EIN BESUCH FAST AM ENDE DER WELT


Ein Besuch fast am Ende der Welt...

Bis auf das leise Blätterrauschen der Bäume war alles still.  Ich stand mit meinem angebissenen Butterbrot auf der Terrasse unseres Ferienhauses und lauschte...nein, nichts zu hören. Wie unglaublich still es hier war.
Mein Blick glitt über die Wiese hin zu dem kleinen Kanal. An dem Anlegesteg war sogar ein kleines Ruderboot für die Feriengäste befestigt. Was für eine grüne Idylle mitten im Oktober! 




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Zum ersten Mal verbrachten wir eine Urlaubswoche in Ostfriesland, ganz oben an der Emsmündung.
Und dann sah ich sie. Es war eine Ente, die hurtig aus dem nassen Kanal auf den Wiesenrand kletterte. Wir hatten Augenkontakt. Ich zeigte ihr spontan das Brot in meiner Hand. Ja, sie hatte sofort verstanden und watschelte mit wiegenden Hüften eilig auf mich zu. Ich freute mich sehr über dieses  kluge Tierchen.

Die Ente schnatterte ganz aufgeregt und legte ihren schnellsten Turbogang ein. Und dann brach die Hölle los! Von überall ertönte lautes Enten-Gequake und jede Menge Enten stürmten gleichzeitig auf mich zu. Ach, wie drollig! Sie kamen aus dem Wasser, oder brachen mit großem Spektakel aus dem dichten Unterholz hervor. Nanu, wo  kamen die denn jetzt so schnell alle her?
Ein buntes Alpha-Männchen duldete wohl keine Konkurrenz, denn es zwickte die anderen Enten recht ungehalten mit seinem Schnabel. Seine Bemühungen waren allerdings vergeblich, denn ich versuchte das Futter so gerecht wie möglich an alle zu verteilen. Eine schneeweiße Ente saß ruhig  zu meinen Füssen  und schaute mich ganz lieb an. Ich reichte ihr  ein Bröckchen, sie nahm es ganz vorsichtig an.  Das Brot war schnell verteilt. Rasch holte ich Nachschub aus der Küche. Was für eine Freude diese dankbaren Wesen zu füttern! 

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An den nächsten Tagen brauchte ich mich nur noch auf die Terasse zu stellen, und schon kamen an die zwanzig Enten angelaufen. Woher wussten sie das nur?
Später entdeckte ich im Wohnzimmer ein Gästebuch mit vielen Eintragungen. Interessiert blätterte ich darin herum.
Auf einer Seite las ich den Eintrag eines Kindes. Der Junge berichtete darin von einer gemeinsamen Ruderbootsfahrt mit seinem Opa, der sich dabei nasse Füße geholt hatte. Aber das Schönste war für ihn die Bekanntschaft mit einer weißen Ente.




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Ich musste lachen, denn jetzt ging mir ein Licht auf. Wahrscheinlich hatten andere Feriengäste auch schon die Tierchen gefüttert. Und deshalb war dieses Ferienhaus etwas ganz Besonderes, denn es stand ja unter ständiger, allerdings wohlwollender Enten-Bewachung. 

Bis jetzt bekam jedes Ferienhaus, in dem ich Urlaub machte, seinen eigenen Namen verliehen. Nicht wegen seiner besonderen Verdienste, sondern eher für seine individuellen Eigenart. Es gab in der Vergangenheit bereits ein Spukhaus, das Rockenständerhaus, die Garage und das Katzenhaus. Für dieses Ferienhaus stand der Spitzname natürlich ab sofort fest.

Auf dem Weg zum nächsten Fischerort musste man ein Stück laufen. Nur selten war ein Auto oder ein Mensch zu sehen. Und alles war ganz still, bis auf das Mäh-mäh der vielen Schafe, die friedlich auf dem grünen Damm grasten.

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Oben auf dem Damm zerrte ein kräftiger Wind sofort an der Kleidung, und verstrubbelte mit seiner Kraft nicht nur die Wiesen, auf denen jede Menge "Schaapkötels" lagen. Mir war das aber egal, denn ich hatte mir extra meine uralten Walkingschuhe für Wanderungen mitgenommen. 
Von hier oben konnte man ganz weit sehen. 


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Auf dem Dach eines Bauerngehöftes sah ich zum ersten Mal ein richtiges Storchennest. Allerdings saß nur ein Lockvogel darin, der Gevatter Adebar sicher zum Bezug des Nestes auffordern sollte.
"Neuer Mieter für eine stabile, lichtdurchflutete und kostenlose Eigentumswohnung mit Panoramablick gesucht!" könnte die Übersetzung vielleicht heißen.

