Existiert Gott?
Existiert Gott? Ja zu Gott? Für viele Gläubige längst nicht mehr selbstverständlich. Nein zu Gott? Für viele Ungläubige auch nicht. Ja oder nein? Viele sind ratlos zwischen Glauben und Unglauben, unentschieden, skeptisch. Sie zweifeln an ihrem Glauben, aber zweifeln auch an ihren Zweifeln. Und viele sind stolz gerade auf diese ihre Zweifel. Doch es bleibt die Sehnsucht nach Gewissheit. Gewissheit? Ob Katholiken, Protestanten, Muslime, Orthodoxe, ob Christen oder Juden, Gottgläubige oder Atheisten durch alte Konfessionen und neue Ideologien geht heute die Diskussion.
Man kann sich fragen: Ist das Christentum nicht am Ende? Ist es nicht aus mit dem Gottesglauben? Hat Religion noch Zukunft? Gibt es nicht Moral auch ohne Religion? Genügt nicht die Wissenschaft? Ist Gott nicht von Anfang an eine Projektion des Menschen (Feuerbach), Opium des Volkes (Marx), Ressentiment der Zu-kurz Gekommenen (Nietzsche), Illusion der Infantil-Gebliebenen (Freud)? Ist der Atheismus nicht bewiesen und der Nihilismus unwiderlegbar?
Haben nicht auch die Theologen die Gottesbeweise schließlich aufgegeben? Oder soll man gar ohne Gründe glauben müssen? Einfach nur glauben? Können wir nicht an allem zweifeln, außer vielleicht an der Mathematik und an dem, was man beobachten, wägen und messen kann? Wäre nicht die mathematische Gewissheit das Ideal - oder gibt es gar keine Basis für Gewissheit? Uns selbst, wenn es Gott gäbe: Wäre er persönlich oder unpersönlich? Naiv oder abstraktes Denken? Oder sollten wir vielleicht die Weisheit des Ostens vorziehen? Das Schweigen des Buddhismus vor dem namenlosen Absoluten? Sind nicht letztendlich alle Religionen gleich? Wäre nicht der Gott der Philosophen intellektuell redlicher? Warum soll denn der Gott der Bibel besser sein? Was wissen wir schon vom Anfang und vom Ende? Und gar der christliche Gott: Vater, Sohn und Heiliger Geist-Dreifaltigkeit? Was muss man da alles glauben?
Warum also an Gott glauben? Warum nicht einfach an Menschen, Gesellschaft, Welt? Oder an humane Werte, wie Freiheit, Brüderlichkeit und Liebe? Warum zum Selbstvertrauen auch noch Gottvertrauen, warum zur Arbeit noch Gebet, zur Politik noch Religion, zur Vernunft noch die heiligen Schriften, zum Diesseits auch noch das Jenseits?
Was soll überhaupt Gottesglaube? Um eine begründete Antwort zu finden, müssten wir zurück zum Beginn der Neuzeit: Nicht um eine Philosophiegeschichte zu schreiben, wo immer nur Philosophen, Philosophen zeugen und Ideen, Ideen gebären. Nicht von einer Ideengeschichte, sondern von konkreten Menschen aus Fleisch und Blut, mit ihren Zweifeln, Kämpfen und Leiden, ihrem Glauben und Unglauben, mit all den Fragen, die sie bewegen. Wenn wir also immer wieder den Weg in die Geschichte gehen, so nicht, um Fakten zu reihen, Geistesgrößen zu feiern, Geschichten auszubreiten, kurz: nicht um der Vergangenheit willen, sondern um zur Gegenwart Distanz und zugleich wieder neue Nähe zu gewinnen. Die Vergangenheit dient dazu, um unsere Gegenwart besser zu verstehen, uns selber in all unseren Dimensionen: Vernunft und Herz, Bewusstsein und Unterbewusstsein, Geschichte und Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur.
Ein englischer Nobelpreisträger wurde einmal gefragt ob er an Gott glaube, seine Antwort: "Of course not, I am a scientist!" Viele Menschen können sich mit dem "Gott" nicht so recht anfreunden, weil sie damit persönlich keine guten Erfahrungen machten oder von Schicksalsschlägen, wie sie glauben, getroffen wurden, keine guten Erinnerungen an den "Gott" haben.
Ich meine damit nicht den alten Mann mit weißem Bart, der auf einer Wolke sitzend, uns beobachtet und beurteilt, ob gut oder schlecht ist, was wir gerade tun oder getan haben. Es ist nicht der Gott, der dann mit einem schrecklichen Strafgericht über uns richtet oder Gnade walten lässt. Der Gott, von dem hier die Rede ist, ist alles was unser und mein Bewusstsein erfassen kann und noch viel mehr als das. Der "Gott" zeugt, empfängt und tötet nicht, er ist das Etwas, das größer als wir selbst ist.
Er ist die völlig wertneutrale Liebe des Kosmos, Intelligenz, unbegrenzte Kraft, er ist die Vollkommenheit der Wahrheit, Freude und Energie, er ist alles, was ist. Eine der Hauptschwierigkeiten, an den Schöpfer -und Vollendergott zu glauben, ist die schon im Alten Testament gegebene personale Gottesvorstellung. Meines Erachtens gehört sie in den Bereich vor kritischen Denkens der Mythologie. Wenn auch der alte Mann mit dem langen weißen Bart langsam von vielen als fatales Klischee durchschaut wurde, existiert noch in sehr vielen Köpfen eine unausrottbare, falsche Vorstellung von einem allzu menschlichen Gott, einem Gott im Himmel über den Wolken mit seinem Hofstaat aus Engeln und Heiligen. Diese Vorstellung ist durch Jahrhunderte bis in unsere Tage geschleppt worden. Wie oft wurden und werden noch von Theologen und Predigern die -in sich oft großartigen - Bilder christlicher Kunst unkritisch zu theologischen Anschauungszwecken missbraucht. Gott ist keine Person, er ist das Unendliche in allem Endlichen, das Sein in allem Seienden. Wenn Einstein von kosmischer Vernunft, oder wenn östliche Denker von "Nirwana", "Leere", dem "Absoluten Nichts" sprechen, dann wird dies als Ausdruck der Ehrfurcht vor dem Geheimnis des Absoluten zu verstehen sein.
Entscheidend ist nicht das Wort, entscheidend ist die Sicht der Dinge. Wir können jederzeit für Gott ein anderes Wort einsetzen.

