Eine Reise nach Würzburg


Wir haben den Wetterfrosch am Morgen in der Früh noch einmal gefragt, was wir denn am Ziel für ein Wetter haben werden. Wir waren eigentlich noch müde, als der auf sechs Uhr gestellte Wecker, das Handy, rasselte. Wir wetteiferten mit einander, wer was bis zum Abmarsch zum Bahnhof schon ohne zu fragen machte, denn die Bude wollten wir doch nicht so wüst verlassen. Um halbacht zogen wir los zum Hauptbahnhof.
Was ist denn heute, am Samstag so früh los, soviel „Masse Volk“?! Die einen mit Shawls „1860“, also München-Fans. Andere, ältere Herrschaften, mit Wanderschuhen und leichtem Wandergepäck. Ich mußte ein Bayernticket Single besorgen, Irene hat ja ihren Behindertenausweis, kann also umsonst den Regioverkehr nutzen. Wir beeilten uns in Vorahnung, der Zug könnte vielleicht voll werden, zum Gleis 5. Da stand der schnelle RegioExpress München-Ingolstadt-Nürnberg schon und …
der war ganz schön voll und man hörte, wie die Fans von 1860 München lautstark um Stimmung rangen. Nach Durchstreifen der Waggons fanden wir noch zwei Plätze nebeneinander. Naja, für die habe Stunde von Ingolstadt nach Nürnberg, war es egal, ob vorwärts oder rückwärts sitzend. Und aus den zulaufenden Zügen aus Regensburg, Neuburg an der Donau und von Augsburg strömten nochmal reichlich Fahrgäste zu unserem Zug, und auf den drei Stationen, die der schnelle Zug hielt, wollten noch mehr Reisende mitfahren.
In Nürnberg: was ist denn hier los?! Der Lautsprecher wies die 1860 Fans zum Sonderzug auf Gleis … die waren wir also schon mal los. Wir mußten zum Gleis 5. Oben angekommen quakte der Lautsprecher, daß unser Regio heute auf Gleis 8 abführe, also mal wieder ein richtiges Kuddelmuddel, Treppen runter und wieder rauf. Ein Gewühle, ich motzte und wollte die Tour zu unserem gewählten Ziel nicht mehr mitmachen, doch Irene setzte dagegen, daß sie sich auf diese Reise so gut vorbereitet hätte, und das ließe sie jetzt nicht fallen, basta. Der Bahnsteig war auch ohne die Fans voll. Als der Zug aus und wieder zurück nach Würzburg einrollte, wurde der sich mühsam leerende Zug regelrecht gestürmt. Im Fahrradabteil fanden wir zwei Plätze. Der erste Waggon gleich hinter der Lokomotive.
Der Waggon rumpelte über die Gleise, so als hätte man ihm zuviel Luft in die Reifen gepumpt. Zum Rausschauen mußten wir die Hälse drehen, den Blick auf den gerade untergehenden Konzern „Quelle“ in Fürth verpaßten wir. Eigentlich verpaßte die Kamera ja auch nichts, es war trübe bis diesig – ob sich das noch bis zum Ziel, Würzburg am Main, noch ändert?
Die Fahrt bis nach Würzburg war mit eineinhalb Stunden Fahrzeit angesetzt. In Markt Bibart verließen viele der "Wanderschuhe" den Zug. Wir stiegen in einen andern Waggon um, konnten bequem sitzend der vorbeihuschenden Landschaft nachsehen. Kitzingen zeigte seinen schiefen Kirchturm. Die Lok bremste nach stetem Aufwärtsschnaufen den Zug auf der kurvenreichen Abfahrt zum Main ab. Eine sicher bekannte Autobahn wurde unterfahren. In Rottendorf kam noch eine Bahnstrecke hinzu. Dann rollte unser Zug in den Würzburger Hauptbahnhof ein.

Würzburg bemühte sich, uns mit etwas freundlichem, doch einigermaßen brauchbarem Fotolicht zu empfangen. Wir hatten in der Vorbereitung gesehen, daß die markanten Sehenswürdigkeiten gut zu Fuß zu erreichen sind. Ich hielt mal die Schnauze und ließ mich von Irene durch die Stadt lotsen – das war wunderbar: Zeit zum Ausschau halten nach Fotozielen.
Wer weiß, daß Würzburg kurz vor Kriegsende durch massive Luftangriffe bis zu 90 Prozent zerstört war, der versteht die Fassaden aus den 50/60er Jahren, die das Bild der Altstadt ausmachen, man hat wieder neu anfangen müssen. Und … eigentlich kann man sich an diese in anderen modernisierten Städten kaum noch zu findenden Baustile anfreunden. Ein Glückwunsch dem so wieder aufgewachsenen Würzburg.

Friedlich zockeln die Straßenbahnen durch die Stadt, breite Wagen auf schmaler Spur, jeder Zug mit ansprechender Reklamebemalung. Nicht grell, nicht aufdringlich, nein, das stört das Gesamtbild nicht.

Da auf dem Marktplatz waren Buden mit allerlei Angeboten aufgestellt. Da sang ein Gospelchor, das Rote Kreuz, ja auch vornehm gekleidete Herrschaften baten diskret mit ihren Sammelbüchsen um kleine Spenden. Da saßen junge Burschen oder Männer auf einer Rundbank zusammen, wärmten sich – wie wir auch – an einem Glas Glühwein, knabberten frischgebrannte Mandeln. An einer anderen Rundbank hielten Damen, ältere Semester so wie wir, ihren Plausch. So viel Volks, Bewegung!

Wir besuchten Kirchen und den Dom. Wir überquerten die alte historische Brücke über den Main. Wir sahen den drei Niederländischen Frachtschiffen zu, wie sie in der Schleusen abgesenkt wurden, sie werden also bald auf dem Rhein in Holland ankommen.

Wir wanderten knipsend zur Residenz. Klar, daß wir an einer Führung teilnahmen. Wir bekamen einen Führer, der laut, klar und deutlich, sachlich und mit Humor uns diese kollossale Anlage erklärte. Wenn man bedenkt, wie auch dieses Kulturerbe einmal zerstört war und so liebevoll und getreu nach noch erhaltenen Unterlagen wieder aufgebaut wurde. Man muß schweigen, wenn die Frage auftaucht, wer da einst gearbeitet hatte und wie er damals gelebt hatte, von dem, was die Auftraggeber dafür zahlte. Ganz anders dann das Staunen über die Kunstfertigkeiten der Meister mit und um das Genie Balthasar Neumann.

Trunken von der Pracht gingen wir noch in den Garten zu diesem Schloß. Und dann wieder zurück zum Hauptbahnhof, wir hatten Zeit. Und was sehen wir da? Die recht kleinlauten 1860er Fans – hatte doch der Verein in Frankfurt eins auf die Mütze gekriegt. Und die Wanderer stiegen müde, aber sehr zufrieden aussehend, wieder zu. Alle wechselten wir in Nürnberg die Züge. Es war längst dunkel geworden im Rest der Sommerzeit, die uns in der kommenden Nacht wieder verläßt.

Über fünfhundert Bilder schleppten wir nach Hause. Ein Sonntag, das Wetter lädt nicht zum Wandern ein, also Zeit zum Nocheinmalerleben des Gestrigen.

Und wo geht’s nun das nächste Mal hin ?

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