die es kaum abwarten können, Schüler zu unterrichten. Für sie ist das Studium nur Mittel zum Zweck. Und genau so sollte es auch sein! Sicher werden auch sie zwar Enttäuschungen erleben, ihre Idealvorstellungen etwas zurückschrauben müssen und oft frustriert sein. Aber sie haben ihr Ziel erreicht und haben gute Chancen, darin optimale Arbeit zu leisten.
Bei mir war das Studium Selbstzweck. Ich mag zwar Kinder, wenn sie nicht en masse auftreten, und ich nahm mir auch vor, eine gute Lehrerin zu werden. Aber mein Traumberuf war es nicht.
Man kann nicht sagen, wir wären nicht auf den Schulalltag vorbereitet gewesen. Dafür hatten wir u.a. unsere Schulpraktiken und einige Male Hospitationen während des Studiums. Von daher war ich gefasst auf das, was dann auch eintrat.

Meine Mentorin war Klassenlehrerin eines 7. Schuljahrs. Das war auch die Klasse, mit der ich nach 1 Jahr die Zweite Staatsprüfung bestanden hab. "Bestanden" ohne jedes Adjektiv davor heißt soviel wie "gerade noch geschafft!". Und wäre der Rektor nicht mit dem Schulrat befreundet gewesen, wäre ich wohl durchgefallen! (Ich hatte ja immer das Glück, richtig nette Vorgesetzte und Kollegen zu haben).

Das siebte Schuljahr in der Volksschule ist besonders problematisch. Die Mädels sind in dem Alter körperlich und geistig weiter entwickelt als die Jungs. Diesen Vorsprung holen die Jungs natürlich in späteren Jahren wieder ein. Aber solang sie sich unterlegen fühlen – oft sind sie auch kleiner – müssen sie das kompensieren, meist durch besondere Großmäuligkeit und durch Frechheit.

Ich habe mir im Laufe des Referendarjahres einmal erlaubt, die Jungs von den Mädchen zu trennen. Da fehlte meine Mentorin und ich hatte die Klasse 4 Unterrichtsstunden lang! Jeweils 2 Stunden lang hatte ich erst die Jungs, dann die Mädels im Mikroskopierraum unter meiner Aufsicht und die anderen mit einer Aufgabe allein im Klassenzimmer. Es gab keine Probleme, und ich hatte die liebsten Kinder! Aber wir haben nun mal Koedukation, und meine Vorgehensweise war nicht erlaubt und darum Ausnahme.

Sonst ging es wie erwartet. Solange die Mentorin anwesend war, klappte es einigermaßen. Aber wehe, ich war allein mit den Kindern! Die nahmen mich einfach nicht ernst! Einmal habe ich beim Deutschunterricht meiner Mentorin hospitiert. Man definierte das Wort "sanftmütig". Da fiel einem Schüler tatsächlich ein, zu behaupten "die Frau ... ist sanftmütig", und die anderen stimmten zu! Ich war alles andere als glücklich darüber!

Und immer wieder der gute Ratschlag von Kollegen: "Sie müssen sich durchsetzen!" Na super! Wie denn? Sogar meine Mentorin, eine routinierte Lehrerin, kam keine einzige Unterrichtsstunde ohne Imponiergehabe, Drohgebärden und Schelte aus.

Bei den größeren Kindern und auch den 5. und 6. Schuljahren ging es mir jedoch auch nicht besser. Ich wirke einfach nicht respekteinflößend, auch heute nicht; nur stört's mich heute nicht mehr. Und – auf die Dauer gesehen – machte es mir auch keinen Spaß, immer vor der Notwendigkeit zu stehen, "mich durchzusetzen"!

Natürlich gab es in jeder Klasse auch kooperative Schüler. Aber ein paar Rabauken genügen, um den Unterricht kaputt zu machen. Im psychologischen Sinne wäre es ratsam, Störenfriede zu ignorieren, da ihre Motivation darin besteht, aufzufallen. Aber wenn man den Unterricht durchziehen will und auch muss, ist "Ignorieren" nicht möglich. Rauschmeißen ist natürlich auch nicht erlaubt.
Die Psychologie bietet gute Tipps, wie man ohne Gewalt Menschen manipulieren kann; das kann ja durchaus im guten Sinne geschehen, obwohl das Wort "manipulieren" natürlich einen üblen Beigeschmack hat. Aber alle diese guten Kniffe lassen sich meist nur bei kleinen Gruppen oder in Einzelfällen anwenden! Also bleibt oft nur Drohen, Einschüchtern. Manchmal – selten – klappt es auch mit Motivieren.

Ich hatte guten Kontakt zu der Rheinhauser Stadtbildstelle (die es heute natürlich nicht mehr gibt) und immer einen Vorrat an Tierfilmen, mit der ich so mancher Klasse (und mir!) die häufigen Vertretungsstunden erträglich gestaltete.

Zum Unterricht selbst: jede Unterrichtsstunde also jede 45-Minuten-Einheit soll mehrere Phasen enthalten: 1. Motivationsphase, 2. Erarbeitung 3. Zusammenfassung 4. Kontrolle (Selbstkontrolle, bzw. Anwendung). Eigentlich eine gute Sache, diese Strukturierung, doch nicht immer lief es so, nicht mal bei den Routiniers und Fachleitern im Seminar!!!

Und manches war auch übertrieben. So war z.B. die Englisch-Fachleiterin ein Fan von Gruppenarbeit. Gruppenarbeit ist in Fächern wie Physik, Chemie, manchmal auch Biologie oft sinnvoll, aber selten im Sprachunterricht. Nun ...jedem Tierchen sein Plaisirchen!

Mein Bio-Fachleiter legte besonderen Wert auf naturalistische Motivationsphasen, das war bei ihm absolutes Dogma!
Es gibt da in schulpädagogischen Werken herrliche Vorbilder, Beispiel: "auf einem Unterrichtsgang (!) - natürlich im Wald - finden die Kinder ein Eulengewölle. Hieraus ergeben sich dann Unterrichtsthema und Fragestellung und Methode. Klasse aber auch!
Selbst wenn ich mit meinem 7. Schuljahr mal einen Ausflug in den Wald gemacht hätte, und selbst, wenn jm. ein Gewölle gefunden hätte, die hätten nur ein müdes Lächeln dafür gehabt, die Mädels ein angeekeltes "igitt"! ...
Übrigens hab ich versucht, Gewölle im Zoo zu bekommen, und dort wurde mir versichert, die seien unergiebig, weil man den Eulen dort Küken zu futtern gibt, und deren Knochen sind weich.

Aber der Fachleiter bestand auf seinem Tick! In Menschenkunde war die Niere dran! Für die "Motivationsphase" musste ich auf jeden Tisch eine halbe blutige Schweinsniere klatschen!
Die Reaktion war natürlich "iiiiiiiiiih!", was ich voll nachempfinden konnte!

Ich hatte schon aufgegeben, jemals im Sinne der Seminarfuzzis zu unterrichten. Es gab natürlich auch einige gute Stunden und nette Erlebnisse mit einzelnen Kindern. Aber das Unangenehme überwog.

Meine erste Stelle nach der 2. Staatsprüfung war eine Grundschule. Dazu hatte mir der Rektor während des Referendarjahrs geraten, im Glauben, ich käme dort besser klar und wäre dort glücklicher.

Fortsetzung folgt




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