Ein ganz besonderer Geschäftsmann


Ein ganz besonderer Geschäftsmann

Meine liebste Maschine im Haushalt ist mein Kaffeevollautomat. Sie mahlt mir beste Kaffeebohnen, von Freunden regelmäßig aus Rom mitgebracht. Sie presst Kaffee und Wasser in die vorgewärmte dickwandige Tasse. Es bildet sich die wunderbare Crema, und der Tag beginnt fast immer gut mit einem frisch gebrühten doppelten Espresso aus diesem Wunderwerk der Technik.

Leider hat dieser hochtechnische Automat auch seine Macken. Mal will er, wenn ich– noch schlaftrunken – auf den „Ein-Knopf“ drücke, dass ich den Wasserbehälter auffülle; ein andermal muss der Tresterbehälter geleert werden. Besonders schlimm ist es, wenn er nach Entkalken oder Reinigen schreit, wobei jedoch mild stimmt, dass man noch einige Portionen Kaffee entnehmen kann, bevor man sich an diese größere Aktion begibt.

Vor ein paar Tagen muckte er aber ganz anders. Beim Druck auf das Touch Pad fauchte und spuckte die Maschine, es knallte und krachte, es dampfte. Vorsichtshalber zog ich schnell den Stecker. Der Versuch, die Abtropfschale mit dem Tresterbehälter zu entfernen, scheiterte. Alles war verhakelt und verkantet.

In solchen Situationen bin ich nicht feinmechanisch genug geschult und erst recht nicht geduldig genug, um die Maschine komplett auseinander zu nehmen.

Also: Kundendienst. Mist: Der Anrufbeantworter säuselt, dass alle Mitarbeiter der recht kleinen Firma auf der Fachmesse in Düsseldorf sind. Frühestens in drei Tagen sind sie wieder persönlich zu erreichen.

Während dieser Zeit hatte ich mir überlegt: die „alte“ kommt weg, wird über Ebay verkauft, wenn sie repariert ist (falls die Reparatur lohnt).

Es gibt nämlich ein neues, noch wesentlich besseres „Objekt der Begierde“. Ja, ein sehr guter Kaffee ist mir auch eine neue Maschine wert. Die alte wird und würde noch gutes Geld bringen, sofern die Techniker sie wieder zum Laufen bringen; und wenn nicht, ist sowieso eine neue fällig.

Und dann die Begegnung der Dritten Art. Nur der Chef selbst ist da. Als ich die Tür aufstoße, springt er mir schon entgegen, um mir das schwere Monstrum namens Kaffeevollautomat aus den Händen zu nehmen. Ich hatte mich telefonisch angemeldet, er wusste also, dass ich die „NEUE“ gleich mitnehmen möchte und die „ALTE“ dort lasse zwecks Begutachtung.

Geschäftig macht er sich aber sofort über die „Alte“ her: Tür öffnen, Schraubendreher holen, schrauben, drehen, Brüheinheit entfernen, Brüheinheit abspülen. An der Brüheinheit weiter schrauben, Abtropfschale entfernen, Tresterbehälter leeren. Konnte ich ja nicht tun, weil alles verhakt und verkantet war. Es ist die reinste Schau-Reparatur und für mich sehr interessant. Dazu bekomme ich diverse Erklärungen, was man am besten und wie reinigt, warum der Wasserfilter manchmal so aufquillt, dass er verstopft und dann kein Wasser mehr in die Maschine kommt; warum man das Mahlwerk besser etwas gröberen Kaffee mahlen lässt und was eine Fehlerquelle sein kann, die nie im Display angezeigt wird (Verstopfung des Siebchens). Zwischendurch äußere ich erneut, dass ich die Maschine gern zur Reparatur da ließe, er mir aber bitte die Fähigkeiten der „neuen“, von mir ins Auge gefassten Maschine erklären möge. Dies wird komplett ignoriert.

Der Mann hat sich an meiner „Alten“ festgekrallt. Erst als sie nach 45 Minuten einen neuen kleinen Hebel bekommen hat, innen und außen komplett gereinigt wunderbar in neuem Glanz strahlend vor mir steht, schaut mich der Chef auch strahlend und voller Zufriedenheit an.

Nein, die „Neue“ würde er mir heute nicht empfehlen. Diese „alte“ sei jetzt wieder im Bestzustand, ich könne und würde noch viel Freude an ihr haben. Er könne es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, mir nun die „neue“ zu verkaufen. Ich möge bitte was in die Kaffeekasse seiner Mitarbeiter tun, und er sei sicher, dass ich mit der „alten“ noch lange zufrieden sein werde. Wenn sie die nächsten Mucken aufweisen würde, sei er sicher, dass ich ihre Nachfolgerin, meine „neue“, bei ihm kaufen würde.

Er trägt mir „die alte“ noch ans Auto, nimmt dankend einen Obolus für die Kaffeekasse in Empfang und wünscht einen schönen Feiertag. Er hat gutes Geld für eine „neue“ nicht verdient.

Dennoch hat er viel verdient: meine Hochachtung vor soviel Fairness. Die Sicherheit, mich als Kundin zu behalten, auch wenn die „neue“ Maschine im Internet demnächst vielleicht viel preiswerter zu bekommen ist. Die Sicherheit, dass ich ihn, seine Werkstatt und sein Geschäft gern weiter empfehlen werde. Und meine Freude über einen wunderbaren Kaffee, den ich gerade schlürfe.
 

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Kommentare (2)

Pan

Ich dagegen liebe meine uralte Kaffeemaschine mit Filter und ohne Schnickschnack!
Der Kaffee schmeckt mir genau so gut: Muss jetzt alles automatisiert sein, eine kleine Replik an die "alte Zeit" lässt mich hell auflachen, als Mutter noch "per Hand" den Kaffee-Filter füllte ...
 

ahle-koelsche-jung

Hallo Tannenmuetterchen,

mit Begeisterung hab ich deinen tollen Bericht gelesen. 
Beim ersten Absatz musste ich grinsen, da mich die Problematiken und Arbeiten an unseren Kaffeevollautomaten erinnern. Ich bin froh das Reinigung und Entkalkung (was in der Regel 1-2 Stunden dauert) nicht mein Aufgabengebiet ist, das macht mein Freund. 
Den Kaffee trinke ich sehr gern aus der Maschine, aber die Arbeiten die erforderlich sind, sind überhaupt nicht mein Fall.

Aber zurück zu deiner Erzählung: 
dem Chef des Geschäftes gebührt ein sehr großes Lob für sein Handeln und Tun.
Wahnsinn das es sowas heute noch gibt, denn so einen Service wünscht sich wohl Jeder.
Top!!!
Also wenn unsere Maschine mal muckt erkundige ich mich bei dir nach der Adresse 😉.

Dann noch viel Spaß mit deiner Alten und ein schönes Wochenende
a-k-J


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