Ein Jahr danach


Ein Jahr danach

Noch immer kaufe ich Brötchen für uns beide.
Noch immer koche ich für zwei.
An heißen Tagen bereite ich Okroschka zu,
die ich nicht mag.
Ich brate Seehecht, wie du ihn mochtest,
in Scheiben geschnitten.
Ich koche Borscht, den meine Tränen verwässern.
Der Räucherofen klagt mich an,
er duftet nach Buchenrauch,
ich spüre den Geschmack der Forellen.
An der Wand hängt ein Bild von dir und den Hunden.
Du hast sie selbst auf der Wiese begraben
und einen Birnbaum gepflanzt.
Er trägt keine Früchte.
Im Anbau rostet dein Werkzeug.
Der Rasenmäher springt nicht an,
das Hauswasserwerk ist abgeklemmt,
der Brunnen ist leer.
Dein Angelzeug liegt unbenutzt,
das Schlauchboot ist verpackt.
An den Fenstern nach Osten
klebt die Transportfolie am Rahmen.
Ich heize noch immer mit Gasflaschen.
Zurück zur Natur wolltest du.
Jetzt ruhst du im Grab deiner Eltern,
weit weg von hier.
Ich kann nicht an Gräber gehen.
Manchmal reiße ich aus,
wie letzten Winter.
Dann genese ich kurz.
Es hält nicht an.
Ich will weg und ich will bleiben,
ich weiß nicht, was ich will.
Doch – dich!
 


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Kommentare (12)

Majorie

Hello aus Canada, liebe Via,
erst jetzt lese ich Deine Zeilen re. des Verlustes.
Du wirst niemals wissen, wie gut ich das was Du so klar zum Ausdruck bringst,
verstehe, und ich danke Dir dafuer!
Und ja - ich weine jetzt und werde eine Weile brauchen um mich selbst wieder zu finden;
aber obwohl mich aufgrund Deiner Zeilen die Erinnerungen packen wieder einmal nach
fast 4 Jahren, finde ich sie troestlich.
Und ich weiss und habe erfahren, nur durch das Herauslassen des Schmerzes
koennen wir weiterleben und ein neues Chapter in unser Leben lassen.
Fuer mich ist es das Letzte - bin fast 80 J. alt und mein Mann war meine Welt.
Nach seinem Tode befand ich mich in einem Scherbenhaufen - 5 Deutsche Schaeferhunde
waren zuvor von uns gegangen und dann mein Mann. Ich habe keine Familie mehr,
nur Freunde die sehr, sehr lieb waren und sind.
Seit ca. einem Jahr habe ich einen sehr lieben Menschen kennengelernt, verwitwet
wie ich, und wir verbringen sehr viel Zeit miteinander und verstehen uns praechtig.
Er bedeutet mir sehr, sehr viel, und mein Leben hat wieder einen Sinn.
Jedoch kann nichts und niemand mir die Erinnerungen nehmen die ich zusammen mit
meinem Mann ver- und erlebte. Immer und immer werde ich ihn vermissen, und der
Vers " Schoene Zeiten - nicht traurig sein dass sie vergangen, sondern gluecklich dass sie
gewesen" ist sehr wahr, aber leichter gesagt als vollziehbar.

Ich danke Dir fuer diesen wunderbar und einfuehlsamen Poem und wuensche Dir
alles erdenklich Gute in der Gegenwart und der Zukunft!

"So long" und liebe Gruesse ueber den Atlantik von Ruth .

DSC00101.JPG

Via

@Majorie  
Liebe Ruth,
ganz herzlichen Dank für Deine lieben und mitfühlenden Zeilen!
Ich freue mich sehr für Dich, dass Du noch einmal einen Menschen an Deine Seite gelassen hast, ich bin noch nicht so weit.
Dein Schreiben hat mich sehr berührt!
Liebe Grüße zurück über den Atlantik und alles, alles Gute wünscht Dir
Via - Renate

Syrdal


Worte, Gedanken..  ungemein ergreifend. So, wie viele von uns es schmerzvoll durchlebt haben. – Was bleibt ist Dankbarkeit, Demut und mit Abstand dann die Freude der Erinnerung.
 
Mitfühlend
Syrdal

Via

Ganz herzlichen Dank für all diese gefühlvollen Kommentare und die vielen Likes!

Ich bin dankbar für eure Anteilnahme, obwohl – oder vielleicht gerade weil – jeder einzelne von euch Ähnliches hinter sich hat.

Ja, Schreiben hilft. Noch besser hilft es tatsächlich, auf dieser Plattform schreiben zu dürfen und solche freundlichen Antworten zu erhalten!

