Traute(Traute)



Heut geh ich in den Zauberwald
seh Bäume hundert Jahre alt
die Stämme hoch und knorrig rauh
die Borke ganz vermoost und grau
voll Risse in der rauhen Rinde
so steht sie da die alte Linde
mit dichter Krone grünem Laub
nur klare Luft kein Großstadtstaub
die alte Bank nimmt mich gern auf
ich träumte manchen Traum darauf
träum von dem Land der dunklen Wälder
der goldnen weiten Stoppelfelder
dort donnern die Bombermotoren
die Heimat für immer verloren
dem Kind dem Greis durch Hungersnot
droht reium nun der gleiche Tod
ich war so klein so hungrig bloß
der Wald barg mich in seinem Schoß
komm her verlassnes Menschenkind
dass hier dich kein Verfolger find
in ihm geborgen Mensch und Tier
vergess es nicht nun dank ich dir
bin fast so alt wie mancher Baum
und oftmals sehe ich im Traum
das Wolfskind das ich einmal war
im Todes und im Hunger Jahr

In Erinnerung an die Wolfskindzeit
1946 bis 1947 in Ostpreußen
Traute








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Kommentare (4)

Traute Ja lieber Traumvergessen, wir haben uns überall zwischen den Eingeborenen angesiedelt. Unsere Eigenarten mit den Ihren zusammengelegt und so ein bisschen neues bewirkt.
Da es so kam, musste das Beste daraus gemacht werden und nur ab und zu, trifft man auf einen der alten Ostpreußen und oftmals ist es der Dialekt der die Herkunft anzeigt.
Ein paar leben noch und erzählen von der Zeit.
An Bruno,
ja ein paar von uns sind hier und da heißt es oft weißt Du noch? Das Erinnern ist eine Bedingung um zur Vernunft zu kommen, nur braucht es bei einigen viel Zeit um die Lehren daraus zu ziehen.
Wir haben es überlebt, aber fragt uns bloß nicht wie. Sterben war leichter und viele haben den Weg gewählt oder mussten ihn gehen. Wir wissen es, lieber Landsmann.
An Syrdal
Ja es war eine Zeit, als die Menschen zeigten wie weit sie in die Hölle hinabsteigen können. Die einen in ihren Handlungen und die anderen in ihrem Erdulden.
Der Mensch hat die Grenzen seines Mensch-seins weit überschritten und konnte sich, damals, nicht mal auf der Ebene der Tiere halten.
Es waren beide Seiten in den Abgrund gestiegen, die einen aus Gier und Machtgelüsten, die anderen aus Rache für angetanes Leid.
Beide Seiten ließen sich an die unschuldigen Menschen aus,die einen um weg zu räumen was im Wege war, die anderen weil sie keine anderen vorfanden, an Kindern,Frauen, Greisen und Krüppel, die man zurückgelassen hatte.
So machten die Rächer, die eine bessere Welt aufbauen wollten, sich selbst zu noch unwürdigeren Wesen, als die gegen die sie sich verteidigt hatten. Sie vergewaltigten, mordeten, raubten, erschlugen und erstachen die Schwachen wehrlosen Opfer der Zeit. Wer ihnen entkam der war nicht gerettet. Auf ihn warteten die Syphilis, die Ruhr, der Typhus und das Verhungern.
Wer das überlebte,und das Glück hatte 1947, am Ende des Jahres, aus der Heimat vertrieben zu werden, der war gerettet, aber leicht wurde auch das Danach nicht.
Mich haben die Mecklenburger und später die Sachsen, wie ihresgleichen aufgenommen, aber ich hörte von anderen, das es oft anders war.
Reden wir darüber und schreiben wir davon. Es zeigt wie man mit Agitation, Propaganda und Demagogie die Menschen manipuliert, dass sie alle Scham und Menschenwürde fallen lassen und nur noch marschierten, auf Befehl...
Herzlichen Dank für die wertvollen Diskussionsbeiträge,
mit freundlichen Grüßen,
Traute
Syrdal Es ist das Trauma unserer Generation, die an dem schrecklichen Krieg und seinem unendlichen Leid für Millionen Brüder und Schwestern so vieler Nationen keinerlei Schuld hat, diese vermaledeite Kriegsschuld aber tragen, mehr noch, ertragen muss. Die größte Last aber wurde jenen aufgebürdet, die alles verloren haben, Eltern, Geschwister... die ganze Familie, auch Hab und Gut und alles das, was ihnen Heimat war. Bei vielen der Geschundenen, die in Not und Feuer gerade mal ihr Leben retten konnten, haben sich die schrecklichen Ereignisse und ihre Qualen auf der Flucht in Eis und Kälte unter Hunger und ständiger Todesangst derart in die Seele gebrannt, dass die Wunden in einem Menschenleben niemals verheilen können und bei geringstem Anlass mit Macht und Zorn und ohnmächtiger Wut auf alles sich ergießt, was zu diesem todbringenden Exodus in europäischer Region geführt hat. – Nicht minder schlimm war zudem dann noch, dass viele, die den Rest des verbrannten deutschen Landes hungernd und frierend doch noch erreichten, hier eben nur mit Argwohn und ablehnender Distanz empfangen, nein „geduldet“ wurden.
Ich selbst war damals Kind, kaum 4 / 5 Jahre alt, unschuldig und naiv... Doch schäm’ ich mich für das, was diesen, die da hungrig an die Türen klopften, auch hier dann noch von ihren Volksverwandten mit kaltem Herz entgegengebracht wurde. – Ein kleiner Trost ist nur, dass eine liebe „Tante“ (wie ich sie damals nannte) – entflohen aus dem brennenden Danziger Hauptpostamt, in dem sie seit Jahren tätig war – Aufnahme, Dach und Speisung fand in der viel zu kleinen Wohnung, die uns gottlob geblieben war. Es war ein kleiner Dienst der Eltern nur, doch war es alles, was ihnen damals – selbst schwer leidend unter russischer Besatzungsmacht - möglich war.
So schmerzhaft es auch ist, so wichtig ist es doch, dem Vergessen wieder und wieder Erinnerung entgegenzusetzen, gleich ob als Film, als Buch oder als Gedicht, wie es Traute hier präsentiert. – Danke für das so wichtige und trotz des schwerwiegenden Inhaltes so plastisch-schöne, nachdenklich-erinnernde Gedicht
Syrdal
Bruno32 Liebe Traute
Du hast meine Erinnerungen wieder aufgeweckt.
Durch dein wunderbares Gedicht habe ich alles wieder vor mir gesehen. Die guten Erlebnisse genau so wie die schlechten.
Ich habe Bäume immer sehr geliebt, habe sie immer umarmt.
Das ist das einzige, was mir geblieben ist, denn auch jetzt
kann ich die Bäume noch umarmen.

Vielen Dank für die Erinnerungen an die Heimat.

Viele Grüße von uns beiden
Bruno
ehemaliges Mitglied ich war eben mit einer Wandergruppe, dem Eifelverein unterwegs. Eine lange Zeit bin ich neben einer 83jährigen Dame gelaufen, die mir von ihrer Familie und ihrer Heimat Ostpreußen berichtete, einem kleinen Dorf dort. Da kamst du mir in den Sinn und in deinem Gedicht lese ich all das, was mir die Dame, die wesentlich älter ist als du, berichtete - von ihrem kleinen Dorf in Ostpreußen, wo sie sich heute noch wehmütig daran erinnert - ihre Heimat halt.
Habe ich gerne gelesen.

Liebe Grüße
traumvergessen

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