Ich habe ihn während meines Studiums in Rom kennen gelernt.
Er lebte bei den Steyler Missionaren im dortigen Generalat und forschte an der Geschichte der Steyler. Zuvor war er Religionslehrer in München gewesen. - Er kannte Rom wie seine Westentasche, oder sogar noch besser. Er zeigte mir auf unzähligen Spaziergängen die Ewige Stadt, wir schlürften Espresso oder Grappa, oder wir gingen zum typisch italienischen Essen zu Mario. Er zeigte mir sonntags morgens um 7 Uhr die Hinterhöfe italienischer Palazzi, deren Tore tagsüber verschlossen waren. Wir machten eine Exklusivführung durch die Vatikanischen Grotten und fuhren hinaus nach EUR, wo er eine winklige Kirche kannte, die mich lange Jahre beeindruckte.

Später war er in München, weil er sich so langsam wieder an Deutschland gewöhnen wollte. Er wusste, dass es in einigen Jahren zum Altersruhesitz nach Sankt Wendel im Saarland gehen würde. Dort lebt er, 90 jährig, nun seit längerem. Sowohl in München als auch in Sankt Wendel habe ich ihn besucht, und wir hatten immer sehr viel zu erzählen. Und natürlich gingen wir immer irgendwo in eine feines italienisches Restaurant zum Schlemmen.

Corona machte keinen Besuch an seinem 90. Geburtstag möglich, und auch derzeit ist das noch nicht angesagt. Mails gehen natürlich weiter hin und her, und vor ein paar Tage erhielt ich dieses Foto: Der Pater mit dem „Ferrari“! Ich musste zwar lachen, machte mir aber sofort Sorgen, dass die Beine nun nicht mehr mitspielen.

Ein Telefonat brachte Klärung. Ob er Probleme mit dem Gehen hätte, jetzt? Ein schallendes Lachen donnerte durchs Telefon. Nein, mitnichten. Dieses hübsche Gefährt habe so einsam und verlassen herum gestanden, da habe er angeregt, es zu aktivieren. Der Akku wurde aufgeladen, und der gute Pater legt nunmehr Wege zurück, die selbst mir zu weit zu Fuß wären. In die Stadt fährt er lieber nicht, weil es zurück doch sehr steil hoch geht...und wenn dann der Akku…. - Aber im Umkreis des großen Klosters, des Altersheims, des Gartens...ist er jetzt häufiger zu sehen…. Jaaaaa klar, das Gefährt hat auch eine Hupe.

Er hat sich gefreut, dass ich voller Sorge anrief und er mich mit seiner Freude über das Gefährt anstecken konnte. Ich habe gesagt, es sei okay, wenn er seine Rauchwaren im Körbchen deponiere….aber bitte nicht den Grappa, den ich zuletzt geschickte hatte. "Ähm", prompt kam die Antwort: „Der ist doch längst alle“….. - Ich werde dann morgen mal einkaufen gehen. Grappa!
 


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Kommentare (4)

Tannenmuetterchen

Heute hat der gute Pater mir geantwortet. Und ich will euch diese köstliche Antwort nicht vorenthalten (zumal ich mich sehr drüber gefreut habe). In der Tat waren die Rundgänge sonntags morgens um 7 mit einem anderen Romkenner, einem Kunsthistoriker. Auch über ihn habe ich mal geschrieben - das gebe ich euch ein andermal zu lesen. Aber hier die Nachricht vom Päterchen:

Liebe Frau Tannenmütterchen,

daß mein Fiat "Anstoß" gibt zu Phantasiehöchstleistung in dichterischer Freiheit, hatte ich nicht geahnt. Auch nicht, daß dann eine Grappa-Welle an mein Ufer anrollen würde!!! Ich danke mit tiefer Ergriffenheit für die geistige und materielle Anteilnahme.

Darf ich zwei kleine Korrekturen zu Ihrem Rückblick anbringen? Wenn nein, dann tue ich es doch um der historischen Korrektheit zu liebe: 1. Ich habe sonntags in Rom niemals um 7.00 morgens Führung gegeben, sondern erst so um 9.00. - 2. Mein "Neunzigster" war vor Corona, nämlich 2019! Ich zähle heute: 91 Jahre, 3 Monate und 12 Tage.

Der Kreis St. Wendel ist der am wenigsten von Corona befallene, wenigstens im Augenblick.

Mit ganz herzlichen Grüßen:-)

Ihr

P. Josef ...

Muscari


Ein toller Mann mit einer interessanten Geschichte, die ja auch irgendwie die Deine ist.
Dabei frage ich mich, ob der "Ferrari" nicht einen anderen Besitzer hat und er den widerrechtlich entführt hat.
Wahrscheinlich nicht, denn er kann ihn nun voll nutzen.
Danke für das nette Foto und die ebenso nette Geschichte dazu.
Andrea
 

Tannenmuetterchen

@Muscari  
Aber hallo, das ist doch ein frommer Mann ;-) ! - Nein, der Ferrari gehörte einem inzwischen verstorbenen Mitbruder, der das Gefährt aus Holland mitgebracht hatte. Das gute Teil stand rum und verstaubte. Und dass ein 92 Jähriger dann die Energie hat, sich mit der Wiederinbetriebnahme auseinanderzusetzen, hat meinen ganzen Respekt (Hausmeister begeistern, den Schwestern auf der Station versichern, dass "Mann" immer vorsichtig und langsam fahren wird, stets für die richtige Ladung Strom sorgen, wenn man mal ausfahren will....).
 

ladybird

Eine berührende Geschichte,
liebes Tannenmütterchen, die Du mit uns hier teilst. Da ich Rom auch kenne, war ich sofort in meinen Erinnerungen an die guten Pizze und natürlich
anschließenden Grappa (zwecks guter Verträglichkeit)-lach
Für seine 90 Jahre, ist der ehemalge Religionslehrer ein recht flotter
Ferrari-fahrer.....
mit Interesse und Freude gelesen
herzlichen Dank sagt
ladybird-Renate


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