Ein Sündchen nach Tisch


Ein Sündchen nach Tisch
Historisches zu drei Weihnachtsgeschenken im Radeberger Weihnachtstrubel von früher
Zum Weihnachtsfest 1913 wurde u. a. im Radeberger Weihnachtsgeschäft das „Schlummerkissen für den Bräutigam oder Ehemann“ angeboten. Verkaufswert: 1,20 Mark. Das industriell in Serie im Schlesischen gefertigte Kissen hatte die Aufschrift: „Ein Stündchen nach Tisch – hält den Mann jung und frisch!“ Eigentlich kein Renner, wie man in der ersten Welle des Angebots am 1. Advent feststellte. Verkauft wurden gerade mal 46 Stück. Doch dann die Sensation und das ohne Werbung. Beinahe beiläufig kam eine mit grünem Stoff bezogene Variante zum „Schnäppchenpreis“ von 80 Pfennig auf den Markt. Es fiel erst auf, als es zum 2. Advent plötzlich eine ungeahnte Nachfrage gab. Was war geschehen?
Die grüne Variante des vorher wenig beachteten Schlummerkissens hatte einen Fehler im Text. Hier stand drauf: „Ein Sündchen nach Tisch – hält den Mann jung und frisch!“ Die Mund-zu-Mund-Propaganda wirkte besser als jede gute Annonce. Guido Wünsche, Händler am Eingang zum Freudenberg, musste nachbestellen. Schnell hatte er erkannt, dass er einen „Knüller“ verkaufte. „Nur hier!“, „Nur noch bis 18. Dezember!“, „Jeder Posten muss raus“ oder „Beim Kauf von Herrenkleidung im Wert von 18 Mark gibt es die Schlummerrolle kostenlos dazu!“. Jetzt lief das Geschäft, Wünsche soll nach eigenen Angaben über 5000 solcher Kissen abgegeben haben, selbst aus Leipzig und Magdeburg kamen Anfragen. Natürlich wurde der Preis mit 1,40 Mark deutlich angehoben und somit ein zusätzliches Geschäft gemacht.
Diese Form, obwohl im damaligen Sittenverständnis anstößig, hatte ja keine wirklichen Verlierer. Bei anderen Geschenken hatte es der Erwerber gerade im Weihnachtsgeschäft mit Betrug zu tun. So bot der Hausierer Ludwig Erdmann Mögel 1892 in Radeberg ein Schönheitswässerchen im Weihnachtsgeschäft an, mit dem kleine Unebenheiten, Warzen und Sommersprosen im Bereich des Gesichts nach drei Anwendungen verschwinden sollten. Als bei der Käuferin Lucie Ernestine Messerschmidt der Effekt nicht eintrat, ließ ihr Mann in Dresden eine chemische Analyse anfertigen. Das Ergebnis: Es war Röderwasser unter Zusatz eines gelblichen Farbstoffs verwendet worden. Hergestellt in Kleinwolmsdorf. Als die Polizei der Anzeige nachging, hatte Mögel seine „Experimentalwohnung“ längst aufgegeben und trieb im Böhmischen sein Unwesen. Auf einen Aufruf meldeten sich fast 80 Radeberger, die das wertlose Wässerchen überteuert für fast 10 Mark gekauft hatten. Mögel hatte die leeren Fläschchen aus einer Konkursmasse in Niederschlesien erworben und mit Wasser gefüllt.
Eine ähnliche Dimension nahm das „American Shampooing“ an. Seit 1902 wurde es in der Damenwelt immer üblicher, sich frisieren zu lassen. Eine solche Frisur kostete bis zu 18 Mark. Davor wurde der Kopf gewaschen, was damals noch eine Seltenheit war. Das verwendete „American Shampooing“ kostete bis zu 8 Mark die Flasche. Beides Frisieren und Kopfwaschen waren also für den durchschnittlichen Haushalt eher unerschwinglich. So kamen findige Herren aus Breslau auf den Gedanken, die Kopfhaarwäsche „Nutin ähnlich dem Shampooing“ anzubieten. Preisgünstig das kleine Fläschchen für 60 Pfennig, beim Kauf von 5 Stück nur 2.20 Mark. Und man kaufte, wollte durchaus mit der Zeit mitgehen.
Als sich die ersten Frauen wegen Haarausfall beklagten, waren die Betrüger über alle Berge. Es stellte sich heraus, dass das Haarwaschmittel aus einem in Preußen verbotenen Stoff hergestellt worden war. Man hatte dieses Mittel jahrelang zum Verbessern speckig gewordener Tierhaarfelle und Kopfkissen genutzt. Als sich Arbeiterinnen in Breslau beschwerten, dass sie bei der Berührung mit dem Stoff Hautausschlag bekamen, wurde er verboten. Die Betrüger hatten die Rester aufgekauft uns u. a. in Radeberg vermarktet.
haweger

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