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"Strickbild" / Freundliche Leihgabe von Christine62lächel aus dem Malblog

FRAU ENGELS

Sie hieß Frau Engels und war damals unsere Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin.
Diese große und imposante weibliche Erscheinung hatte allerdings so gar nichts Engelhaftes an sich. Sie führte ihren Unterricht sehr zielstrebig und mit strenger Methode durch. Wehe eine Schülerin befolgte ihre Anweisungen nicht richtig, dann lief Frau Engels direkt zur Hochform auf und faltete das arme Mädchen vor der gesamten Klasse lautstark zusammen.

Direkt neben mir passierte dann das Unglück. Meine Schulfreundin hatte sich vor Beginn ihrer Näharbeit erlaubt, das Fadenende ihrer Nadelarbeit zu verknoten. Auf so eine Schlamperei stand mindestens die Todesstrafe, nahm ich mal so an, denn der Faden musste zuerst immer akkurat in den Stoff vernäht werden.
Ein Paar scharfe Adleraugen erspähten diesen winzigen Knoten natürlich sofort, um sich dann in Raubvogelmanier auf das unschuldige Opfer zu stürzen. " Was ist das? Ist das etwa ein Knoten?! Bei mir werden keine Schifferknoten gemacht!" brüllte sie das Mädchen an, dem vor Schreck schon die Tränen kamen.
In meiner Fantasie sah ich Frau Engels dann tatsächlich auf einem Kasernenhof stehen, wo sie mit lauten Kommandos die Soldaten in Schach hielt, um sie dann anschließend im Laufschritt über den Platz zu jagen. Beim Bund, so hatte ich mal gehört, durfte man niemals auffallen. Die gleiche Überlebungstechnik galt auch für unseren Handarbeitsunterricht.

Dabei mochte ich das Fach doch so gerne und besaß auch ein wunderhübsches Handarbeitskörbchen. Ja, darauf war ich richtig stolz. Ach, wenn doch nur diese grässliche Frau nicht gewesen wäre.

Fachlich war Frau Engels aber gut, denn sie brachte uns, eine Horde von nichtsnutzigen Mädchen, ganz erstaunliche Dinge bei. So lernten wir bei ihr tatsächlich häkeln, stricken (Patent), Hohlsaum sticken, stopfen und sogar Knopflöcher nähen. Später arbeiteten wir an den Nähmaschinen und fertigten Schürzen, Säuglingshemdchen, Nachthemden und sogar Röcke an.
Zuerst mussten wir an den uralten mechanischen "Tretmaschinen" üben, bevor es an die elektrischen Nähmaschinen ging. Doch keines der Mädchen konnte es. Woher auch? So viel geballte Ungeschicklichkeit hatte die Lehrerin  vorher wohl noch nie im Leben gesehen, und versuchte das Manko der fehlenden Feinmotorik mit lautstarken Anweisungen auszugleichen.(Wahrscheinlich habe ich deshalb immer noch, trotz der vielen Jahre, manchmal Probleme mit dem linken Ohr)😉

Damals hatte ich eine richtige Sternstunde erlebt, denn ich konnte schon nähen. Meine Patentante war Schneiderin und hatte es mir auf ihrer mechanischen Pfaff-Nähmaschine beigebracht. Natürlich behielt ich dieses Geheimnis für mich.
Frau Engels war sehr erfreut meine Nähkünste zu sehen und lobte mich hocherfreut. Unglaublich! Das war ja ein richtiger Feiertag für mich. Allerdings so großartig, als wären Weihnachten und Ostern zusammen auf einen Tag gefallen. Sicher dachte die Lehrerin ich wäre ein Naturtalent, denn sie sah mich tatsächlich schon als zukünftigen Schneiderin mein Brot verdienen, und hielt außerdem auch noch andere Vorschläge für meine spätere berufliche Karriere bereit. Diese Frau war ,und das hätte ich nicht für möglich gehalten, plötzlich wie umgewandelt und ganz freundlich zu mir.
Nein, eine Schneiderin bin ich nie geworden. Aber wer weiß, vielleicht wäre dieser Beruf gar nicht so schlecht gewesen.

