Flohmarkt, (zum Muttertag)


Magst Du Flohmärkte?
Ich gestehe es unumwunden, Flohmärkte sind meine geheime Leidenschaft. Hier brauche ich meiner Fantasie keine Zügel anlegen, ich schaue sozusagen hinter die Dinge und versuche, ihre Geschichte nachzuempfinden.
Mag ja manchem vielleicht etwas seltsam vorkommen, ich jedenfalls finde es toll, in alten Sachen zu kramen aber es geschieht nicht selten, dass ich dabei kleine Überraschungen finde und mit nach Haus bringe.
Da sind es vor allem Bücher, die auf mich eine Anziehungskraft haben, vor allem alte und vielleicht zerschlissenen Bücher. Und so kann es schon leicht geschehen, dass ich dabei die Zeit vergesse, manche Verkäufer schauen dann schon misstrauisch zu mir hinüber, fragen auch schon, ob sie mir helfen könnten. Das allerdings mag ich nicht, wandere dann schnurstracks weiter zum nächsten Objekt meiner Begierde.
So war es dann auch vor einigen Tagen erst. Der Flohmarkt in unserer Stadt war gut beschickt und bei hervorragendem Wetter auch gut besucht. Ich schlenderte durch die Reihen, schaute hier, staunte dort, kramte in Bücherkartons, wobei ich es immer vermeide, die professionellen Anbieter aufzusuchen. Ich mag die kleinen Stände am liebsten, wo Hausfrauen ihre überflüssigen Sachen loswerden wollen oder wo der Speicher der verstorbenen Oma ausgeräumt wurde, um Platz zu schaffen. Dort vor allem finde ich die Schätze, auf die es mir ankommt.
Mein suchender Blick fiel auf einen alten Karton mit vielen alten Büchern. Donnerwetter, das waren Schätzchen, davon träume ich immer. Ich stöberte in diesem Karton und fand dort einige Bücher, auf die es mir ankam. Der Anbieter, ein junger Mann bemerkte mein Interesse und bot mir den ganzen Krempel, wie er sagte, für einen annehmbaren Preis an.
Nun, es war schon verlockend, dies anzunehmen, aber es waren dann doch eine Menge Bücher dabei, die nicht in mein Weltbild passten.
»Heideggers« Schriften, dem nationalen Philosophen, kann ich nun gar nichts abgewinnen. Ebensowenig hat Gustav Freytags »Soll und Haben« mit seinem antisemitischen Touch etwas bei mir zu suchen!
Dann aber fand ich doch einige Werke, die noch in Fraktur gesetzt waren. Und so ging ich dann später mit einigen Bänden fort, die mir gefielen.
Clara Viebig, »Das tägliche Brot« suchte ich schon lange.
Und dann waren da noch einige andere, für mich wertvolle Bände, die ich erwarb, darunter sämtliche Gedichte von »Hermann Allmers«, die schon selten geworden sind und die für meine Website: »Klassikerpark« unverzichtbar sind und die ich auch schon übertragen habe.
Ja, und dabei geschah es dann auch. Ich durchblätterte diesen Gedichteband und plötzlich fiel mir ein kleines Faltkärtchen in die Hand. Ein Strauß Vergissmeinicht auf der Vorderseite, innen dann die Überraschung!
In Sütterlinschrift las ich dort folgende Worte:

Breslau, den 12.Dezember 1908
Mein liebes Mütterlein, ich schicke Dir diesen Band Gedichte von Allmers, Du liebst ihn ja sehr.
Leider werde ich dieses Jahr zum Weihnachtsfeste nicht bei Dir sein können. Meine Herrschaft fährt mit der ganzen Familie nach Arosa in die Schweiz. Es wurde mir aufgetragen, mitzukommen und die Kleinen zu beaufsichtigen. Ich bin sehr traurig, liebe Mutti, aber es geht nicht anders. Wir sehen uns dann im Januar. Bleib gesund, Du weißt, ich habe Dich sehr lieb!
Dein Mäuschen!


Siehst Du, solche Fundsachen sind für mich Glücksfälle.
Und dann fange ich an zu träumen. Wer war dieses Mädchen? Anscheinend als Kindermädchen in einem vornehmen Haushalt, weit weg von ihrer Mutti.
Was waren ihre Träume? War sie glücklich? Vielleicht verliebt? Oder war es der berufliche Zwang, der sie in die Ferne getrieben hatte?
Wir können es nicht wissen, aber ich weiß nur eines: Sie war ein Mensch, genau so wie wir heute, mit Wünschen Und Hoffnungen! Vielleicht wurden sie erfüllt, vielleicht aber erlebte sie die Erfüllung nicht mehr?
Wer will dies nach über hundert Jahren noch wissen?
Ich finde, solch ein kleines Kärtchen genau so wertvoll wie irgendeine Hinterlassenschaft aus der »Titanic«!
Ich jedenfalls habe mir meine Gedanken dazu gemacht, mir ist dieses unbekannte Mädchen, das von der Mutter »Mäuschen« genannt wurde, ans Herz gewachsen...

©by Pan~

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Kommentare (5)

seelchen deine leidenschaft ist auch meine.........
wer weiss...was die alten sachen schon alles erlebt haben.....
und genau das ist es was mir die alten sachen und bücher auch so sehr symphatisch macht.......

ich hab mich sehr gefreut über deine schöne geschichte... das alles gönne ich mir und meinem mann an vielen sonntagen im jahr......und wir haben grosse freude dran.....

ein danke...und dir und uns weiterhin viel spass an den schönen flohmärkten.....

liebe grüsse...seelchen..

Pan ich habe diese Schrift noch drei Jahre lang gelernt...
Pan liebe Traute, dieses leidenschaftliche Stöbern nimmt wohl viele gefangen, sonst wären die Märkte nicht so gewachsen.
Übrigens: Donnerstags um 18:50 auf SR ist auch immer ein netter online-Flohmarkt, solltest mal reinschauen...
liebe Grüße, Pan
Traute Schön Dein Beitrag und ganz fasziniert bin ich von der Sütterlinschrift, so schrieb mein Mütterlein, damals.
Die Flohmärkte sind ein Rückblick in unsere Zeit und ich sehe mir im TV immer Kunst und Krempel an.
Ist doch eine gute Eigenschaft auch für andere Dinge Interesse zu zeigen
Mit freundlichen Grüßen,
Traute
finchen ... muß man sich wegen dieser kleinen Leidenschaft schämen?
Gewiß nicht - ich bin auch erst durch meine Schwester auf diese Leidenschaft gestoßen.
Sogar mit eigenen Stand und Megaphone.
Ich schreibe die Geschichte mal auf........
Sei herzlich gegrüßt
das Moni-Finchen

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