Einen angenehmen Abend und eine erholsame Nacht wünscht von Herzen
Via
 

Humorus

Deine Worte gehen schon sehr unter meine alte Haut und trotzdem stecken sie voller Poesie. Obwohl ich im Alter von fünf Jahren meine Mutter durch ihren frühen Tod verloren habe ( sie ist gerade 25 Jahre alt geworden und hat drei Kindern das Leben geschenkt) ist sie immer noch in meinem Herzen! Danke dafür.

Liebe Grüße aus Karlsruhe

Distel1fink7

Liebe Via,

Dein Gedicht hat mich sehr berührt. VIele gaben Dir zu recht den
Rat alles aufschreiben. Das tust Du ja auch. Du bist eine gute
Dichterin.

Als mein Mann verstorben war, packte ich meine Taschen, buchte
auf Sylt ne Schreibmaschine und fuhr heulend los. Der Nordsee-
Wind knallte mir vorm Kopp und ich wurde klarer und schrieb
und schrieb und hörte gar nciht mehr auf,.
ER starb zu Hause in Berlin und ich begleitete ihn von hier weg.
Es wurde ein Manuskript und gab ihm den Namen " Uwes letzte
Reise."  Da ward mir ganz sonderlich,, als ob ich die Zeit mit
ihm nochmal erleben durfte.

Zurück in Berlin packte ich wieder und zwar nicht nur die Taschen
und kehrte zurück. in meine Heimat ins Ruhrgebiet. Ich konnte
nicht an sein Grab gehen, weil er in die Ostsee wollte,.Ich hatte
das Gefühl,, dankbar zu sein, dass ich noch leben durfte und
machte eine Ausbildung im  Hospiz. " Für  IHN"

Was ich damit sagen möchte ganz einfach auf Deine innere Stimme 
hören, dauert vielleicht lange, aber Du wirst sie hören. DU findest
Deinen Weg und auch das Ziel.

Danke für das wunderschöne Gedicht, liebe VIa

kleiber

Liebe Via...

wie bekannt mir das alles vorkommt........................

Die Tage sind leer und trostlos ...ich habe noch meinen Terrier der geduldig zuhört .

Aber ich bekomme keine Antwort ...

Mache lustlos meine Hausarbeit ...koche immer zuviel ...wer soll es essen .....???

Ich bin allein...so geht es nun Tag für Tag .

Die Nächte in denen man etwas abschaltet ...sind viel zu kurz.

Vielleicht solte man wirklich den Rat von Silesio befolgen ...um etwas auf bessere

Gedanken zu kommen....Einen Versuch ist es immer wert!

Liebe Grüsse zu dir ...ich denke an dich................Herzlich Margit

Muscari

Liebe Via,

Silesio hat recht, wenn er sagt, dass man schreiben, schreiben soll. Das wirkt befreiend, so wie Du es jetzt in Deinem Gedicht machst.
Meine Gefühle sind den Deinen absolut gleich.
Bei Dir ist es ein Jahr, bei mir erst ein halbes.
Sein großes lächelndes Bild steht auf dem Klavier, davor eine frische Blume. Und jedes Mal beim Vorübergehen streichle ich ihm liebevoll über die Stirn. Darf aber nicht zu lange verweilen, denn dann wird der Schmerz überstark.
Ich wende mich ab und anderen Dingen zu. Das hilft - für eine kurze Zeit...

In diesem Sinne danke ich Dir für Deine Zeilen und grüße Dich von Herzen.
Andrea

 

Monalie

hallo Via  ja jeder sollte seinen Weg finden,ich habe 8 Jahre Tag für Tag alles  aufgeschrieben ich glaube das wäre ein Roman  geworden. aber dann wurde es weniger und hörte eines Tages ganz auf, Meine Welt ist wieder klar und deutlich und meine Seele ist wieder im Gleichgewicht. ich hoffe du findest einen guten Weg,herzlichen Gruß MonaRose

ehemaliges Mitglied

Liebe Via
das tut mir sehr Leid für dich.
Ich spüre deine Not.

Roxanna

Diesen Seelenschmerz kenne ich, liebe Via. Wenn einem ein Mensch verloren geht, mit dem man tief verbunden war/ist, löst das einen tiefen Schmerz aus, dem man aber nach meiner Erfahrung nicht davonlaufen kann. Er holt einen immer wieder ein. Es bleibt nur, sich ihm zu stellen, ihn immer wieder zu durchleiden in der Hoffnung, dass er irgendwann schwächer wird. Das ist mein Weg, vielleicht brauchst du einen anderen, das weiß ich nicht.

Alles Gute und herzliches Grüße

Roxanna

silesio

    Schreiben, einfach einmal niederschreiben, was da in den Winkeln der Seele steckt, ist eine befreiende, manchmal die einzig hilfreiche Art, dem Gefängnis zu entkommen
              Silesio


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