Rosi65




 

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Kommentare (18)

Rosi65

Möchte mich hiermit ganz herzlich für die große Resonanz bei allen "Herzchen-Gebern" und den Kommentatoren bedanken.

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Viele Grüße
   Rosi65

 

Elga

Guten Tag und Hallo Rosie,
auch ich habe Erinnerungen an den Handarbeitsunterricht, das war in den Jahren gleich nach Kriegsende und als Flüchtlingskind. Mir hat das damals keine große  Freude gemacht, aber die Erinnerungen an die Lehrerin war nicht wirklich schlimm und hat mich später nicht gehindert selbst diese Fächer zu unterrichten.
Damals - .... und jetzt erinnere ich mich an die Ausbildung (es wäre vielleicht Wert darüber zu berichten) und an meine ersten Jahre als junge Lehrerin in einer kleineren Gemeinde.
In einer vierten Klasse hatten die Mädchen (! natürlich noch keine Jungens) ziemlich Schwierigkeiten nun mit VIER Nadeln stricken zu lernen. Eins der Mädchen konnte es bereits sehr gut und hat ein bischen geprahlt: "wenn ich jetzt noch in meiner früheren Schule wäre, könnte ich bestimmt  schon mit SECHS Nadeln stricken oder schon mit acht !! 

Sag doch gleich mit TAUSEND.......... Fräulein  (!!!!) B. können Sie mit tausend Nadeln stricken? -- Nein sicher nicht ....... Also mit tausend Nadeln kann nur der liebe Gott stricken --  hmmm, nach einer nachdenklichen Gedankenpause : ich erinnere mich gut an Roswitha - der liebe Gott kann auch nicht mit tausend Nadeln stricken, der liebe Gott, des isch doch a Mo.

An dieser kleinen amüsanten Geschichte lässt sich Vieles ablesen .....doch ich will das jetzt einfach so stehenlassen.
Freundliche Grüße und schöne Ostern
wünscht Dir 
Elga

Rosi65

Danke für diese lustige Anekdote, liebe Elga,😊über die ich mich sehr gefreut habe.
Wünsche Dir auch schöne Osterfeiertage.🐰

Herzliche Grüße
    Rosi65
 

ehemaliges Mitglied

Hallo Rosi65,
danke für Deine schöne Geschichte, die mich an unseren "Handarbeitsdrachen" erinnert. Und weißt Du, was wir uns mal erlaubt haben? Zwei andere Mädchen und ich, die alle furchtlos waren, haben unsere Lehrerin im Klassenraum nach Stundenschluß eingeschlossen. Wie wir am nächsten Tag erfahren haben, schmorte sie den ganzen Nachmittag in diesem Raum und niemand hörte ihr Rufen. Erst am späten Nachmittag, als der Hausmeister seinen Rundgang antrat, wurde sie erlöst. Unser Klassenlehrer fragte uns natürlich am nächsten Tag danach, wer das war und die Lehrerin eingeschlossen hatte? Aber wir hielten wie Pech und Schwefel zusammen und es kam nie ans Tageslicht, wer diesen Streich ausgeheckt hatte. Und auch Wochen später waren wir immer noch der Meinung, dass sie es verdient hatte.🙈😆

Rosi65

Liebe Jutta,

herrlich, was für ein Spaß! 😅 Da wäre ich gerne dabei gewesen.  
Danke für Deinen lustigen Kommentar.

Viele Grüße
   Rosi65

Roxanna

Wer kennt sie nicht, liebe Rosi, diese "Drachen" von früher, vor denen man sich als Kind gefürchtet hat. Nicht nur im Handarbeitsunterricht, nein auch in anderen Fächern gab es sie. Ich glaube, zu der Zeit, als wir in die Schule gingen hatte man überhaupt noch sehr viel Respekt vor den Lehrern. Das hat sich heute gravierend verändert. Mir kamen die Lehrer damals überwiegend so alt vor, dabei waren sie es wahrscheinlich gar nicht 😉. Ja, wenn man etwas schon kann, was die anderen erst lernen müssen, ist man doch echt im Vorteil 😁. Lange noch habe ich die Sachen u.a. eine Schürze, die auch noch bestickt war, einen Baby-Doll, man höre uns staune, so etwas nähte man damals schon 😉 und einiges anderes aufgehoben. Aber irgendwann verschwanden sie dann doch mal. Gerne habe ich deine Erinnerung gelesen, die auch bei mir einige geweckt hat.

