Diese Situation – einfach beenden oder weitermachen?



Ich weiß nicht, ob meine Entscheidung heute richtig ist, oder ob sie mir schadet. Ich habe Brustkrebs, die Diagnose wurde mir anfangs als sehr frühzeitig und gut behandelbar erklärt. Ich bekam eine Chemotherapie, noch während dieser gab es zusätzlich den Beginn einer Antikörpertherapie, anschließend folgte eine Bestrahlungstherapie, der umgehend eine minivalinvasive Operation sowie eine Hormontabletten-Behandlung folgten.

Das alles hatte ich noch recht gut hingenommen, weder über den Haarverlust noch über diverse Nebenwirkungen geklagt. Die Reha im September vergangenes Jahr verlief überaus angenehm, da niemand darauf bestand, ausschließlich Behandlungen gegen die vorhandenen Nebenwirkungen der Krebsbehandlung übermäßig durchzuführen. Selbst die noch nicht abgeschlossene Antiköpertherapie durfte ich in dieser Zeit unterbrechen. Der Genuss, täglich am Wassersaum der Ostsee spazieren zu gehen, hat meiner Seele sehr gut getan!

Dann – zuhause – gab es wieder die Antikörper und bereits auf der Heimfahrt nach der ersten weiteren Dosis von der Klinik fror ich erbärmlich und das hörte in den folgenden Wochen und Monaten nicht auf, verwandelte sich jeweils im Verlauf des Nachmittags in erhöhte Temperatur bis Fieber. Natürlich schwächt solch dauerhafter Zustand, ich schlief viel. Irgendwann fand ich heraus, dass ich nicht fror, weil es in meiner Wohnung bei Fußbodenheizung auf 25°C vielleicht zu kühl wäre. Ich nahm mein Fieberthermometer und stellte fest, was los war: erhöhte Temperatur und leichtes Fieber! Und jedes Mal, wenn drei Wochen herum waren, die nächste Infusion stattfand, wurde es schlimmer.

Anfang Dezember ergab es sich, dass die nächste Behandlung Heiligabend bzw. Silvester erfolgen sollte. Der Onkologe fand das ein wenig pietätlos, gab eine Erholungsfrist und legte den ersten Infusions-Termin 2022 auf den 7. Januar des neuen Jahres.

Meine Lebensqualität aber war Anfang Dezember so heruntergefahren, dass die bislang aufgetretene Wut darüber (ertaubte rechte Hand, ertaubte Fingerspitzen der linken Hand, ganz ertaubte beide Füße, so dass es morgens dauerte, bis ich mich auf meinen Beinen halten konnte, gelegentlich eine Neuralgie des unteren Trigeminusastes in das linke Kiefergelenk, so dass ich kaum noch schlucken, essen oder überhaupt reden konnte) sich in depressive Gefühle und Unwillen, diese „Nebenwirkungen“ noch weiter zu erhöhen bis Mitte April 2022 in weiter sinkende Lebensqualität zu verwandeln.

Es wurde immer schwerer, mit meiner rechten Hand etwas zu greifen. Habe ich mir Löffel, Gabel oder Messer mit der linken in die rechte Hand gelegt, gilt es aufzupassen, dass mir das jeweilige Gerät nicht in der Aktivität aus der Hand fällt. Ich bin so froh, Tassen mit breiten Griffen nutzen zu können, weil bei Trinkgefäßen mit den üblichen rund geformten Griffen mir der Henkel schnell verrutscht und nicht bei jedem Heissgetränk kann man mit der anderen Hand das Trinkgefäß abstützen – schlabbern auf die Kleidung oder sonst wohin – vorherzusehen ist mit anschließendem Umziehen und den sonstigen Schaden zu beheben … Weitere Neuralgien des Kiefergelenkes lernte ich mit Wärme von innen und außen zu beheben.

Einen Tag vor der nächsten Infusion mit der Antikörpertherapie ruft der Onkologe immer an, fragt nach meinem Ergehen. Durch die längere Pause bis zur ersten Infusion im Januar diesen Jahres konnte ich feststellen, dass die Temperaturerhöhungen mit vorherigem Schüttelfrost vorbei waren! Gelegentlich nimmt auch die Ertaubung in meiner linken Hand etwas ab.

