Emma Zschiedrich wurde „Venus von Radeberg“



Emma Zschiedrich wurde „Venus von Radeberg“

Vor 125 Jahren fand ein einmaliger Maskenball statt

Aus den Fastnachtsveranstaltungen des Jahres 1891 ragte der vom Dienstag, dem 20. Januar, heraus und war wochenlang in aller Munde. Er bot bisher nicht Dagewesenes, führte aber zugleich kulturpolitisch in eine Sackgasse. Denn die Gremien der Stadt, Kirchenvorstand und Stadtrat, waren mit dem Gebotenen nicht nur im moralischen Bereich überfordert, sondern sahen darin den Anlass zukünftig den Fastnachtsgedanken auf Sparflamme zu halten. Dabei ging es jedoch nicht um politische Anliegen, denn ein Jahr zuvor wurde immerhin das Sozialistengesetz gekippt. Es waren die Dinge des Frivolen und des Amüsements, dazu vieles an Neuheiten, die den Maskenball zu seinem außergewöhnlichen Ereignis werden ließen. Ausgangspunkt des Dienstags, ein Arbeitstag(!), war das „Deutsche Haus“ auf Radebergs Bahnhofsstraße. Zwei Kapellen und Vergnügen bis zum Mittwochfrüh bildeten den Rahmen. Vormittags 11 Uhr eröffnete eine Polonaise durch das ganze Haus und den Biergarten den „Großen Maskenball“. Das Tragen einer Maske war Pflicht und wurde von der „Festpolizei“ genau kontrolliert. Wer keine trug, kam in den „Fastnachtskarzer“. Hieraus konnte er oder sie nur durch eine Serie von Küssen erlöst werden.

Eine Dresdener Fastnachtsgesellschaft unter Leitung des Tanzordners Herrn Julius Hitschold übernahm zum Mittag das Zepter. Über 100 Personen hatte er aus Dresden mitgebracht. Bei milden Außentemperaturen wurde ein „Carnevals-Festzug“ organisiert. Dieser ging vom Biergarten unter dem Voran einer extra engagierten Zigeunerkapelle in Richtung Brauerei und von da zurück zum Bahnhofsvorplatz. Dort gab es Freibier und danach ging es wieder in das „Deutsche Haus“. Ein Umzug durch die Stadt war wegen der Nachwirkungen des Sozialistengesetzes seitens des Stadtrats abgelehnt worden. Nach dem Umzug im Saal war ein japanisches Ballett zu sehen. Acht echte „Japanesen“, wie man damals sagte und schrieb, dazu zwölf als Japaner verkleidete männliche Personen, bildeten das Ballett.
Zum Schluss des Nachmittagsprogramms gab es ein Lebensbild mit bengalischer Beleuchtung. Lebensbild bedeutete eine ziemlich nackte Frau hinter einem verhüllenden Laken. Man ahnte mehr als man sah, denn das Zeigen einbes nackten Körpers war damals noch strafbar. Und dennoch lotete man das Mögliche aus, eine Konzession an das Vergnügungspublikum. Höhepunkt war dann das „Bilderrätsel“. Eine halbnackte Frau, die ab dem Bauchnabel praktisch nichts an hatte, mit einem Laken verkleidet. Auf dem Laken im unteren Teil ein großes Fragezeichen. Der erste Teil des zu suchenden Wortes. Dann ein Eimer mit den Spuren von Teer und als dritter Wortteil eine Krippe aus der Weihnachtszeit. Das gesuchte Wort „Futterkrippe“. Fut stand für den ersten Wortteil, eine damals häufig gebrauchte Bezeichnung in unserer Gegend für den weiblichen Geschlechtsteil. Der Sieger des Ratespaßes erhielt einen Korb mit sechs Flaschen französischen Champagner.
Genauso verwegen ging es dann am Abend zu. Witz und Musik, Klamauk und Tanz wechselten. Mitternacht dann die Prämierung der „Venus von Radeberg“. Acht Damen hatten sich in Pose gelegt, ähnlich dem Gemälde der schlummernden Venus. Natürlich leicht verhüllt im Sinne der „Lebensbilder“, mehr ahnend als sehend. Als „Venus von Radeberg“ erhielt Emma Zschiedrich per Applaus den Zuschlag. Ein Preisgeld von 30 Mark und einen Korb mit französischem Champagner brachte ihr der Wagemut.

Das dicke Ende kam zuletzt. Am Tag darauf mokierte sich der Kirchenvorstand über den Puppenbalg, der in der Krippe als Jesus lag. Hier das Anstößige, wenn man dem Balg auf den Bauch drückte, kam ein Wasserstrahl heraus. Das war dann der Stein des Anstoßes, solcher Art Maskenbälle in Radeberg künftighin eher nicht zu gestatten.

haweger

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