Durchhalten und loslassen


Als es mit der Demenz bei meiner Mutter begann, war sie etwa 80 Jahre alt. Ich hatte - wenn man es so sagen kann - Glück, dass sie noch selbst entschied, in ein Heim zu gehen. Es begann eine schlimme Zeit - die Demenz verändert sie stark, sie wurde aggressiv, sie beschimpfte mich...
Ich schnurrte jedesmal zusammen von einer Erwachsenen zum unmündigen Kind. Aber ich hielt stand...
Ich wollte, musste bei ihr sein in dieser Zeit und verspürte doch zunehmend ein Gefühl von:
"Ich will das alles gar nicht! Ich bin doch auch nicht mehr die Jüngste!" Ich zwang mich durchzuhalten und fragte doch zunehmend: Zu welchem Ziel?
Heute bin ich froh, dass ich "an meiner Mutter dran geblieben" bin. Die fortschreitende Demenz hat ihr ihre Aggressivität genommen. Sie kennt mich nicht mehr und freut sich, wenn "jemand" kommt, der mit ihr spricht und ihre Hand streichelt.
In eben diesem Prozess musste ich aber auch lernen loszulassen. Ich bin nicht mehr das unmündige Kind, dass von der Mutter gescholten wird, ich bin nicht einmal mehr ihre Tochter.
Loslassen bedeutet für mich heute, eine neue, liebevolle Einstellung zu meiner Mutter gefunden zu haben, die mich gleichzeitig befreit. Ich kann ihr jetzt unbelastet gegenübertreten und sie begleiten.
Sie ist jetzt 97 Jahre alt.

S.M.


Anzeige

Kommentare (1)

Manfred36

Es ist eine Geschichte, die so viele erzählen können, die Demenz lieber Menschen, aber auch die Anzeichen von Demenz bei uns selbst.


Anzeige