Die Witwe

Es war einer jener heißen Sonntage, an denen sogar die Fliegen träge waren.

Der Dorfplatz lag in der prallen Mittagsonne. Das Kaffee, im Schatten einer riesigen Platane gelegen, war gut besucht; es saßen jedoch ausschließlich Männer jeder Altersklasse darin. Die Frauen waren zu Hause, wie es sich eben in südlichen Ländern so gehört.

Die Männer debattierten über das Wetter, die Politik und die Agrarpreise.
Der Pfarrer verließ die Kirche, überquerte den Platz und gesellte sich zu ihnen. Mit einer flüchtigen Handbewegung nach hinten in das Innere des Kaffees machte er seine Bestellung. Es war immer das Selbe, daher bedurfte es keiner Worte.

Plötzlich verstummte jegliche Unterhalten und alle Blicke richteten sich auf die gegenüber liegende Seite des Platzes.

Sie stand da, groß und hoch aufgerichtet, den Kopf erhoben, im Arm einen Korb. Sie war völlig in Schwarz gekleidet.
Die Wickelbluse spannte sich über ihren prallen Oberkörper und ließ die Brüste hervortreten und betonte gleichzeitig die schlanke Taille.
Der Rock war nach unten ausschwingend und bedeckte ihre Waden zur Hälfte. Die schlanken Fesseln steckten in hochhackigen Schuhen und betonten die langen Beine, die in leicht ausladenden Hüften mündeten.
Obwohl ihre Kleidung züchtig geschlossen und schwarz war, stellte sie die Sünde in Reinkultur dar.
Sie war eine Witwe, wie man bisher noch keine im Ort gehabt hatte. Sie war jung und schön und strahlte eine Erotik aus, die sie als Frau des Hühnerzüchters niemals hatte.

Das ebenso schwarze Kopftuch, nach hinten in einen Knoten gebunden, betonte ihr blasses, schönes Gesicht. Der sinnliche Mund war wie im Trotz aufgeworfen und das Kinn etwas nach vorne geschoben.

Ihre großen Augen waren voll auf die Männer vor ihr gerichtet, sie hatten einen spöttischen Glanz. Sie kannte ihre Wirkung und es bereitete ihr großes Vergnügen, daß die Männer sie so anstarrten.

Quälend langsam kam sie näher.

Einige der Männer fuhren sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen, wieder andere führten einen Finger zum Mund und starrten sie an. Keiner konnte sich ihrer Wirkung entziehen. Das Geräusch des surrenden Ventilators dröhnte in die Stille.

Sie blickte in die Runde und überlegte, welcher von den Männern es wohl ist.

Wer kam in manchen dunklen Nächten in ihr Haus, schlich die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf und schlüpfte unter ihre Decke? Welche Hand legte sich auf ihren Mund und welche Hand verhinderte es, daß sie Licht machte?
Sie hatte längst aufgegeben, es erfahren zu wollen.

Sie ertappte sich dabei, wie sie in manchen Nächten auf ihn wartete und ihr anfängliches Sträuben längst aufgab. Der Griff nach dem Schalter der Lampe war mehr eine Geste, als wirkliche Absicht.

Sie liebten sich, stumm, ohne Worte. Es war Erotik pur! Er erforschte ihre intimsten Wünsche, drang in Gefühlswelten vor, die sie vorher nicht gekannt hatte und entfachte eine Leidenschaft in ihr, die brennender nicht sein konnte.
Sie konnte sich nicht mehr erinnern, wie es früher war, als ihr Mann noch lebte, es war wie ausgelöscht.

Er sprach nie auch nur ein Wort. Er bedeckte ihren Körper mit Küssen und seine Hände ließen ihr den Himmel auf Erden erahnen. Wenn er in sie eindrang, geriet sie völlig außer Kontrolle und ihr Seufzen und leises Stöhnen waren die einzigen Laute, die man vernehmen konnte.
Er trug sie von einem Höhepunkt zum Nächsten und es schien ihr, als würde sie nie wieder auf die Erde zurückfinden.

Bevor der Tag graute verließ er sie ebenso stumm und unvermittelt, wie er gekommen war.


„Ich bringe die Eier!“
Ihre Stimme zerriss die Stille und der Bann war gebrochen. Wie ertappt wendeten sich die Männer wieder ihren Gesprächen und ihren Getränken zu und das Räuspern des Pfarrers war über den ganzen Platz zu hören.

Der Wirt nahm ihr den Korb ab, ohne die Eier zu überprüfen oder zu zählen und drückte ihr das Geld in die Hand. Sie steckte es ein, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen.

