"Frauen die schreiben, sind gefährlich", von Stefan Bollmann


Dieses Buch ist nicht neu, aber es hat mir beim erneuten Lesen und Anschauen wieder sehr gut gefallen, so dass ich es gerne vorstellen möchte, gerade weil die Dinge sich ja inzwischen geändert haben und Frauen alles tun dürfen, was sie für richtig halten, d.h. auch schreiben wo immer sie wollen und was sie wollen (außer natürlich in Diktaturen, aber da werden ja auch Männer daran gehindert): 

„Frauen, die schreiben, leben gefährlich“                ,
Stefan Bollmann, mit einem Vorwort 
von Elke Heidenreich
Elisabeth Sandmann Verlag, München, 2006
ISBN 3-938045-12-4
24,95 Euro gebunden
 9,95 Euro als Taschenbuch (Insel-Verlag 2014)

Nach dem großen Erfolg von „Frauen, die lesen, sind gefährlich“ hat der Germanist Stefan Bollmann nun ein zweites Buch mit dem Titel „Frauen, die schreiben, leben gefährlich“ herausgebracht. Das sachkundige, aus eigenem Erleben als Autorin genährte Vorwort von Elke Heidenreich nimmt sich der so vielfältigen Schwierigkeiten der schreibenden Frauen vom Mittelalter bis in unsere Zeit an. Es widmet sich vor allem dem Denken, Fühlen und Wünschen weiblicher Wesen, die sich aufreiben zwischen dem Versuch, ihrer „natürlichen Bestimmung“ als Tochter, Ehefrau und Mutter gerecht zu werden und doch ihre kreativen Begabungen zur Blüte zu bringen und auszuleben. Dass viele an diesem von der Gesellschaft aber auch sich selbst gestellten Anspruch gescheitert sind, zeigt die trostlose Aufzählung von Selbstmordversuchen und gelungenen Suiziden unter den bekannten Schriftstellerinnen. 

Den langen Weg vom Lesen religiöser Bücher, vorzugsweise der Bibel, bis hin zum Lesen und Schreiben von Romanen, von Lyrik, Erkenntnis- und Bekenntnisliteratur sowie Büchern, die uns die Gefühlswelt und den „weiblichen Blick“ auf die Welt nahe bringen, beschreibt Stefan Bollmann sachkundig und einfühlsam an Hand von Beispielen von mutigen und kompetenten Frauen von damals und aus der heutigen Zeit. 

Dass aus lesenden Frauen unvermeidlich auch schreibende Wesen wurden, war den Vätern, Brüdern und Ehemännern der in der bildenden Kunst so anmutig dargestellten Lesenden von Anfang an bewusst. Nicht ohne Grund fürchteten Männer den Zuwachs an Wissen, das Aufkeimen von Wünschen nach Teilhabe an den Geheimnissen von Wissenschaft, Kunst, Religion und Politik.

So, wie den lesenden Frauen zunächst fast nur die Bibel, Erbauungs-Literatur, Kalender, dann und wann ein Kochbuch oder Gesangbuch zur Verfügung standen, so wagten sich die ersten Schriftstellerinnen zunächst auch nur an diese Gebiete heran. Zum Teil wurden Ihnen diese Themenfelder auch von den Männern zugewiesen. Sehr gut ist das einem Gedicht von Annette von Droste-Hülshoff zu entnehmen, in dem sie sich wünscht „ein Mann oder ein Soldat zu sein“.

So erging es vielen Autorinnen vom Mittelalter bis heute. Sie kamen spät oder durch Schicksalsschläge endlich zu ihrer Bestimmung. Selbst eine der bekanntesten Frauen des Mittelalters, Hildegard von Bingen, war schon 42 Jahre alt, als sie den (ihrer Meinung nach "göttlichen") Auftrag erhielt, alles aufzuschreiben bzw. zu diktieren, was ihr die himmlischen Offenbarungen eingaben.

Stefan Bollmann beschreibt die Hindernisse, die sich dem Wunsch der Frauen, Schriftsteller zu sein, entgegenstellten. Der Hauptgrund war die Tatsache, dass der Bildung der Mädchen im Gegensatz zu der Bildung der Jungen keine große Bedeutung beigemessen wurde. Frauen sollten mit ihrer Rolle als Tochter, Ehefrau, Hausfrau und Mutter zufrieden sein. Meistens waren sie es auch, denn sie hatten keine andere Wahl. Als dann in wohlhabenderen Häusern nicht mehr zu vermeiden war, dass die Töchter so nebenbei am Unterricht der Söhne durch Hauslehrer teilnahmen, brach sich das Streben der Frauen nach Bildung Bahn.

Wenn sie sich auch im Laufe der Zeit durchsetzten und sich in allen Sparten der schreibenden Zunft Gehör verschafften, so hatten sie es zu allen Zeiten schwerer als die Männer, die sich ihre Inspiration durch „Musen“ holten und denen Frauen den Rücken frei hielten für ihre geistige Tätigkeit.

Lange wurde das Schreiben der Frauen als Dilettantismus und Freizeitbeschäftigung belächelt. Einige Frauen haben es dennoch geschafft, über ihre Zeit und ihr Land hinaus Ruhm und Anerkennung zu erlangen. Von diesen ist die Rede in den (sehr kurzen) Begleittexten, die Stefan Bollmann neben die großformatigen Portraits der etwa 50 Schriftstellerinnen gesetzt hat, die in diesem Buch Platz fanden.