Hatte man mich glauben machen wollen, diese letzte Infusions-Therapie hätte keine Nebenwirkungen, wusste ich es nun – aus eigener Erfahrung – besser. Und das wollte ich nicht mehr auf die Spitze treiben!! Diese Infusionen sollen dafür sorgen, dass meine Krebsart nicht schon nach fünf Jahren wieder auftritt, sondern vermutlich gar nicht oder erst nach zehn bis fünfzehn Jahren.

Ich habe heute dem Onkologen die Weiterführung der Therapie abgesagt. Mir erscheint es willkürlich, eine Gesundung davon abhängig zu machen, ob man die vorgesehenen vierzehn Infusionen bekommt oder fünf weniger. Ich weiß, dass mein Mann 1993 die Fortführung seiner Chemotherapie absagte und noch bis 2003 keine Krebsbeschwerden spürte (dann allerdings zunehmend, bis er 2018 seinem Krebs erlag).

Meine Tochter bekam mit dreizehn Jahren (1984) durch eine Blutübertragung bei ihrer Wirbelsäulen-OP Diabetes Typ1. Da zu der Zeit noch so vieles über diese Erkrankung nicht bekannt war, Medizinisches Personal immer wieder – sogar mit Drohungen – erklärte, wie sie mit ihrem Diabetes umzugehen hätte, sind wir heute glücklich, dass sie ihrem eigenen Körper vertraute, nicht auf die Bedingungen hörte, die bei ihr bekannten Erkrankten, die sich brav an (heute widerlegte) Vorschriften hielten, bereits nach fünf Jahren zu s. g. „Spätschäden“ geführt haben! Sie lebt „gesund“ mit ihrem Diabetes – ohne irgendwelche Spätschäden – seit 35 Jahren!!

Diese beiden Geschehen haben uns misstrauisch gegenüber Aussagen von med. Personal gemacht. Das ist manchmal gesünder!!

Ob das nun auch auf meine Entscheidung zutrifft, kann ich nicht beurteilen. Aber eines weiß ich: eine weitere Krebsbehandlung wird mir   j e t z t    nicht meine Lebensqualität herunterfahren. Wenn der Preis ein früheres Sterben ist, dann nehme ich das hin ...
 

Anzeige

Kommentare (7)

PeLe

Wow,

Dein Artikel erinnert mich an meine Mutter und meine Tante. Beide hatten Brustkrebs. 

Ich kann dich so gut verstehen. 

Was du machst oder auch nicht, ist deine eigene Entscheidung. Man muß in sich gehen und seine eigene Entscheidung treffen. 

Lebe dein Leben. 

Vielleicht solltest du eine für und wider Liste führen. 

Ich wünsche dir für die Zukunft alles Liebe und Gute.

Herzliche Grüße

Pedi

nnamttor44

@PeLe  
Liebe Pedi!

Diese "Für- und Widerliste" habe ich im Kopf. Du hast ja sicher weiter unten von den Schicksalen meiner Mutter und ihrer Schwestern gelesen.

Die Dritte im Bunde hatte gemeinsam mit ihrem Mann das Rauchen aufgegeben, jede nicht ausgegebene DM haben die Zwei ins Sparschwein gesteckt und sich davon eine Reise nach Kenia gegönnt! Ob das abgesetzte Rauchen ihrem Körper half, auch nach der Kenia-Reise ihre nun aufgetretene Brustkrebsdiagnose sowie mit der immer noch üblichen Amputation zu überstehen, mag der Herrgott wissen. Auch für sie gab es diese Diagnose, als sie ihren 50. Geburtstag feiern wollte. Ein Jahr später galt sie als genesen, feierte ihren 50. nach und wurde noch 90 Jahre alt!!!