Sie machte noch einen Blick in die Runde, verweilte auf diesem und jenem muskulösem Oberkörper, überlegte noch einmal, welcher von ihnen es wohl sein konnte, drehte sich um und ging wieder quer über den Platz zurück

Und wieder folgten ihr hungrige Blicke, blieben an ihren wiegenden Hüften, oder an der Verlängerung des Rücken hängen. Das Surren des Ventilators war wieder für Sekunden das einzige Geräusch.

Sie spürte einen der Blicke in ihrem Rücken, der sich einbrannte und ihr angenehmen Schauer verursachten, doch sie drehte sich nicht um.



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Kommentare (29)

hafel das steht ja auch so im Originaltext. jeder kann lesen und kapieren ! ))
Zitat:
Wer kam in manchen dunklen Nächten in ihr Haus, schlich die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf und schlüpfte unter ihre Decke? Welche Hand legte sich auf ihren Mund und welche Hand verhinderte es, daß sie Licht machte?
Sie hatte längst aufgegeben, es erfahren zu wollen.
Zitat Ende
kobold Ich glaube, dass die schöne witwe eigentlich gar nicht wissen wollte, wer ihr großartiger verführer war. Sie hat sich in ihrer phantasie eine idealgestalt vorgestellt, und mußte nun fürchten, dass die realität ihren traumvorstellungen nicht entsprechen könnte. Nur so ist auch erklärlich, dass die sonst beim weiblichen geschlecht vorherrschende neugier nicht mit allen mitteln befriedigt werden mußte.
hafel es ist doch gernicht raus, ob es der Gärtner war??????
hulda ....Bei aller vielleicht nicht sonderlich stark ausgeprägten Neugierde der schönen Witwe, ein wenig möchte ich schon wissen, wer mich da nachts so glutvoll heimsucht.
Warum beißt sie denn nicht leidenschaftlich in seinen Hals an sichtbarer Stelle, trüge einer der Männer dann später ein Pflaster, Tuch, hochgeschlossenes Hemd oder ähnliches, wäre er doch schnell auszumachen. Mag aber auch sein, daß dann jegliches Verlangen nach ihm einen Dämpfer erhielte, käme sein wahres Gesicht ans Tageslicht.
Es macht Spaß, der Fantasie freien Raum zu lassen und die vielen postings zu dieser Erzählung künden davon.

Hulda

herbi27 Hallo,
es ist ja hochinteressant die verschiedenen Meinunge hier zu lesen.Von positiv bejahend und den Wert solcher "Nächte" kennent bis negativ mit Frust und leichter Bitterkeit durchschimmernd. Kaum Männermeinung.Die sind ja so erhaben und stehen über diese Dinge!!
Zu den Nächten:
Egal wer es nun war,sie müssen beide etwas von Liebe verstehen und sich verstehen.Beide müssen wissen was der andere fühlt,denkt ,spürt und wünscht.Dies ist aber häufig leider nicht der Fall und gehört zu den "Sternstunden" des Lebens.Manche erfahren diese Momente nie.Oder stehe ich mit meiner Meinung alleine da?
hafel Kobold: danke, ich bin für jeden Hinweis dankbar!
kobold @hafel

Wurde doch von mir nicht bestritten dass es dunkel war. Mein grenzenloses erstaunen bezog sich doch gerade darauf, dass es diesem romeo gelungen war, die selige witwe allein durch seine körperliche präsenz, seinen perfekten tastsinn und seine - zugegeben notwendige dauerhafte potenz - zu den seligsten wonnen und orgasmen zu führen...

Mußt halt den beitrag erst lesen und kapieren ehe du einen kommentar darauf einstellst.
hafel Es wurde doch keine Licht angemacht (siehe die Geschichte). Was spielen da Aussehen und Ethik noch für ein Rolle??????
kobold und da sagt man doch immer, die frauen bräuchten, um sich ganz der liebe hingeben zukönnen, auch - zuvor - der einfühlsamen worte, des geistes, des humors ... und dabei ist es diesem so großartigen und versierten romeo, ganz ohne dieses "zeitraubende beiwerk" gelungen, seine dulcinea allein durch seine körperlichen verführungskünste zu den höchsten wonnen zu führen...vielleicht war er dabei gar noch potthäßlich...
welch wunderbare geschichte..
heide † Spott und Frotzeleien auch, nur mittlerweile werden die Grenzen ein klein wenig überschritten. Meinen Marktplatz habe ich längst gefunden, und wer auch immer sich darauf tummeln mag, dürfte wohl letztendlich nur meine Sorge oder auch Freude sein.

Im Übrigen sei noch zu bemerken, dass gerade Männer im reiferen Alter weitaus mehr den Vorstellungen der "Witwe" entsprechen als junge Hüpfer. Einfühlsam, geduldig und, und , und......
Vor allen Dingen sind ihre nackten Körper häufig weitaus ansehlicher als bei uns alten Omis.
Es sei denn, man treibst oder läßt treiben wie "joanas" Witwe.

