Endlich sturmfreie Bude


Immerhin witterte er eine Chance, seine heimliche Liebe Gisela aus der Parallelklasse zu sich nach Hause einzuladen und dort zu verführen, was ihm bei der ständigen Anwesenheit seiner Oma bis­her nicht möglich gewesen war.

Er gab sich die größte Mühe, indem er die Wohnung aufräumte und reinigte. Nicht ohne Hintergedanken kaufte er zwei Flaschen Vipa, ein alkoholhaltiges Erfrischungsgetränk, wie auf dem Etikett zu lesen war. Seine Einladung begründete er damit, dass er Sarotti-Schokolade und Bahlsen-Kekse hatte, die aus einem kürzlich einge­troffenen Paket von seinem Westberliner Onkel stammten. Das schien ein solch verlockendes Angebot zu sein, dass Gisela es nicht ablehnen konnte.

Als sie endlich seiner Einladung folgend bei ihm zu Hause war, setzte er sich mit ihr auf das alte durchgesessene Sofa im Wohn­zimmer, goss Vipa in die guten Sektschalen aus dem Wohnzimmerschrank und stieß mit ihr an. Er hoffte, dass die Vipa mit ihrem Alkoholgehalt geeignet wäre, bei Gisela die Toleranz für seine geplanten Annäherungen zu vergrößern. Dass dieses Getränk auch eine große Menge Kohlensäure enthielt, die in den Gläsern perlte, vermittelte den Eindruck, dass es sich um richtigen Sekt handele.

Nachdem sie die beiden Flaschen geleert und einige Kekse und viel Schokolade gegessen hatten, sah er seine Chance gekommen. Er rückte auf dem Sofa näher an Gisela heran und ergriff ihre Hand, um sie zu streicheln. Sie ließ ihn gewähren, was ihn ermutigte, sich ihr weiter zu nähern. Er legte seinen Arm um ihre Schultern und zog sie zu sich heran. Jetzt waren ihre Münder nicht mehr weit voneinander entfernt, sodass er aufs Ganze gehen und sie küssen wollte. Er schloss die Augen und war im siebten Himmel, jedoch hatten sich gerade ihre Lippen berührt, da entwich die Kohlensäure unüberhörbar aus seinem Magen in Form eines lauten Rülpsers.

Erschrocken zuckte Gisela zurück und rückte sofort von ihm weg. Die Stimmung war hin. So sehr er sich auch entschuldigte und bettelte, sie wollte nur noch weg und ließ sich nicht aufhalten.

Aus dem Buch "Onkel Bürgermeister" von Wilfried Hildebrandt


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Kommentare (5)

taralenja1.11.

@wilfried,
lieber wilfried, ich habe herzlich gelacht, wie schon lange nicht mehr. ich werde weiter in deinen blogs lesen. auch deine bücher haben mich neugierig gemacht, kann aber kleine schrift trotz brille nicht mehr lesen. haben deine bücher autodidaktische züge?
ich selbst schreibe auch aber eher gedichte und ein tagebuch meiner DIS-therapie habe ich vergangenes jahr veröffentlicht. im moment schreibe ich mein 4. buch, werde aber immer wieder durch lebensbedrohliche erkrankungen am schreiben gehindert. heute habe ich endlich wieder anfangen können weiter zu arbeiten.
herzlichst taralenja1.11.

 

Rosi65

Hallo Wilfried,

meine früheren (männlichen) Azubis beherrschten die ordinäre Kunst der lauten Rülpserei ganz hervorragend. Sie konnten es nämlich auf Kommando, nur um damit die Mädchen  zu ärgern.
Bei Dir war das natürlich eine ganz andere Situation. Sicher hat aber das Fräulein Gisela ,nach so langer Zeit, diese romantische Stunde schon lange vergessen.😊

Meint mit besten Grüßen
         Rosi65

werderanerin

Ja, lieber Wilfried..., so etwas ist dann doch (bei aller Liebe) ein Rülpser zu viel gewesen aber sicherlich hast du daraus gelernt und derweile eine andere, liebe Frau an deiner Seite...oder...?


Kristine

Wilfried

@werderanerin  Natürlich habe ich seit über 50 Jahren eine liebe Frau an meiner Seite, die gerade wieder aufopferungsvoll mein nächstes Buch korrigiert, bevor es veröffentlicht wird.

ehemaliges Mitglied

Ja, so kann es gehen, aber ein Rülpser in einem zärtlichen Moment, das kann ein Mädchen schon zur Flucht verleiten.

Herzlichst Rosenbusch


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