Englisch lernen in Malta


Schon zu Hause hatten wir einen Testbogen ausgefüllt, den wir jetzt abgaben. Damit sollte unser Niveau der Sprachbeherrschung ermittelt werden, um uns der richtigen Klasse zuordnen zu können.
Bei meiner Frau lagen die Verhältnisse klar auf der Hand. Sie hatte sich nie mit Englisch beschäftigt, weshalb sie null Punkte im Test hatte und sich mit den uns empfangenen Lehrern nicht in Englisch unterhalten konnte – also Anfänger-Niveau.
Bei mir war die Einstufung etwas komplizierter. Ich hatte ebenfalls nie in der Schule Englisch-Unterricht gehabt, mein Test war mittelmäßig ausgefallen, aber ich konnte mich fließend mit den Lehrern unterhalten. Sie beschlossen daher, mich in eine Klasse für mittleres Niveau zu stecken, gaben mir aber den Hinweis, dass ich jederzeit wechseln könne, wenn ich den Eindruck hätte, überfordert zu sein.
So ging ich dann mit einem etwas ängstlichen Gefühl in die mir zugewiesene Klasse.
Nach und nach trafen die übrigen Schüler ein. Am Ende kam auch der Lehrer und der Unterricht konnte beginnen.

Wie so oft stellten wir uns zuerst einmal vor. Der Lehrer hieß John und eröffnete die Runde, indem er erklärte, dass er Engländer sei und ihn die Liebe nach Malta verschlagen hätte.
Bei den Teilnehmern stellte sich heraus, dass fast alle Deutsche waren. Die einzige Ausnahme bildete eine hübsche junge Dame aus Südfrankreich.
Es fiel mir sofort auf, dass die anderen auch nicht besser Englisch sprachen als ich. Das wunderte mich umso mehr, da sie alle aus Westdeutschland kamen und doch in der Schule Englisch gelernt hatten.
Ärgerlich war, dass der Lehrer keine Gelegenheit ausließ, seine Abneigung gegen Deutsche zu zeigen. Vor allem die Frauen hatten es nicht leicht bei ihm.

Nun bestand aber unsere Reise nicht nur aus Sprachunterricht, sondern es gab nachmittags freie Zeit, um Land und Leute kennenzulernen. Das taten wir denn auch ausgiebig.

Schon daheim hatten wir uns klargemacht, dass Malta ein sehr kleines Land ist. Seine Fläche ist etwas kleiner als die der Stadt Bremen. Die Einwohnerzahl liegt bei 400 000.
Zwischen den einzelnen Städten verkehrten Busse, die ihresgleichen suchten. Sie schienen aus der Zeit zu stammen, als Malta noch britische Kronkolonie war, denn sie waren so alt und klapprig, dass man sich kaum vorstellen konnte, dass sie die nächste Fahrt überstehen würden.
Trotzdem stiegen wir ein. Man musste beim Fahrer Tickets kaufen. Diese entwertete er sofort, indem er sie einriss.
Danach versuchte ich mich in eine der Sitzbänke zu zwängen, was aufgrund meiner langen Beine unmöglich war. Ich ließ die Beine also im Gang stehen und musste nur aufpassen, dass niemand darüber hinfiel.
Nach und nach füllte sich der Bus. Ich weiß nicht, ob es einen Fahrplan gab oder ob die Anzahl der Passagiere der Grund war, dass es irgendwann losging. Der Fahrer ließ den Motor an und die einheimischen Fahrgäste bekreuzigten sich, was aufgrund des Klapperns aller Teile des Busses auch nachvollziehbar war. Wenn wir gedacht hatten, dass sich die Tür schließen würde, hatten wir uns geirrt. Sie blieb während der gesamten Fahrt offen. Dass dies angenehm war wegen der Wärme, war sicher nicht der Hauptgrund. Wir vermuteten eher, dass der Mechanismus defekt war.

Am Freitag gab es großen Abschied, denn einige der Schüler fuhren nach Hause. John ließ sich natürlich die Gelegenheit nicht entgehen, um die abreisenden Damen noch einmal zu demütigen, indem er so tat, als ob er deren Heimatstädte Braunschweig, München und Köln nicht von Tirana, Bratislava und Belgrad unterscheiden könne. Die Damen sollten ihm die Unterschiede erklären und kamen dabei schnell an die Grenzen ihrer Sprachbeherrschung, woran er sich genüsslich weidete. Dabei machte er keinen Hehl daraus, dass er alle sechs genannten Städte für abscheulich hielt.

Für das Wochenende hatte die Lehrerin einer anderen Klasse einen Ausflug organisiert und suchte noch Teilnehmer. Da wir nichts Besseres vorhatten, schlossen wir uns an.

Während der Fahrt wurden wir auf vieles hingewiesen, das uns teilweise bei unseren Busfahrten schon aufgefallen war.
Die einheimische, uns begleitende Lehrerin erzählte auch, dass die Malteser sehr fromm und abergläubisch seien.
Als Beispiele nannte sie, dass die Kirchturmuhren auf allen Seiten verschiedene Zeiten anzeigten. Was wir bis dahin für ein technisches Problem gehalten hatten, war in Wirklichkeit ein ausgeklügelter Trick, der dazu diente, den Teufel zu verwirren, auf dass dieser nicht wüsste, wann Gottesdienst sei und ihn deshalb nicht stören könne.
Ebenso hatten die Ställe auch keine Fenster zur Straße, damit die Tiere nicht durch den bösen Blick eines Vorübergehenden verhext würden.


Aus dem Buch "Reisehusten" von Wilfried Hildebrandt
 


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Kommentare (2)

Rosi65

Lieber Wilfried,

es ist wirklich schade, dass der Englischlehrer so arrogant war. Das konnte den Schülern tatsächlich die Freude am Lernen nehmen. Die einheimischen Malteser haben wir zum Glück immer als freundliche und hilfsbereite Menschen kennen gelernt.

Viele der damaligen Oldtimer-Busse fuhren vielleicht aus verschiedenen Gründen mit offenen Türen. Habe manchmal erstaunt beobachtet, wie einige der Fahrgäste, noch während der Bus sich im Bremsmanöver befand, ganz lässig während der Fahrt auf die Straße gesprungen sind. Vielleicht ein kleiner Volkssport? Was sollte den Fahrgästen aber auch schon passieren, denn in vielen Bussen fuhren ja schließlich Heiligenfiguren/-Bilder mit.😊

Scan_20220917 (4).jpgAuch dieser Bus hatte sein Heiligenbildchen immer dabei.

Besonders hübsch fand ich die farbenprächtigen Boote in einem Fischerhafen. Fast jedes Boot war am Bug mit zwei Augen versehen, die den Seefahrern immer den richtigen Weg weisen sollte.


Scan_20220917 (3).jpgFischerboote in Mysallok

Herzlichen Dank, für Deine Reiseerzählung!

Viele Grüße
  Rosi65


 

Wilfried

@Rosi65  

Liebe Rosi65,

auch uns sind die Malteser als sehr freundliche und hilfsbereite Menschen in Erinnerung geblieben. Das habe ich auch in dem betreffenden Kapitel meines Buches so geschrieben, aber wie du vielleicht verstehen wirst, kann und will ich hier nicht mein gesamtes Buch wiedergeben. Es könnte ja sein, dass jemand Lust hat es zu kaufen und zu lesen. Dann sollte er oder sie doch noch Vieles finden, das ich hier nicht preisgegeben habe.

Viele Grüße
Wilfried


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