Morgen Vormittag geht es nun wieder (endlich) los. Weil ich noch etwas bei der Post zu erledigen hatte, bin ich die paar Schritte rüber zum Hauptbahnhof geschlendert – ich wollte nachsehen, wie das Bauen des barrierefreien Bahnhofs fortgeschritten ist. Die Unterführungen zwischen den einzelnen Gleisen werden neu und etwas versetzt zu den alten gebaut. Das alles bei laufendem Betrieb. Langsam kämpft man sich von Gleis zu Gleis durch.

Gleis 1 am Bahnhofsgebäude ist soweit fertig unterwühlt. Auch Gleis 2 ist soweit fertig im Oberbau, dafür ist dieser Bahnsteig, der auch für Gleis 3 gebaut ist, halbiert, und im Gleis 3 krebsen kleine Bagger herum, darum ist es nun vom Verkehr abgeklemmt. Wie sieht es mit Gleis 4 aus, das möchte ich wissen, ob und ja, geht da morgen mein ICE nach Berlin ab? Also das haut hin, obwohl es doch soo wurscht ist ob der Zug in Gleis 4 oder 5 oder 6 abgeht, nur wissen muss man’s.

Stimmen die Wagenstand-Anzeiger? Wenn ja, ist hoffentlich klar, wenn ich mit meinem Rolly komme, ob die angezeigte Wagenfolge stimmt oder genau anderst rum, wenn sie das man ansagen.

Warum ist das denn wichtig? Na, ich habe mein Ticket im Internet mit Platzreservierung bestellt, ausgedruckt und bezahlt. Dieses Mal hat man mir einen Platz im Triebkopf des ICE 3 T vorgegeben. Wagen 21. Wenn zwei Zugeinheiten zusammengekoppelt sind folgt dem rückwärtigen Triebkopf, Wagen 28, normalerweise der Triebkopf mit der Wagen-Nummer 31, also dann ganz hinten der Triebkopf mit der Wagennummer 38. Man muss aufpassen, was angezeigt ist und dann angezeigt und durchgesagt wird. Damit man sich in den richtigen Bahnsteig-Abschnitt, A-G, begibt, denn das ist wichtig, auch, wenn man reserviert hat.

Wichtig, weil alle Leutchen mit ihrem Gepäck die wenigen Einstiegsöffnungen stürmen, jeder will einen freien Platz für sich ergattern. Immer nur ein Menschlein mit Gepäck kann sich rein zwängen, und mancher Rolly ist so mächtig und schwer, dass der Owner selbst Mühe hat in Gang zu kommen. Und dann steht man im Gang. Nur schleppend sortiert sich die Masse.

Nicht jedes Gepäckstück passt in die Ablage, und die Buchten fassen oft nicht das mitgeschleifte „Wohnzimmer“ – es gibt halt keinen Gepäckwagen mehr, der wäre wohl auch zu teuer.

Der Zug hat sich längst in Bewegung gesetzt. Abschied winken fällt aus, man kann den Zurückbleibenden sehen, wie er winkt, die Erwiderung kann nicht nach draussen dringen, das verhindern die getönten Scheiben, und zudem steht man ja noch im Gang eingeklemmt. Und dann kommt man endlich zu dem zugewiesenen Platz. Er ist besetzt! Wieso?! Entweder hat der Besetzer nicht lesen können, was an der Kante der Gepäckablage in kleinster LED-Schrift angezeigt ist: Sitzplatz-Nummer und reserviert von bis. Oder der Platzklauer glaubt, dass ich nicht mehr komme. Aber nun stehe ich da. Zeit vergeht – wenn es so weiter dauert, hält der Zug bald wieder … und der nächste Schub an Masse Mensch bricht ein. Endlich ist es geschafft. Das Gepäckfach ist voll, bitte zusammenrücken! Man hilft mir Koffer und Rasche hoch zu hieven. Ich quetsche mich auf „meinen“ Fensterplatz. SMS absetzen: „Ich bin drin!“ (sagte das Bobbele in der AOL-Reklame).

Ich hatte zu Hause in die Wagen-Skizzen der ICE’s nachgesehen: ich sitze tatsächlich in Fahrtrichtung, schön, bis Leipzig, da macht der Zug Kopf, fährt also rückwärts wieder raus nach Berlin. Wenn der Platz gegenüber oder schräg gegenüber nicht reserviert und frei ist, rasch Stellungswechsel, ehe die „Meute“ kommt.