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Der kleine Fischerort war märchenhaft schön. Hübsche Friesenhäuser strahlten Geborgenheit aus. Auch hier herrschte Ruhe und Gelassenheit. Nur vereinzelte Urlauber sah man bei ihrem Spaziergang. Das änderte sich aber schnell wenn die Fähre anlegte, und dabei einen ganzen Menschenpulk aufs Festland ausspuckte.


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Eine Frauenskulptur gefiel mir dort besonders gut. Es war eine Fischersfrau, die das alltägliche Leben im Hafen darstellte.

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Passend dazu befand sich das Fischhaus ganz in ihrer Nähe. Dort konnte man frischen Fisch entweder kaufen, oder zubereitet gleich vor Ort verspeisen. Im sicheren Hafenbecken dümpelten kleine Segelschiffe und bunte Fischkutter friedlich vor sich hin. Manche Boote trugen schöne Mädchennamen, wie Frauke oder Stina.

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Am letzten Urlaubstag schellte ein Paketservice an unserer Haustür. Er wollte eine Lieferung für das Nachbarhaus  bei uns abgeben. Da wir am nächsten Vormittag schon früh abreisen mussten, konnte ich diese Lieferung leider nicht annehmen. Das war aber nicht so schlimm, denn der Paketbote legte die Ware einfach vor dem Nachbarhaus ab. Dann stieg er zurück ins Auto und fuhr weg. Das war`s.
Ich war richtig fassungslos, denn ich sah vier neue Autoreifen, die jetzt unbeaufsichtigt auf der Straße lagen. Ja, war dieser Mann denn total verrückt geworden?! Ganz sicher würden die Reifen bei Nacht und Nebel gestohlen werden. Ach was, den Nebel brauchte man gar nicht dafür, und die Besitzer taten mir jetzt schon leid. 

Am nächsten Morgen schaute ich sofort nach, und staunte nicht schlecht, denn der Reifensatz war noch vollständig da. Niemand hatte etwas weggenommen.
Ja hier, am Ende der Ems, scheint die Welt noch in Ordnung zu sein.

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Rosi65
 


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Kommentare (13)

Bücherwurm

Deinen kleinen Reisebericht habe ich gern gelesen, zum einen ist er schön geschrieben und zum anderen  hat er mich an unserem Urlaub in Nordfriesland erinnert. Wir sind seit fünf Tagen wieder zurück, sodass beim Lesen des Beitrages unmittelbare Erinnerungen auftauchten. Wir waren von grüner Einsamkeit sowie Schafen umgeben. Es war Balsam für die Seele.
Gitti

Rosi65

Liebe Gitti,

schön von Dir zu lesen! War gerade auf Deiner Seite (Yazd 7) und habe das Foto mit der exotischen Dame bewundert, denn es gefällt mir sehr gut.
Dankeschön für das Herzchen und Deinen Kommentar.

Viele Grüße
   Rosi

Rosi65


DANKESCHÖN 

an Manfred36, Roxanna, ladybird, Komet, ahle-kölsche-jung, Majorie
und Songeur für Eure Herzchen-Vergabe zu meiner kleinen Urlaubserinnerung.

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Herzliche Grüße
     Rosi65

werderanerin

Eine wunderbare Erfahrung, liebe Rosi, die ich so oder ähnlich auch von der Ostsee kenne. Heutzutage ist es aber eher voller, coronabedingt sieht man sehr viel mehr Menschen. Noch im September hatten wir das Glück, auf Usedom in einem kleinen Häuschen zu sein, wunderbar war es !

Noch vor 10-15 Jahren aber gab es auf dem Darß, Usedom oder auch Rügen wunderbare, ganz ruhige und idyllische Rückzugsorte, wo man die berühmte Seele wirklich baumeln lassen konnte. Vor allem auch am Achterwasser oder Bodden war es herrlich urwüchsig.

Es ist schon schön, dass man immer auch gleich "drei Gänge" runterschaltet, ist man am Meer...oder auch nur in der Nähe, mir geht es jedenfalls so.
Allein das Rauschen und die Wellen üben eine sanfte Ruhe aus, Unendlichkeit scheint um einen herum zu sein.

Danke für die schönen Erinnerungen, liebe Rosi ... und ja, die Enten sind wirklich schlaue Tierchen !

