Ein neuer Hund mit Deprivationssyndrom.........nach 100 Tagen


Nach meinem letzten Bericht habe ich mich wider besserm Wissen dazu verleiten lassen, den Druck auf Rena geringfügig zu erhöhen. Die Folge war ein totaler psychischer Zusammenbruch des Hundes. Wir standen nicht am Tag Null, wir standen am Tag minus 100. Das im Aufbau befindliche Vertrauen war totaler Angst gewichen.
Bei Ansprache pinkelte und kackte der Hund vor Angst wo er gerade stand oder lag und frass nicht mehr. Es hatte den Anschein, als habe sie sich aufgegeben.
Rena hatte eine Ecke im Haus gefunden in die sie sich, für uns fast unsichtbar, zurückzog. Sie hatte in dieser Ecke
drei Tage ihr Wasser gehalten und sich nicht gelöst.
Der nächste Lichtblick war, das Rena am fünften Tag abends zum Fressen kam.

Zwischenzeitlich habe ich den Weg zum Angsthundeforum gefunden. Dort bemühen sich ca. 100 Hundehalter durch gegenseitigen Erfahrungsaustausch mit Unterstützung von Fachleuten ihren Hunden ein neues Leben aufzubauen.
Ich mußte als erstes erkennen, dass ANGSTHUND nicht nur ein Zustand wie ängstlicher Hund oder Hund mit Ängsten ist, sondern eine schwere psychische Erkrankung darstellt, Deprivation, die schlimmstenfalls unheilbar ist.
Ursache sind eine unzahl fehlender Synapsen im Gehirn des Tieres, die sich infolge mangelnder Umweltreize durch schlechte Haltung nicht bilden konnten oder zurückgebildet haben.
Der Hund kann dadurch auf die jetzt einstürmenden Umweltreize nicht vernünftig reagieren und steigert sich in seine Angst hinein. Diesen Teufelskreis gilt es nun zu durchbrechen. Jeder Umweltreiz muß dem Hund als ungefährlich ankonditioniert werden. Wird in diesem Prozess der Druck auf den Hund auch nur kurrzzeitig zu hoch, ist das Erlernte in Sekundenbruchteilen vergessen und die pure Angst herrscht wieder.
Das Deprivation bei Hunden eine viel größere Rolle spielt als beim Menschen, bzw. dass es das überhaupt auch bei Hunden gibt, war mir bis vor sechs Wochen völlig unbekannt.

Da Rena zu diesem Zeitpunkt keinerlei Selbstvertrauen hatte und ohne jede Motivation umherlief galt es, auch eine neue Vertrauensbasis zu schaffen. Ich habe mich dafür zu einer nonverbalen Methode entschieden, d.h. meinen Körper sprechen zu lassen und die Stimme möglichst nur zum Loben einzusetzen. Dazu mußte ich ja den Hund genauer beobachten und es begannen zwei bis drei Tage "albernes" Versteckspiel. Ich beobachtete sie aus den Augenwinkeln, wenn sie zu mir schaute, schnell Kopf wegdrehen, aber andersrum war es genau so und sie drehte schnell ab.
Am dritten Tag hatte wohl Rena den Sinn der Übung verstanden und seitdem können wir uns fest in die Augen schauen. Damit war der Bann gebrochen und unsere Beziehung befindet sich nun auf einer völlig neuen, höheren Ebene. Details der weiteren Entwicklung zu beschreiben ist nahezu unmöglich, denn es ging jetzt Schlag auf Schlag, wenn auch nur in winzigen Schritten.
Wichtig war für mich in der nun ersten Woche das ich sie mit beiden Händen berühren durfte, das sie lernte Leckerli suchen macht Spass, ein für sie etwas völlig Neues und das sie sich zu mir auf die Couch legte. Sie hatte bis dahin eine unerklärliche Angst vor liegenden Menschen. In der Folgewoche konnte ich sie dann richtig knuddeln, ohne jegliche Fluchtregung liegend mit beiden Armen umfassen und meinen Körper auf ihren legen.
Alles andere hat sich so nebenbei (für uns Menschen) im täglichen Ablauf ergeben.
Im Haus bin ich fast am Ziel meiner Wünsche und Rena fast perfekt. Sie beginnt bereits uns zu erziehen. Läuft ein eingeführtes Ritual nicht genau nach den Regeln ab oder stimmt der zeitliche Ablauf nicht, macht sie uns mit Nachdruck darauf aufmerksam.
Nun gilt es, diese Fortschritte im Haus auch nach draußen zu übertragen, denn dort ist die Angst noch gleich groß wie die Neugier. Die Umweltreize im Freien sind ja auch weitaus vielfältiger als im Haus, bewirkt doch schon die wechselnde Vegetation ein laufend verändertes Abbild der Umgebung. Um dem Hund die ungefährlichkeit dieser Vorgänge (wachsender Grashalm, fallendes Blatt sind sind total blöd) begreiflich zu machen, werde ich wohl eine gesamte Vegetationsperiode benötigen und wahrscheinlich werde ich sie auch vorher nicht ohne Zwang an die Leine bekommen.

Ich hoffe, im nächsten Jahr eine Erfolgsmeldung einstellen zu können. Auf dem beschrittenen Weg gibt es nämlich nur zwei Möglichkeiten, entweder voller Erfolg oder alles vorbei. Bleibt der Stresslevel über zu lange Zeit erhalten sind durch das Hormonchaos im Körper des Hundes schwere organische Erkrankungen, als da wären Leber- und/oder Nierenversagen, Cushingsyndrom, SDU einzeln oder in Kombination, die Folge, letztlich das unweigerliche Ende.
Da wir uns aber auf ordentlichem Erfolgskurs befinden, scheidet die zweite Möglichkeit aus. Ich denke mal, viel eher werde ich von dem ersten Blödsinn schreiben können, den sie angestellt hat.