Herzliche Grüße
Brigitte

Rosi65

Liebe Roxanna,

so ein Baby-Doll hätte wahrscheinlich schon an einen sittlichen Verfall gegrenzt.😅 Deshalb wurden bei uns nur Omi-Nachthemden genäht...dick, warm und zweckmäßig.
Allerdings geht mir jetzt, bei Deiner Erwähnung dieses Teiles, Doris Day nicht mehr aus dem Kopf. Hat sie vielleicht mal im Baby-Doll in einer berühmten Filmszene mitgespielt? Es fällt mir gerade leider nicht ein.

Bei den Kommentaren waren alle erwähnten Handarbeitslehrerinnen unbeliebt. Seltsam, was war denn nur mit den Damen dieser Berufsgruppe los, dass sie damals alle so garstig waren?

Fragt sich mit freundlichen Grüßen
             Rosi65

Christine62laechel


Liebe Rosi,

es ist also echte Ehre für mich, dass du mein bescheidenes Bild als Illustration zu deinem amüsanten Eintrag haben wolltest. 🌹😊

Ich lernte auch Nähen in der Schule, habe sogar auch so eine "Tretmaschine" beherrscht. Obwohl aber meine Lehrerin ähnlich streng war (oder deswegen...?), ist das nach wie vor nicht mein Ding. Im Gegenteil, alle möglichen Knoten - das kann ich echt gut!

Mit herzlichen Grüßen
Christine

 

Rosi65

Liebe Christine,

Dein Bildchen hat seinen Platz redlich verdient, denn es hat mich ja an diese spezielle Unterrichtsart erinnert. Sicher war die Gaußsche Glockenkurve, die das Gefälle der Klassenleistung bestimmt, damals noch nicht bekannt.😊
Schließlich konnten doch nicht alle Mädchen in der Klasse gleichmäßig faul oder dumm gewesen sein.
Bestimmt werden diese Fächer (Hauswirtschaft / Handarbeit) heute gar nicht mehr an den Schulen vermittelt. Oder vielleicht nur noch an den Waldorfschulen. 

Herzliche Grüße
    Rosi65

nnamttor44

Ich kann mich überhaupt nicht an  irgendeine Handarbeitslehrerin erinnern, liebe Rosi. Aber wir I-Männchen hatten ein kleine Lehrerin, mit einem Herzen offensichtlich aus Gold! Ein erstes Mal wurden wir 1951 zum 1. April in einem uralten Schulgebäude bei Frau Ostermann eingeschult. Sie hieß nicht nur so, sondern war auch so rund, oval, wie ein Osterei!

Nach den Sommerferien wurden wir noch einmal eingeschult, nun in den endlich fertig gestellten Neubau.

Dort lernten wir dann auch Stricken. Meine Oma, Schneiderin, hatte mir das längst beigebracht, mit dem Faden auf dem linken Zeigefinger. Frau Ostermann zeigte es den Schülern mit dem Faden auf dem rechten Zeigefinger.  Aber ich durfte weiterhin so stricken, wie Oma es mir gezeigt hatte! Neugierig war ich dennoch und probierte es auch mit der anderen Hand fandenführend.

Das half mir 30 Jahre später in meinen Strickkursen, denTeilnehmerinnen es nach Bedarf zu zeigen, wenn sie Hilfe brauchten.

In fröhlicher Erinnerung lieben Gruß

Uschi

Rosi65

@nnamttor44  

Kleiner Nachtrag über das Stricken, liebe Uschi. Ich habe es auch so gelernt wie Du, also den Faden über den linken Zeigefinger führend. Auf allen Fotos die ich darüber fand ist es auch so. Vielleicht ist es bei Linkshändern ja anders, und Deine Lehrerin war auch Linkshänderin. Könnte ja sein.

stricken.jpg 
Viele Grüße
   Rosi65

Rosi65

Liebe Uschi,

wir hatten auch eine sehr nette Klassenlehrerin. Sie kam frisch von der Uni, war noch ganz jung und bildete einen herzerfrischenden Kontrast zu der anderen Lehrerin. Ich habe sie auch in sehr guter Erinnerung behalten.