Kristine


20200623_165224.jpg

Rosi65

Liebe Kristine,

herzlichen Dank für Deinen schönen Beitrag.!
Unendlichkeit scheint um einen herum zu sein...

dieses beeindruckende Glücksgefühl hast Du mit Deinen Worten wunderbar formuliert. Gerade wenn man, so wie ich, mitten im Ruhrgebiet lebt und dessen Enge als Normalität kennt, ist man von dieser grenzenlosen Freiheit jedes Mal überwältigt. Danke für diese herrlichen Fotos!

Viele Grüße
  Rosi65

ahle-koelsche-jung

Hallo Rosi,

so wie du die Gegend beschrieben hast, möchte man direkt dorthin. Das ist ein Landstrich der ganz nach meiner Mütze ist. Dazu die herrlichen Bilder, direkt ne Einladung. 
Leider zur falschen Zeit, aber ich geb die Hoffnung nicht auf das es bald mal wieder klappt.

Schöne Grüße a-k-J

Rosi65

Lieber ahle-koelsche-jung,

da Du ja Zeeland liebst, befürchte ich, dass Du dort vielleicht eine Kleinigkeit vermissen wirst, denn es gibt keinen Meeresstrand. 
Trotzdem ist es sehr schön dort. Ich wünsche mir auch, dass man  irgendwann mal wieder gefahrlos verreisen kann.

Dankeschön, für Deine Zeilen.

Herzliche Grüße
    Rosi65   

ladybird

Liebe Rosi65,
 Ganz entspannt und sehr gefreut hat mich Deine wunderbare Schilderung von Deinem Besuch "fast am Ende der Welt" mit den besonderen Fotos. Ja, dort und genauso könnte ich mir auch erholsame Tage vorstellen.
Nimm mich doch nächstens bitte mit,
das wünscht sich mit Gruß und Dank
ladybird

Rosi65

Liebe ladybird,

die schwere Entscheidung, im welchem Supermarkt man heute mal so einkaufen geht, fällt dort auch weg. Denn es gibt nur einen Laden!😄
Doch er ist gut sortiert und man bekommt alles für den täglichen Bedarf.
Warum sollte man sich denn bei der Entscheidung zwischen zehn verschiedenen Nudelsorten quälen, wenn es vielleicht auch schon zwei tun?
Das reicht doch vollkommen aus.

Zur Zeit kann ich Dich aber leider nicht mitnehmen, da ich aus Sicherheitsgründen vorläufig nicht reisen werde.
Dankeschön, für Deinen lieben Kommentar.
 
Herzliche Grüße
    Rosi65

Christine62laechel



Liebe Rosi,

wie schön, dass es doch noch so einen Ort gibt, wo die Welt scheint wenigstens noch in Ordnung zu sein. :) Beneidenswert muss man deinen Urlaub finden, mit all den Tierchen, und freundlich Menschen, sowie idyllischen Landschaften. Gerne gelesen, und mir die Fotos angeschaut, danke. :)

Mit herzlichen Grüßen
Christine

Rosi65

Liebe Christine,

hätte der Paketbote die Reifenlieferung in meiner Heimatstadt auch so abgelegt, wäre sie ganz sicher schnellstens "entsorgt" worden. Sogar der Sperrmüll, den ich mal am Abend vors Haus stellte, war am nächsten Morgen gänzlich verschwunden.
Deshalb hatte mich diese Aktion im Urlaubsort auch ganz sprachlos gemacht.

Besonders schön fand ich auch den Bücherschrank, den die Vermieterin für die Gäste, sogar mit Neuerscheinungen, gut gefüllt hatte. Ja, dort würde ich gerne mal wieder hinfahren.

Herzlichen Dank für Deinen Kommentar.

Viele Grüße
   Rosi65

Roxanna

Wunderbar, deine Urlaubsbeschreibung. Von Anfang bis Ende habe ich sie mit einem Lächeln gelesen und gedacht, ein Aufenthalt dort, der könnte mir auch gefallen. Schon beim Lesen hat sich eine Entspannung eingestellt. Du musst doch wunderbar erholt zuhause angekommen sein. Danke, es war eine Freude deinen Blog zu lesen und die schönen Fotos anzuschauen.

Herzliche Grüße
Brigitte

Rosi65

Das wirst Du mir jetzt nicht glauben, liebe Roxanna, aber am ersten Tag dachte ich wirklich ich hätte ein echtes Hörproblem.😖
So etwas habe ich manchmal nach längeren Autofahrten. Doch diesmal lag es nicht an meinen Ohren, denn diese Stille war tatsächlich echt. 😉

Es freut mich sehr, wenn Dir mein kleiner Beitrag gefallen hat.
Dank Dir schön für Deine nette Antwort.

Viele Grüße
  Rosi65
 


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