Einrichtungen und ihre Gründe ...


Einrichtungen und ihre Gründe ...

Zum ersten Mai 2011 hatte ich eine kleine Wohnung für mich in der Stadt gefunden. Das Haus war etwa in den 1990er Jahren errichtet worden und bot elf Parteien sowie zwei Firmen im Erdgeschoß ein Zuhause. Auch der Mietpreis war – trotz zentraler Lage – akzeptabel.

Ich schaffte mir Möbel an, denn ich wollte mich ja wohlfühlen in meinem eigenen neuen Zuhause. Die Dinge, die ich in Müllsäcke verpackt auf meiner Flucht mitgenommen hatte, brauchten ihren Platz, ich wollte nicht darüber stolpern oder sie wie ein Messi in der Wohnung verteilt wissen und alte Möbel waren schon gar nicht dabei. Endlich durfte ich Möbel aussuchen, die nicht in ihrem Aussehen und ihrer Funktionalität dem Geschmack meines Vaters oder meines Mannes wie in der Mitte der 1960er Jahren entsprachen.

Keksdose für Björn, Weihnachtsvase, Wandtattoo 20.11.2011 006.jpg
Ich genoss es, mit meiner Tochter in der nahen Großstadt in den Möbelgeschäften die modernen Schränke, Tische und Sofas zu begutachten, auszusuchen, worin ich mich wohlfühlen wollte – und das gelang auch, wie ich nun nach über zehn Jahren weiß. Eine Kücheneinrichtung wurde mit vermietet. Da brauchte ich nur Platz für meine Mikrowelle, meine Kaffee- und meine Brotschneidemaschine.

Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wie meine ersten Schlafzimmermöbel aussahen. Ich weiß nur, dass durch die Unachtsamkeit bei mehreren Umzügen Schrank und Ehebetten doch etwas ramponiert aussahen, so dass ich darauf drängte, sie wieder herzurichten oder neue Möbel anzuschaffen.

Eines Tages fuhren wir zu einem nahen Möbelgeschäft. Mein Mann hatte mich glauben lassen, er wolle einen neuen Kühlschrank anschaffen. Doch sein Weg führte schnurstracks in die Schlafzimmerabteilung. Meine Bemerkung, dort gäbe es ganz sicher keine Kühlschränke, ließ ihn grummeln, wie blöd ich doch sei! Wir suchten neue Schlafzimmermöbel aus. Seine unfreundliche Bemerkung hatte allerdings dazu geführt, dass ich mich nun für schwarzes Mobiliar entschied! Die Nächte seien eh dunkel, da wäre es ja egal, ob ein heller oder ein schwarzer Schrank die Nacht über unseren Schlaf begleiten würde …

In der neuen Umgebung von Osnabrück hatte mein Mann einen Kunstschreiner kennengelernt, mit dem er sich angefreundet hatte. Dessen Fertigkeiten und Wissen ließen ihn Kenntnisse und Kleinigkeiten für das gemeinsame Hobby, den Modellbau erwarten. Wir waren in die Nähe gezogen und die zusammengewürfelten Küchenmöbel gefielen uns so garnicht mehr. Der neue Freund hatte noch Beziehungen zu seinem vorherigen Arbeitgeber, einer Firma, die Einbauküchen produzierte. So kam es, dass ich meine erste Einbauküche erhielt. Auch wenn es mein „Arbeitsbereich“ war, mein Mann sah diese als sein Eigentum an, die ersten Möbel, die er gekauft hatte! Die vorherige Wohnungseinrichtung war ja meine Mitgift! Mit den Jahren zeigte sich, dass die Küchenschranktürgelenke anfällig geworden waren. Die eine oder andere Schranktür hing eher schräg in ihrer Halterung und ich erntete so manchen Rüffel, nicht sorgsam genug damit umzugehen.

Dafür befand er plötzlich die Wohnzimmer-Biedermeier-Einrichtung (in der Höhe verstellbarer in die Breite zu nutzender Ausziehtisch sowie zwei Sessel und ein Dreisitzer-Sofa) nicht mehr für sich gut genug, kaufte einen klobigen schweren runden Marmortisch und akzeptierte ein altes, durchgesessenes Sofa von einer alten Tante! Es brauchte einige mosernde Bemerkungen meinerseits, bis er endlich bereit war, ein neues Übereck-Sofa mit dazugehörigem Sessel zu kaufen. Die Biedermeiermöbel brachte er zum Piesberg, wo sie ihm sofort aus der Hand gerissen wurde, weil sie noch sehr gut in Ordnung war!! Und ich weinte meinen Möbeln hinterher!