Herzliche Grüße
     Rosi65
 

Muscari

Liebe Rosi,

in der Tat gab es damals viele solcher Lehrerinnen-Drachen. Die Deine war ein besonders "herausragendes" Exemplar, bis sie aufgrund Deiner Nähkenntnisse natürlich umschwenkte.
Ich selbst erinnere mich an meine erste Französisch-Lehrerin, die Ordensschwester "Mater Maria Petra", der es kaum jemand recht machen konnte.
Ich schon gar nicht, erstens weil sie wohl Mädchen mit Brille nicht leiden konnte und zweitens weil meine Mutter mit dem Schulgeld immer im Rückstand war.
Mit der Folge, dass sie auch meine halbwegs genügenden Leistungen nie anerkannte. Klingt heutzutage schon ziemlich bizarr.
Dann wäre mir Deine Frau Engels schon viel lieber gewesen ...😒
schmunzelt Andrea




 

Rosi65

Liebe Andrea,

einmal schickte mich Frau Engels zum Einkaufen in ein Obst- und Gemüsegeschäft. Der Laden befand sich direkt in der Nähe. Dort durfte ich auf Schulrechnung einkaufen. Für die Hauswirtschaftsstunde stand das Backen von Pflaumenkuchen auf dem Plan, und deshalb waren jede Menge Pflaumen angesagt. Doch als wir später die Pflaumen wuschen, entdeckte die Lehrerin tatsächlich zwei angedrückte Exemplare. Nach einer Strafpredigt wurde ich mit den beiden Früchten, zwecks Umtausch, zurück zum Obstladen geschickt. BOOAH, war das peinlich! Man hätte die matschigen Stellen ja auch einfach rausschneiden können.
Doch zum Glück hatten wir nur ein Exemplar von dieser Sorte, Du hattest ja bestimmt viel mehr zu leiden.

Herzliche Grüße
    Rosi65

Muscari

@Rosi65  

Strafpredigt ? Hatte sie etwa erwartet, dass Du jede einzelne Pflaume in die Hand genommen und untersucht hättest ?
Wenn ich die Frau als "pingelig" bezeichnen würde,  wäre das noch viel zu milde ausgedrückt.
😲

Rosi65

Liebe Andrea,

wir waren ja damals so erzogen worden keine Widerworte zu geben. Die Teenager von heute würden da sicher ganz anders reagieren...😡💥💣

Viele Grüße
   Rosi65

ladybird

Liebe Rosi65

Nein, eine Schneiderin bin ich nie geworden. Aber wer weiß, vielleicht wäre dieser Beruf gar nicht so schlecht gewesen.

So kann Dir hier eine gelernte SCHNEIDERIN versichern, dass dieser Beruf wirklich gar nicht so schlecht ist. Zwar bin ich nicht mehr berufstätig, aber ich nähe immer noch.
Deine "Frau Engels" hätte mir allerdings jegliche Lust  zu dieser Berufswahl genommen---Du hast sie so gut vollstellbar beschrieben, dass ich beim Lesen bereits "Manschetten" vor dieser Person bekam.
Zu bewundern ist, wie gut Du es  gedeichselt und für uns sehr humorvoll ( wie es ja nicht war) geschildert hast, dass statt Furcht eher ein Lachen ,über dieses plötzliche"wandelbare Wesen", beim Lesen, entstand
Mit Dank grüßt
herzlich
ladybird-Renate, die am Fadenende einen "Schifferknoten" macht....
 

Rosi65

Liebe ladybird-Renate,

meine Tante hatte mir das Nähen spielerisch beigebracht. Auf einem Papier zeichnete sie verschiedene Muster auf, die ich dann mit Ehrgeiz und einer fadenlosen Maschinennadel versuchte genau zu treffen. Das machte mir Spaß und war auch aus pädagogischer Sicht sinnvoll.
Später bekam ich dann von den Eltern eine moderne Singer-Nähmaschine geschenkt, die ich übrigens immer noch habe.

Herzliche Grüße
von Rosi65, die sich über Dein "Schifferknoten-Geständnis" 😅 sehr amüsiert hat.


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