Juergen_A

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Kommentare (7)

tranquilla Sieht für mich so aus, wenn ich lese: "... er ist das Etwas, das größer als wir selbst ist.
Er ist die völlig wertneutrale Liebe des Kosmos, Intelligenz, unbegrenzte Kraft, er ist die Vollkommenheit der Wahrheit, Freude und Energie, er ist alles, was ist."

Du hast es nicht als Frage formuliert, es klingt für mich wie eine Aussage/Feststellung.

Wenn die letzten fünf Wörter "er ist alles, was ist." der Wahrheit entsprechen, dann sind auch wir, ist jeder einzelne Mensch "Gott", sind wir doch inbegriffen in dem ALLES. Ich verstehe deine Ausführungen in letzter Konsequenz so. Und wenn das so ist, wir also Gott sind - oder welchen Namen du auch nehmen möchtest, welches Wort - dann erübrigt sich die Frage, ob Gott existiert, schließlich glauben wir, dass wir existieren.

Was dann aber auch bedeutet: Stellst du die Existenz Gottes in Frage, stellst du auch unsere Existenz in Frage.

Tranquilla
Allegra "Die ewige Frage muss sich ein jeder Mensch ganz für sich selbst beantworten. Und sucht er ehrlich die Antwort (in sich selbst, nicht draußen irgendwo!), wird er s e i n e Antwort finden. ..."
kann ich mich nur anschließen.

Kategorisch zu sagen "Ganz sicher gibt es keinen Gott, denn er würde sich nicht verstecken!"
ist für mich zu subjektiv.
Allegra
ehemaliges Mitglied ... und zwar an dieser Stelle ganz zum Schluss:
. . . . . . . .entscheidend ist die Sicht der Dinge
Meinst Du damit (denn die Dinge selber haben keine "Sicht")
o . . .unsere Sicht auf die Dinge
oder
o . . .unsere Einsicht in die Dinge?
Und weil es zu beiden Aspekten kaum je eine abschließende Antwort geben wird, nehmen wir zum Schöpfer, Demiurg oder einem ähnlich unvorstellbaren Wesen (was ist es überhaupt für ein "Wesen") Zuflucht.

Die Frage würde sich damit zuspitzen auf die Alternativen:
o . . .ist alles durch einen gewollten In-Gang-Setzungs-Akt entstanden?
oder
o . . .werden wir nach und nach so viel "Einsicht" gewinnen, dass wir Ersteres als "Arbeitsthese" wieder/endlich aufgeben können.

Moin!
elbwolf
werderanerin Ganz sicher gibt es keinen Gott, denn er würde sich nicht verstecken!!!
omasigi ein interessantes Thema für einen Meinungsaustausch.
Doch ich würde einen geschlossenen Raum dafür vorziehen.

omasigi
Syrdal
muss sich ein jeder Mensch ganz für sich selbst beantworten. Und sucht er ehrlich die Antwort (in sich selbst, nicht draußen irgendwo!), wird er s e i n e Antwort finden.
Doch einen Satz dieses Aufsatzes greife ich hier einmal heraus. Da steht: „Warum also an Gott glauben? Warum nicht einfach an Menschen, Gesellschaft, Welt?" - Dazu nur so viel: In der Schöpfungsgeschichte ist geschrieben: „Macht Euch die Erde untertan“ (Genesis 1, 28). Damit meinte Gott keinesfalls, dass der Mensch diese Erde schamlos ausbeutenn und zertreten sollte, genz im Gegenteil, er sollte sie als gottgegebenes Geschenk mit all ihren wunderbaren Reichtümern nutzen, sollte sie in Frieden mit allen Kreaturen pflegen und erhalten. – Doch was hat der Mensch daraus gemacht?
Wer klar und deutlich auf diese heutige Welt schaut, kennt die Antwort auf die Frage: „Warum also an Gott glauben? Warum nicht einfach an Menschen, Gesellschaft, Welt?", meint
Syrdal

ehemaliges Mitglied Immer wenn man mir Einstein und den lieben Gott in einem Atemzug nennt (so wie bei Dir im letzten Absatz), kommen mir zwei Gedanken:1. dass seine Formulierung von der [i]kosmischen Vernunft nur das (physikalische) Wirken einer "Weltformel" meint, wie man sie schon einige Male glaubte am Kanthaken zu haben;

2. das wundervolle Altersfoto, wie Albert uns seine Zunge rausstreckt und sicher dabei denkt "ihr Blödmänner...".[/indent]elbwolf,
der sich damit aus dieser Diskussion schon wieder verabschieden möchte.

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