Ab Leipzig wird der Zug wieder zum Sprinter. Berlin rückt immer näher. Man kann sich informieren, wenn so ein Flyer noch zu finden ist, woher der Zug kam, München oder Innsbruck, und wie weit er noch rollen muss, Berlin-Geundbrunnen oder Hamburg-Altona. Ich bin froh, wenn ich den Zug in Berlin-Südkreuz verlassen kann, mir Rolltreppe oder Aufzug schnappe, nach oben zur S-Bahn. Wenn ich Glück habe, schaffe ich noch die Bahn vorher, sonst heißt es eben warten. Aber bald danach bin ich am Ziel, werde erwatet.

Wenn ich in einem Monat wieder zurück fahre – Karte ist schon 92 Tage vor dem gewünschten Reisetermin gekauft worden, wieder für 29 Euro – dann ist das eben „Rolle rückwarts“. Und dann bin ich gespannt, wie es in Ingolstadt Hbf inzwischen aussieht. Ist Gleis 4 schon dran?

ortwin

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Kommentare (3)

ortwin Heh,
hatte ich's doch beschrieben: der ICE kam in umgekehrter Wagenreihung an, also ganz vorne, leichtes Gedränge am Eingang, nicht nach vorne zur Eingangstür von Kopfwagen (wg21), nein die nächste Tür zum Wagen dahinter (wg22), dann der Stau bis zum Platz (61, Tisch, Fenster), besetzt, räumen! Rückwärts sitzen bis Leipzig, auch mal ein anderer Blick. Komisch, so ungemütlich habe ich noch nie im Zug gesessen, lag es am Sitz und seiner Polsterung? Was Feines habe ich mir bei der Fahrt in den sechs Stunden erworben: nachts Wadenkrämpfe.
Interessant war, dass der Zug sich zwischen Nürnberg und Leipzig ganze 12 Minuten Verspätung
- das heißt nicht mehr Verspätung, das heißt ganz schlicht und weniger provokativ: Fahrzeitverlängerung! -
einheimste, diese auch mit zum Run auf Berlin mitnahm -
aber dann: er kam in Berlin Südkreuz um eine Minute früher an. Wie die das wieder gemacht haben??!!

Eisenbahnfahren ist immer wieder faszinierend.

ortwin
ortwin Ganz ruhig bleiben! Lasse die Zeiger der Uhr in Ruhe! noch drei Stunden, dann bläst mir der Wind entgegen, wartend auf das "Ungetüm" aus München - bei 12°C Außenluft.
Alles ist gerichtet - bis Neune laufen bei BR3 und 3sat die Wetterfilme von allen Gebirgsregionen. Haha! ich fahre gen Norden, da interessiert es nicht gerade, dass auf der Zugspitze wieder Schnee eingetroffen ist, dass sie heute -6,5°C haben.
So Schnee beim Fahren im Zug ist was Tolles: kein Stress, nur erleben, wie der Zug sich durch den Schnee schleppt so von Hilchenbach hinüber nach Erndtebrück, die Strecke, die aus der Feder des Erbauers der Schwarzwaldbahn stammt. Und auch toll, wenn du nur gegen steile Wände schaust, die Strecke in einem aufgefrästen Hohlweg verläuft.
Ich wollte nicht meckern, dass es so ist beim Bahnfahren - ich liebe es, seit ich mit zwei Jahren (1933) mit Mutter und Schwesterchen (1/2 J. alt) nach Hannover gefahren wurde, und Mutter bei abgedunkelter Gaslaterne die Windeln austauschen musste (keine Pampers!).

ortwin
Traute Du hast es garnicht so leicht, aber die Meute sind doch auch nur alles Ich's, die ihre Sorgen und Probleme haben, wenn sie Reisen. Die kommen doch nicht um Dir das Reisen schwer zu machen in geballter Front;-(
Diese Platzdiebe müssen aber penetrant sein, die habe ich auch schon getroffen und nur mit langem Überzeugen, zu Vertriebenen gemacht.
Wenn einer eine Reise macht.....
Gute Bedingungen für die Heimreise,
wünscht,Traute

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