Nach 35 Jahren mit auch wieder mehreren Umzügen beschloss ich, das Angebot meiner Tochter anzunehmen, die – inzwischen Inhaberin einer eigenen Werbefirma – einen Küchenmöbelhersteller als Kunden hatte, der sich darauf freute, meine Küche mit gut funktionierenden und durchdachten Möbeln auszustatten. Oh je, war mein Gatterich sauer! Seine Frau und seine Tochter planten nicht nur eine eigene Küche, die ich dank inzwischen erhaltener Entschädigung für eine Verletzung unter einer Operation sowie inzwischen regelmäßiger eigener Berufstätigkeit selber zahlen konnte. Wir setzten das auch in die Tat um. Immer wieder stand er in einer der zwei Küchentüren, beäugte misstrauisch das Tun der Fachleute und ließ sie mit seinem Gesichtsausdruck wissen, was er davon hielt.

Da der 35 Jahre alte Kühlschrank immer noch seinen Dienst tat (auch wenn sein Stromverbrauch zu hoch war), rettete der Herr des Hauses diesen für seinen nächtlichen Bierdurst in den Keller. Natürlich stand er in meinem Hobbykeller, wo noch Platz war, wo für diverse Treffen mit den durstigen Herren der Nachbarschaft eine Bar aufgebaut worden war. Der Hobbykeller des Hausherrn war so vollgestopft mit Werkzeugen und Modellschiffen – da passte kein Fußbreit mehr etwas anderes hin! Und so konnte auch verhindert werden, dass ich meinen Hobbykeller ungestört mit meinen Damen für meine/unsere Hobbys - Malerei, Stricken und Stoffdruck - nutzen konnte.

Die regelmäßigen Treffen der Nachbarschaft endeten abruppt, als die direkten Nachbarn sich entschlossen, ein eigenes Haus zu erwerben, nicht mehr diesen kellerlosen ehemaligen vom bäuerlichen Schweinestall zu einem Wohnhaus umgebauten alten Bau zu bewohnen. Ihnen abends täglich zu folgen, um gemeinsam zu trinken, das war meinem Göga dann doch zu aufwendig. Selbst hätte er wegen des Alkoholkonsums nicht wieder nach Hause fahren dürfen, zu Fuß war es ihm zu weit und meine Fahrdienste anzunehmen war er dann doch zu stolz. Vielleicht hätte er sich auch kontrolliert gefühlt?

Es dauerte dann nicht mehr lange, bis sein Alkoholgenuss ihn innerlich immer zorniger werden ließ. Es gab zunehmend Streitereien, bis er eines Tages auch begann, mich zu beschimpfen und tätlich werden zu wollen. Das war dann der Punkt, an dem ich endlich einsah, so nicht weiter leben zu können. Ich bepackte – heimlich – die anfangs benannten Müllsäcke mit meiner Kleidung, den wichtigsten Papieren und Kleinigkeiten, die ich ihm nicht zurücklassen wollte und machte mich auf den Weg in die Freiheit!

Die ganzen Jahrzehnte war ich für unser Bargeld zuständig gewesen, hatte dafür gesorgt, dass das Konto nie überzogen wurde, die Kredite für die Pkws und unser Haus pünktlich bedient wurden. Einen Tag vor meiner Flucht hatte ich extra Eintopf gekocht, den er sich nun – sollte er hungrig sein – warm machen und essen konnte. Dann teilte ich das gerade vorhandene Bargeld, ließ ihm die Hälfte an der Stelle in der Küchenschublade zurück, wo er sich jahrelang am Haushaltsgeld heimlich bedient hatte, und fuhr davon! Klar hatte ich zuvor dafür gesorgt, dass meine Rente auf mein neues Konto in meiner neuen Heimat floss. Meinen Fluchtwagen verkaufte ich gut und überwies ihm die Hälfte des Geldes, obwohl – wie mein RA mir klar machte, ich das nicht gebraucht hätte – damit er sich einen anderen Pkw kaufen konnte.

Dieser große Pkw war vom restlichen Geld gekauft worden, das noch von der Entschädigungszahlung für die operative Verletzung übrig war, also im Grunde meiner. Schließlich brauchte ich meinen Wagen hier nicht, hatte mein Fahrrad mit Hilfe meiner Tochter nachgeholt und hatte so ebenfalls die Möglichkeit, meine neue Umgebung zu erkunden, vermutlich sogar besser als mit dem Auto. Es half mir jedenfalls nicht nur, meine neue Umgebung als heimatlich zu betrachten, es verschaffte mir auch das Kennenlernen so einiger lieber Menschen in dieser neuen Heimat, die meine Tochter schon dreißig Jahre zuvor für sich gewählt hatte, als sie vor ihrem Papa floh.

Vor gut einem Jahr zog ich nun ins sanierte EG im Haus meiner Tochter, wo oben genannter Küchenmöbelhersteller mir die nun geräumige Küche passgerecht eerstellte. Sollte ich nur noch mit dem Rollator herumlaufen können, hier geht das, ist Rücksicht drauf genomen worden!

Heute freue ich mich, dass ich endlich auch mein elektrisches Klavier in meiner "letzten" Wohnung aufstellen konnte. Es ist noch in Ordnung und bespielbar - wenn meine ertaubten Finger das nur zuließen ...

 

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Kommentare (1)

Manfred36

Hinsichtlich der "ertaubten Finger'" und dem Keyboard leide ich mit dir  😩


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