Frau Annegret und das »Spätzchen«


Frau Annegret und das »Spätzchen«


 
Wie alt Frau Annegret damals war, wusste im Hause niemand. Sie sah jedenfalls sehr angenehm aus. Immerhin war sie schon über 20 Jahre verheiratet und immer noch frisch und knackig wie ein Äpfelchen. Na klar, ein paar braune Stellen hatte die Schale schon abbekommen, aber wen stört das schon, wenn er Appetit auf Äpfel hat?
        Annegrets Mann war als Außendienstler einer Firma, die Babywäsche herstellte, ständig unterwegs. Irgendwie musste der Rubel ja rollen, wie er immer sagte. Und so hatte Annegret recht viel freie Zeit zur Verfügung, die sie auch gern ausnützte. So manch einer ihrer Gäste, die sie zu sich einlud, verbrachte einen genussvollen Nachmittag in ihrer hübschen Wohnung im dreizehnten Stock des Hochhauses am Rande der kleinen Stadt.
        Nein, ihr müsst jetzt nicht denken, dass Frau Annegret so eine Person war, die - nein, das war sie wirklich nicht. Aber sie brauchte mal etwas Unterhaltung, sagte sie zu ihrer Nachbarin, die sie mal auf ihre Besucher angesprochen hatte. Und so hatte sich dieser Zustand einfach eingebürgert - alle wussten Bescheid - und niemand fühlte sich da zu moralischen Ergüssen verpflichtet.
              An einem Freitagnachmittag war Wendelin bei ihr zu Gast. Ein schmucker Beamte im grünen Lodendress, anscheinend war er Förster oder etwas Ähnliches. Immerhin verbrachte Annegret mit ihrem »Waldschrat« ein paar angenehme Stunden.
      Plötzlich, als sie noch bei einem Espresso beisammen saßen, hörte sie, dass die Wohnungstür aufgeschlossen wurde, gleichzeitig rief eine Männerstimme: »Schatz, ich bin wieder da!«
Frau Annegret hielt sich bestürzt eine Hand vor den Mund und flüsterte: »Mein Mann! Schnell auf den Balkon und dann in den Garten! Schnell, schnell!«
      Wendelin erblasste, dann sagte er, als sie ihn durch die Balkontür schob: »Aber - aber das - aber das ist die dreizehnte Etage!«
Annegret daraufhin: »Na und? Bist du etwa abergläubisch?« Und dann zu ihrem Mann gewandt, der gerade ins Zimmer trat: »Ein kleines Spätzchen hatte sich im Vogelhaus verklemmt, jetzt ist es wieder frei ...«

 
©2020 by H.C.G.Lux


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Kommentare (2)

Syrdal


Nun das passt doch, immerhin ist 9 Tage nach dem Sprung aus dem 13. dann am 22. Totensonntag...

...konstatiert
Syrdal

Monalie

Lieber Pan oh endlich mal etwas zum schmunzeln,eine schöne Geschichte, aber der arme Wendelin !!!! so kann es einem gehen,lache gefällt mir sehr lieben Gruß Mona


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