Wer sich einen eher flüchtigen Einblick in das „gefährdete“, wenn auch nicht immer „gefährliche“ Leben der Hildegard von Bingen, Christine de Pizan, Germaine de Stæl, Rahel Varnhagen, George Sand, der Schwestern Bronté, Jane Austen, Selma Lagerlöf, der Französin Colette, der Dänin Tania Blixen, der Krimiautorin Agatha Christie, der Feministin Simone de Beauvoir, der Romanschriftstellerin Marguerite Duras, ihrer Kollegin Françoise Sagan sowie der mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichneten Schriftstellerin Toni Morrison und der gerade bekannt gewordenen Roman-Autorinnen Zeruya Shalev und Arundhati Roy (und vieler anderer) verschaffen will, für den ist das hier besprochene Buch gerade richtig.

Der optisch sehr ansprechende, großformatige Band mit den in guter Farbqualität wiedergegebenen Bildern, dem angenehm lesbaren Druck sowie dem eindrucksvollen Vorwort von Elke Heidenreich wird trotz der kurzen, aber informativen Texte dem Thema „weibliche Schriftstelle/innen“ gerecht. Es fehlen jedoch einige meiner Ansicht nach bedeutende Autorinnen, wie z.B. Annette von Droste-Hülshoff, Marie von Ebner-Eschenbach sowie viele interessante Schriftstellerinnen unserer Zeit.

Für eine erste Information und ein eher kurzes Lesevergnügen kann ich das Buch über das gefährliche Leben schreibender Frauen jedoch empfehlen. Eine Augenweide sind die Fotos auf jeden Fall und wer das Thema vertiefen möchte, wird viele Sachbücher in Buchhandlungen und online finden.

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Kommentare (6)

ehemaliges Mitglied

Dies Buch hab ich schon lange und es erfreut mich
immer wieder.

Clematis
 

Manfred36

(Nachtrag:)
… aber du hast Recht mit dem „lebensgefährlich“. Haben doch Männer auf der Gartenschau die Zielscheibenfigur Frau als echtes Betätigunsobjekt benutzt; man sieht es an den „Einschusslöchern“.null
 

Manfred36

Ich kann mit dir leiden. Kürbisse sind das einzige "Gemüse", das meine Schwiegertochter anbaut und ich bin auch zur Abnahme verdammt. Da ich aber früher als Holzschnitzer tätig war, fällt mir das Bearbieten nicht so schwer wie dir. Heute Mittag gibt es bei mir Kürbissuppe.

ella

....diese Zielscheibenfigur macht mich etwas ratlos. Soll das heißen, dass die Frau sich lieber von einem Pfeil durchbohren lässt, als all die vielen Kürbisse zu verarbeiten? 

Ich habe mir jedenfalls schon oft in die Finger geschnitten beim Zerteilen der harten Kürbisköpfe, die ich für die zugegebenermaßen köstliche und vielseitige Kürbissuppe brauchte. Braten kann man sie, süß-sauer einwecken, als Marmelade oder Gemüsebeilage verarbeiten. Laternen kann man daraus machen, die die Kinder erschrecken oder anlächeln. Und zu Weihnachten gibt es dann noch das Kürbisbrot, das eine sehr süße Nascherei ist.

Das Wichtigste ist, dass sich ein starker Arm findet, der die oft riesigen Köpfe zerteilt. Und daran scheitert das Ganze oft. 

Und was sagen die Feministinnen in KL. dazu,
das fragt sich
Ella


 

Manfred36


Warum sollte man das Thema vertiefen? Die Emanzipation geht ihren Weg und ist bereits weit gekommen. In der heutigen Lebenswelt ist auch diese enge Rolle der Frau in der Familie nicht mehr so ausgeprägt gegeben. In der Thalia-Abteilung, in der ich suche, finde ich schon überwiegend Autorinnen. Indes Frauen schreiben anders und ich sehe einem Text an, ob er einer männlichen oder weiblichen Seele entspringt. Und das finde ich prima. Wir brauchen auch da das Komplementäre. Metoo-Debatten und Männer-Riegen sind andere Zeitzeichen.
 

ella

Du hast recht, Manfred, man braucht das Thema nicht mehr zu vertiefen. Es geht eher um das Erinnern, dass es früher anders war und dass es Grund gibt, sich zu freuen, dass es heute so viele schreibende Frauen gibt. Natürlich schreiben Frauen meist etwas anders als Männer, aber sie haben oft auch ganz andere Themen. Manchmal merkt man bei Sachbüchern, dass der Unterschied im Stil gering ist. Und viele Frauen schreiben (genau wie Männer) oft auch schlecht, frivol oder langweilig. Auch das darf erwähnt werden. Trotzdem ist es schön, dass sie es dürfen. Falls sie jemanden finden (meistens einen männl. Verleger) der es druckt, finden sie dann auch Leser. 

Es wäre doch auch gut, wenn sich z.B. manche junge Frau daran erinnern würde, dass es eine Zeit gab, in der Frauen kein Wahlrecht hatten. Welche Kämpfe auszustehen waren und wieviel Geduld nötig war, um das Wahlrecht dann endlich auch in der Schweiz einzuführen. Wenn also junge Frauen sich dies vor Augen führen würden, dann gäbe es schon ein paar Wahlverweigerer weniger.

Deshalb  denke ich, dass es nicht schaden kann, manchmal an die Zeiten zu erinnern, in denen nicht alles so selbstverständlich war.


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