Als ich von der Bus-Haltestelle nach Hause strebte, sah ich ein Reklameschild, das mich auf einen Frisiersalon hinwies. Ach ja, vor zwei Monaten war ich das letzte Mal, und das noch in Bayern, beim Friseur, einer Friseuse mit türkischem Stammbaum. Es wurde also Zeit, die Wolle wieder einmal stutzen zu lassen – die Brille hatte schon Probleme bekommen, sich zwischen Kopf und Ohrwascheln zu halten. Und ich habe mich also herangetastet an diesen Salon.

Irgendwie ist das „Zumfriseurgehen“ eine komische Sache: wenn da einer an die Wolle geht, muss er erst einmal Vertrauen erzeugen. Das fängt bei seiner Neugierde an, geht über das Labern beim Schnippeln weiter und endet mit dem Zeigen seiner Arbeit im Spiegel hinter dem Kopf des Delinquenten (da siehste eigentlich nischt mehr, weil‘s am Boden liegt).

Da sitzte und musst was warten, weil de unangemeldet zur Schlachtbank gekommen bist. Da sitzt schon eener, will auch sein Kapital zu Boden reißen lassen. Und neben an sitzt eine Dame mit Lockenwicklern, soll nun unter die Haube, den Fön. Also warten, Zeit zum Sinnieren.
Das war noch in Oberschöneweide, Vater ging mit mir die Treppen hoch in einen Laden. Da hingen von der Decke so kugelige Körper mit einem Schwanz, der so aussah wie der Schlauch zur Dusche im Badezimmer. An diesen Schwanz steckte der Mann, den man Frisör nannte (seine Frau war dann also die „Frausör“), etwas dran, dann schnarrte das ganze so komisch. Mit dem Ding ging der Frisör an den Kopf eines Mannes, der vor einem großen Spiegel saß. Haare fielen zu Boden. Und dann war ich dran: ich kam auf einen Kinderstuhl, so mit Pferdekopf aus Holz und zwei Griffstangen links und rechts, wo ich mich festzuhalten hatte. Das surrende Etwas ging mir an den Kopf und dann klapperte der Frisör mit einer ganz schlanken Schere am Kopf herum, wieder fielen Haare runter. Mein erster Besuch beim Friseur! Dem müssen so einige Besuche gefolgt sein, denn ich kann mich nicht erinnern, dass Mutter mir die Haare geschnitten hat.

Wir zogen raus nach Eichwalde. Mit Mutter ging’s zu einem Friseur. Mutter brauchte mit ihren Haaren nicht dahin, aber ich wurde da abgeliefert. Ein dunkler Laden mit Kabinen aus Vorhängen, in denen Frauen saßen, alle unter so komischen Hauben. Ein Sirren und so komische Wärme in dem Laden. Ich bin weggelaufen, weil mir das so unheimlich vorkam. Mutter brachte mich wieder zurück, es half nichts: die Wolle musste runter. Und das wurde dann Routine.

Der Krieg kam und nahm den Friseur mit, also zu einem anderen Laden, wo noch ein Mann vorhanden war. Aber schließlich war der auch im Krieg. Vater war jetzt in der Greifswalder Straße kaserniert, seine Zeit in Jüterbog war abgelaufen. Also fuhr ich zu Vater in die Greifswalder Straße, ich saß dann in der Achtmannbude und bekam von einem Kameraden des Vaters den Militär-Haarschnitt verpasst, der Haarschnitt, den auch Pimpfe tragen sollten. Ich bin regelmäßig nach Berlin reingefahren, musste mich in der Schreibstube melden, auch zackig meine Meldung beim Kompaniechef abgeben. So hatte ich also bis Ende 1944 immer einen für mich kostenlosen Friseur – was Vater dem Kameraden dafür gab, weiß ich nicht.

Dann wurde es schwieriger: Frauen an die Front! Die Haare waren jetzt in Frauenhand. Ich kam nicht mehr nach Berlin, irgendwo in Eichwalde war die Abgabestelle für meine Haare. Frisieren war so Nebensache geworden – ich habe dazu nichts im Gedächtnis.

In Bonn bin ich mit Vater zum Friseur geschlendert. Das war nicht weit von zu Hause weg. Momente, wo wir „Männer“ mal aufeinander warteten und dann geputzt zurückkehrten. Als ich dann Bonn verließ, in die Welt hinaus zog, war immer ein Friseur irgendwo aufzutreiben. Frisieren war so Nebensache geworden – ich habe dazu nichts im Gedächtnis.

In Ingolstadt die Friseuse türkischer Abstammung. Noch einmal zum Abschied – jetzt aber nicht mehr Kahlschlag sondern die Haare wieder etwas länger: „Beatle mit Schiebedach“. Abschied von Bayern. Das vor zwei Monaten, also höchste Zeit einen „Putzer“ zu bemühen.

Ich bin zu Hause angekommen – da brauche ich einen Friseur. Ich habe die Dame gefunden: „Frausör“!

ortwin

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Kommentare (2)

ortwin Es ist so anerkennenswert, wie diese kleine junge Frau in der Münchener Straße in Ingolstadt in dem modernen Frisiersalon den Laden schmeißt - egal, ob Franchise oder mit Familienunterstützung. Geboren in Ingolstadt, hat nun ihre Moschee ganz in ihrer Nähe. Ich bin so richtig aus Sympathie da hingegangen.
ortwin
ehemaliges Mitglied Was ist anders bei einer Frisöse türkischer Herkunft?
fragt dich mal so nebenbei...
der Wilddieb

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