Linta
Theater......Theater!!! Heute hier eine kleine Probe, morgen da eine Probe. Doch schon bei
der Generalprobe hakt´s gewaltig und letztendlich zur Aufführung kommt es gar nimmer.

Theater, Theater................Vorhang zu!!!!!!!
Es darf gelacht werden.
ehemaliges Mitglied ....
DAS ist doch mal ein Angebot. Und da zögerst du noch??? *grins

Oder hast du den Antrag angenommen?
rosel Wer glaubt wird selig...

Opa träumt von seiner letzten Nummer....

R.
hafel Na, Heide, was willst Du mit so einem ausgelauchten Streckenläufer, dem am Ziel die
Zunge aus dem Hals hängt?
Da komme ich doch mal auf „einem Sprung“ vorbei.
Linta

Heide, Sprinter wurden gesichtet Richtung einer gewissen Stadt in NRW. Sicher werden sie gegen Abend den Marktplatz erreicht haben und DER Witwe aller Witwen erschöpft aber doch hoffnungsvoll in die Arme sinken.........

Grübel, grübel, ob ich wieder zurück ziehen sollte nach NRW???????
ninna
Medea Heide -
es lebe die Leidenschaft und die heimliche nächtliche Liebe -

bevorzuge die abendliche Nachtigall denn die morgentliche Lerche ....

Medea.

heide † oh nein, ich treibe es wenigstens 3 mal täglich, nur für die Nacht würde ich dann auch noch gerne die Witwe sein.
ehemaliges Mitglied
...da scheint ja jemand echten notstand zu haben...*grins mal heftig
heide † ob Gärtner oder Pfarrer, wie gerne würde ich doch diese begehrenswerte Witwe für viele Nächte sein.

Heide
joana50 war es denn dann? Sind ja einige Möglichkeiten möglich.

Ein nettes Lächeln an herbi27


Lg joana
P.S.: warum sollte ich im Seniorentreff mein Alter verschleiern?????
herbi27 bin da gestern hier mal reingeschneit(wegen Regenwetter) und wollte schon immer wissen was es so mit dem Bloggen so auf sich hat.
Nun war ich doch erstaunt so eine prickelnde und leidenschaftliche Liebesgeschichte im Seniorentreff zu lesen. Auch ein Kompliment an die Autorin das sie in ihrem Alter (wenn es stimmt?)noch solche Gedanken hat und zu Papier bringt.
Aber nun zur Sache.Der Gärtner kann es doch nicht sein.Wenn er mit ihr "diese" Nächte verbracht hat,wird er doch nicht am nächsten (das Bett war doch noch warm!)Tag nicht beim Anblick seiner Geliebten erschauern und "schwindelig" werden. Da hat doch ein Mann wie er Mühe genug sein Arbeit halbwegs vernünftig zu machen. Auch das Schlafdefizit steckt man(Mann)nicht so leicht weg! Oder ist meine Meinung falsch?
herbi27
joana50 für all eure Kommentare! Ich habe es gerne, wenn man sich mit einer Geschichte beschäftigt und es Diskussionen gibt.

Ich habe mir erlaubt EINE Möglichkeit aufzuzeigen und habe [post=4515]die Fortsetzung[/post] hineingestellt,

LG Joana
joan fröhliche Abweichung vom Thema. Hafels erste Bemerkung scheint mir die Pointe.
Direkt ,schnoddrig,schnörkellos und witzig.
hafel Na, es gibt auch ein paar Frauen, die sich nicht im Hellen sehen lassen können. Wo die Männer schon von weiten abwinken.....im Hellen wie im Dunkeln.
pilli Es gibt sie halt immer wieder diese Frauen, die sich nicht sehen lassen können, aber gerne mit ihrem sparstrumpf locken, datt zu kaufen, watt jenseits vom lustgarten Eden sich tummelt! ))

na datt nenne ich doch die wahre emanzipation; anstatt:

ei,ei...da kommt der eiermann...

klingt eierfrau doch gut?

Linta
Es gibt sie halt immer wieder diese Männer, die sich im Hellen nicht trauen und vor allem
nicht sehen lassen können..........
ninna
eleisa aber auch nur Wunschträume einer Witwe...
hafel Eigentlich hätte sie ja nur in die Männerrunde fragen müssen: " wer hat meinen Hausschlüssel? Ich möchte ihn zurück haben" )))))))))

Da wäre aber der Pfarrer verlegen gewesen.

Hafel
eleonore irgendwie erinnert mich diese geschichte an *alexis zorbas*, wo die unvergessliche irene papas die stolze witwe spielt.

allerdings ohne schwulst und schmalz, um nicht zu sagen, eine der kargeste, erotischste und rührendste liebesszene die filmgeschichte.

ein fallende nachthemd......ein nackter rücken, und tränen in augen.
ein toller film mit eine tolle darstellerin.

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