Ich will gar nicht unbedingt 90 Jahre alt werden. Meine überlebende Tante und ihre Brüder hatten in dem Alter kein so schönes Leben. Es gibt halt auch andere "doofe" Erkrankungen, die einem das Leben schwer machen können. Aber ich würde gern noch erleben, wie mein nun zehnjähriger Enkel in sein Erwachsenenleben findet ... Er durfte erst mit vier Jahren seinen Opa (meinen Mann) kennenlernen, der dann aber nur zwei Jahre später starb. Ich fände es schöner für ihn, wenn er sich nicht schon so bald auch von meinem Dasein verabschieden müsste.

Danke für Deine so positive Meinung!!

Das wünscht sich Uschi

butterblume1958

Ich würde die Behandlung auch abbrechen..... Wünsche dir noch viele schöne ,lebenswerte  Jahre !!!!!

nnamttor44

@butterblume1958  
Ich habe seit meinem 35sten Lebensjahr immer damit gerechnet, wie meine Mutter in so frühem Alter ebenfalls Brustkrebs zu bekommen. Sie starb 34-jährig und wir drei Mädchen waren da 4, 7 und 11 Jahre jung. 

Jedes Jahr ließ ich eine Mammographie machen, das Warten auf das Ergebnis war manchmal schrecklich und durch wenig nachdenkende Ärzte, die erst mal ihren dreiwöchigen Urlaub nahmen, fürchterlich lang!! Irgendwann in meinen 40-ern erfuhr ich, eine "Kalkbrust" zu haben. Das sei eine Vorstufe von Krebs!! Wie beruhigend ist das denn??

Ab dem 70sten Lebensjahr zahlt die KK keine Vorsorge-Untersuchung auf Brustkrebs mehr. Sechs Jahre habe ich dann gedacht: "... du hast so lange ohne Krebs gelebt - mach selbst weiter die Tastuntersuchungen und gut ist." So entdeckte ich mit grade 76 Jahren dann selbst, was los war. Eigentlich klar, dass man mich erstmal tröstend mit einer verlogenen Diagnose beruhigen wollte. Doch das brauchte ich nicht. Ich war und bin zufrieden damit, 42 Jahre mehr Lebenszeit geschenkt bekommen zu haben, als meine Mutter! Ich durfte meine Kinder selbst großziehen und sogar meinen Enkel schon fast zehn Jahre erleben. 

Ich erlebte auch, dass die beiden Schwestern meiner Mutter an dieser Krebsart erkrankten, die mittlere verstarb nach einem Jahr Leidenszeit mit 50 Jahren. Die Jüngste wurde im gleichen Alter amputiert - und erlebte noch ihren 90sten Geburtstag!! Ihr Körper konnte nicht mehr mit der Heilung eines Oberschenkel-Halsbruchs fertig werden. Ein Krebs hat sie nicht genommen!!!

Was soll ich mich heute in meinem 78sten Lebensjahr bis zum "Gehtnichtmehr" quälen lassen? Ich muss gar nicht unbedingt 90 Jahre alt werden, obwohl - ich fände es sehr schön, meinen Enkel erwachsen werden zu sehen ...

Danke liebe Butterblume für Deinen lieben Zuspruch 💖 !!

Uschi

chris33

Wer selbstverantwortlich entscheidet, seine entscheidungen logisch statt emotional angeht, der lebt so, wie er leben möchte,   sage ich mal locker.

auch,.oder gerade - wenn' s um leben, lebensqualität oder sterben geht,

ein selbstbestimmtes   leben zu leben  ( oder über mein  sterben  bestimmen zu koennen), habe ich z.b. immer als geschenk  betrachtet.

chris33

nnamttor44

@chris33  
Da stimme ich Dir absolut zu, liebe Chris. Es ist alles gut. Ich freue mich auf's Frühjahr und werde sehen, wie's weitergeht.

Es heißt ja nicht, dass ich bei erneutem Auftreten keine Therapie mehr annehmen will. Nur "verar...t zu werden, nach dem Motto: "... die ist ja geduldig!" weckt schon Aggressionen, Emotionen ...

Uschi

PeLe

@nnamttor44  

Ich kann dich gut verstehen. 

Du wirst bestimmt für dich die richtige Entscheidung treffen. 😊🍀

Hab einen schönen Restlichen Sonntag. 😊👋

Liebe Grüße

Peid


Anzeige