PanTau

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Kommentare (6)

PanTau ein Blog ist doch auch zum Antworten da. Wenn Kommentare unerwünscht wären, hätte ich es als Tagebuch eingestellt.

Dein Vorschlag mit Kuscheltier ist schon gut, aber für Rena noch lange nicht praktikabel. Wer das nicht erlebt hat, kann sich gar nicht vorstellen, wieviel Angst so ein Tierchen haben kann. Jeder neue Gegenstand, den sie noch nicht gesehen hat, muß ihr erst als ungefährlich dargestellt werden. Das kostet nicht nur Kraft, sondern vor allem Zeit, Zeit, die der Hund benötigt, um alles zu verarbeiten. Gegenwärtig ist noch jeder wackelnde Grashalm, jedes wedelnde Blatt am Baum ein Feind. Rena folgt mir aber auf dem Fuß in jede "Gefahr", d.h. sie vertraut mir und das ist vorerst die Hauptsache, nun muß die Zeit für mich arbeiten und ich gehe nur nach meinem Bauchgefühl und das ist gut so.
Ich kenne inzwischen Halter von Deprivationshunden die nach 2 Jahren noch nicht das Vertrauen ihres Hundes haben und wir stehen jetzt in Woche 20 sind also recht gut und trotzdem steht Spielen wohl in diesem Jahr noch nicht auf der Tagesordnung.
Das mit der Strumpfhose hab ich mir notiert, das finde ich gut, steckt doch auch ein Stück Jagdhund in Rena und das "Beuteschlenkern" gehört ja zu den Instinkthandlungen.

Der Ohrenkrauler wurde angenommen, das dürfen wir schon.

Ein schüchternes Wuff von Rena zurück und ein Knuddler an Yamo.
peterpt.
ehemaliges Mitglied weiss ich nun durch nachfragen,wo ich lesen und miterleben kann,wie sich "RenaPantau" entwickelt.

Was ihr bisher geschafft habt,ist eine grosse Leistung und wird euch Drei zusammenwachsen lassen!

Darf ich einen kleinen Vorschlag machen?

Besorg ein nicht zu kleines Schmusetier für Rena,
damit hatte ich bei meinen Tierheimhunden das Richtige gefunden.

Yamo kannte trotz seiner 7 Lebensjahre auch weder Ball,noch Ring oder anderes Spielzeug,
guckte mich nur verständnislos an, wenn ich ihn zum spielen animieren wollte.
Dann fand ich im Zooladen einen Biber,ca 50 cm gross mit hängenden Ohren Pfoten,Schwänzle und 2 riesigen weissen Zähnen.
Vor Yamos Augen knuddelte ich den lustigen Kerle und bei bestimmten Bewegungen kamen dunkle Brummtöne aus dem Biberbauch,
denen konnte Yamo nicht widerstehen!
Er holte seinen Biber und trug ihn vorsichtig auf seinen Platz,leckte ihn gründlich ab und legte dann seinen schönen Kopf darauf.
Der Biber zeigte ihm mit meiner Hilfe,dass man mit Bällen und Ringen spielen kann
und Yamo kann jetzt spielen!!!

Ein Körbchen voller Spielsachen wird benutzt,
dabei sind auch
2 kleine Quietschbälle ,jeweils in einen Fuss einer Strumpfhose gesteckt,
in der Mitte ein dicker Knoten.
Und das,ihr glaubt es nicht, ist der absolute Hit für Yamo!
Den Mittelknoten in die Schnüss und die Bälle um die Ohren gehauen und wenn die dann Töne von sich geben,springt er wie ein junger Hund vor Freude.

Vielleicht hätte dein Renamädchen auch gerne so ein Schmusetier?

Entschulldige bitte,lieber Renapappa,wenn ich hier von meinen Erlebnissen erzähle!
Ich weiss schon,dass das hier dein Renablock ist und verschwinde jetzt ganz schnell!

Fröhliches Wuff für Rena und etwas kraulen hinterm Ohrle von

GudrunYamomama
PanTau auch das Pfötchendrücken wird helfen, denn Rena mag Katzen, wenn sie ihre Angst überwunden hat. Unter Berücksichtigung ihrer Vergangenheit ist sie sehr aufgeschlossen und leider(??)
sehr schnell zufrieden. Die gewonnene Geborgenheit und Sicherheit genügen ihr schon. Ich muß nun behutsam weitere Bedürfnisse in ihr wecken, ohne sie zu überfordern. Einfach auf das "Bauchgefühl" verlassen ist die beste medizin

lg pantau.
PanTau Uschi, denn das benötige ich wirklich, damit nichts wieder daneben läuft.

peter
xenia Hallo PanTau,

bevor ich deinen Betrag las, habe ich mich erst ein wenig schlau über das Krankheitsbild gemacht.

Ich wünsche dir und Rena viel Erfolg bei den weiteren Übungen und dass sie innerhalb ihrer Möglichkeiten zu einem aufgeschlossenen und zufriedenen Hund wird.

Alles Gute für dich und Rena.

Und sicherheitshalber drücken wir Daumen und Pfötchen - wenn es auch Katzenpfoten sind ;)

Lieben Gruß
von xenia
nnamttor44 wünsch ich Dir viel Erfolg und weiterhin ein glückliches Händchen ...!!!

Uschi

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