Die Werbung für das Land und seine Umgebung war schon im alten Jahrhundert keineswegs neu. Höflichkeit wurde sehr groß geschrieben.
War etwas zu klären, fragte man halt die nächste Obrigkeit des Dorfes. So auch in dieser kleinen, aber wahren Geschichte.
Es muß wohl Anfang des Jahrhunderts gewesen sein, die vornehme Gesellschaft aus der Stadt eroberte sich die ländliche Gemütlichkeit, erholte sich von den Strapazen des Alltags:


Die Frau Geheimrätin wünscht ihren Sommeraufenthalt in der Nähe des Fürstenwaldes.
Da sie weiß, daß der Andrang immer sehr groß ist, reist sie schon vor der Saison hin, um sich ein Zimmer nach ihrem Geschmack auszusuchen.
Durch den Dorfschulzen geleitet, findet sie ein Zimmer, mietet es für ihren Aufenthalt und reist wieder ab.
Zu Hause angekommen, fällt ihr ein, dass sie vergessen hat zu fragen, ob ein "WC" vorhanden sei. Mit WC meint sie natürlich ein Wasserklosett. Sie schreibt dem Dorfschulzen und bittet um Antwort.
Der Dorfschulze zerbricht sich den Kopf, was wohl ein "WC" sein könnte. Von so was Neues hat er noch nicht gehört in den ländlichen Kreisen.
Er fragt folgerichtig die nächste Obrigkeit, den Herrn Pfarrer, der sagt ihm, damit sei wohl die neue Wald-Capelle gemeint.
Der Dorfschulze schreibt nun der Frau Geheimrätin folgenden Brief und nutzt vorsichtshalber auch die gleiche Abkürzung wie Frau Geheimrätin:

"Sehr geehrte Frau Geheimrätin!
Ein WC ist hier vorhanden und liegt eine Viertelstunde vom Dorf entfernt, in Mitten eines prächtigen Waldes. Schon wegen seiner gesunden Lage sehr zu empfehlen.
WC ist geöffnet am Mittwoch, Samstag und Sonntag. Es empfiehlt sich, eine halbe Stunde vorher dazusein, weil der Andrang immer sehr groß ist.
Doch können, Gnädige Frau beruhigt sein, es sind ca. 60 Sitzplätze vorhanden. Bei schönem Wetter findet die Veranstaltung im Freien statt. Sonntags empfiehlt sich der Besuch ganz besonders, weil dann die Sache mit Orgelbegleitung vor sich geht.
Wir werden uns erlauben, Ihnen, Gnädige Frau, den besten Platz in Mitten duftender Kakteen zu reservieren. Die Akustik ist besonders hervorragend und schon von vielen Kennern bewundert worden. Selbst der zarteste Ton ist in allen Ecken zu hören und verbreitet ein tausendfaches Echo. Ein wohlwolliges Gefühl überkommt einem, sodaß man in Demut und Andacht die Knie beugt.
Wir haben für unsere Besucher, denen der Weg zu zeitraubend ist und die WC nicht schnell genug erreichen können, einen Autobusverkehr eingerichtet.
Stets zu weiteren Diensten für Sie bereit, verbleibe ich mit vorzüglicher Hochachtung Ihr
Dorfschulze".


PS: Ähnlichkeiten wären rein zufällig.


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Kommentare (2)

omasigi kenne ich.
Meine Mutter hat sie in einem Schulheft aufgeshrieben mit aehnlichen Geschichten.
Sie hat diese vorgelesen bei Betriebsfeiern oder auch Familienfeiern, damit keine
Langeweile aufkommt.
Aber sie ist immer wieder neu.
Danke dass Du sie hier aufgeschrieben hast.
guesse
omasigi
ehemaliges Mitglied Du hast Einfälle!
Diese Geschichte kannte ich noch nicht.
Sie ist ein zu empfehlendes Wundermittel,
zum fröhlichen Tagesstart.

Ein Dankeschön
von Alwite


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