Freiheit der Poesie


Freiheit der Poesie
Es läßt sich ohne sonderlich viel Witz leicht
so schreiben, daß ein anderer sehr viel
haben muß, um es zu verstehen.

--- Georg Christoph Lichtenberg --- (1742 - 1799)
 
Schreiben ist ja im Grunde genommen keine schwierige Sache. Nee, wirklich, daran hapert es ja nicht. Das kann der Mensch oder er kann es nicht. Punkt. Wenn ein Mensch es nicht kann, ist es auch kein Thema, vielleicht ist es sogar besser, er muss sich dann keine weiteren Gedanken über den Textablauf machen; ebenso muss sich niemand das antun und das Geschriebene lesen, das ihn sowieso nicht interessiert. Die Freiheit lacht dann sozusagen vom leeren Bildschirm! Oder auch vom weißen Papier, je nachdem.
        Glaube ich nun aber, dass ich schreiben könnte - die meisten der »Autoren« glauben es natürlich - dann beginnt erst einmal das Problem, sein Gesicht als Autor zu zeigen. Schön ist es natürlich, wenn das Hauptthema schon vorhanden ist, dann muss es nur noch in die richtige Abfolge gebracht werden.
        Was aber nun, wenn ich nicht weiss, worüber ich überhaupt etwas schreiben soll? Da taucht nun zunächst einmal die Frage auf: Muss ich überhaupt schreiben? Was treibt mich denn dazu? Gut, so lange es nicht ausgedruckt wird, entsteht ja noch kein Schaden. Vielleicht aber entsteht da solch eine winzige Spur einer transzendentalen Energie? Kann doch sein. Gut, ich frage ja nur!
        Warum mache ich das, ist es für das Universum wichtig? Lacht der Kontinent oder erbebt die Welt in all ihren Bestandteilen? Wundert sich der Staat über mein Statement, ärgert sich die Gemeinde? Besteht die Möglichkeit, dass meine Nachbarschaft erbebt? Nee, glaube ich weniger. Ich würde die Antwort auf diese Frage auch nicht geben, selbst wenn ich sie wüsste. Vielleicht schreibe ich ja aus Rache an der derzeitigen Regierung? Vielleicht aber nur aus Spaß oder um meine philanthropischen Gelüste zu stillen?
        Im Grunde ist es ja auch nicht mein Problem. Wenn ich etwas schreibe, gibt es nur wenige Menschen, die ganz sachte gezwungen werden könnten, sich mit meinen mannigfaltigen Schreibereien auseinanderzusetzen und mir dann sogar noch ihre sanften Kritiken unterzujubeln! Aber natürlich so vorsichtig, dass ich nicht noch eine Spur der Enttäuschung im Universum zurücklassen müsste.
        Also allein mit der Frage nach dem ungewissen »Warum« ließe sich doch schon eine einzige Seite füllen, ohne dass auch nur der Hauch einer Antwort zu ahnen wäre. Das macht doch schon einen ungeheuren Spaß oder etwa nicht? Man glaube mir, es ist eine ungeheure Provokation, wenn dieser leere Monitor da vor mir steht und mich so höhnisch anblinzelt! Wie soll man da einen konstruktiven weltverbessernden Gedanken fassen? Das ist schier unmöglich.
        Natürlich, ich könnte nun einen farbigen DIN-A4 Bogen Papier in meine imaginäre ehemalige Remington-Schreibmaschine einspannen; ich hätte dann dem Gegenüber den Wind aus den Segeln genommen. Aber nein! Hah! Ich stelle mich diesem Konflikt. Erstmal ist das viel zu umständlich. Und: Es wäre doch gelacht, wenn ich da nicht die Oberhand behielte.
        Man sieht es ja auch am Ergebnis: Es kommt etwas dabei heraus, weil Buchstaben allein nämlich gar nichts über das geistig Verbrochene aussagen. Sind wir doch mal ehrlich mit uns selbst, allein das Wollen ist nicht unbedingt das Nonplusultra des Schreibens, man muss wirklich ein wenig gedankliches Gewürz dazutun.
        Und dann - nein, liebe Leser, ihr irrt, ich hab es nicht vergessen: Auch die Orthografie hat noch ihren Stellenwert, wenn wir es nicht schon wussten, hält die PISA-Studie es uns jährlich vor Augen. Es ist schon grausam, den Menschen in einem angeblich kulturell hochstehenden Land ständig ihre Unzulänglichkeiten vorzuführen, ich fühle mich dann immer so minderwertig.
        Habe ich nun meinen inneren Schweinhund überwunden, versuche ich, zu schreiben! Bitte nicht lachen! Ich fasse mich ja immer kurz, zu längeren Ergüssen reicht mein mageres Gedankengut nicht, deshalb bleibe ich auch bei Kurzgeschichten!
        Es könnte doch sein, ich fiele sonst zurück in die als Kind mühsam erlernte Rechtschreibmethode à la Sütterlin. Und die strotzt dann ja wohl in der modernen Zeit vor Fehlern.
Das macht nichts, meint Ihr? Irrtum! Wer mal durch Foren und Chats seine Streifzüge macht, wird bald bemerken, dass er mit seiner Rechtschreibung völlig daneben liegt!
        Vor lauter Kürzeln und Anglizismen sieht niemand mehr, in welcher Sprache eigentlich geschrieben wird! Entschuldigung, ich komme schon zurück zum Thema!
Also ich war bei den Kurzgeschichten. Und da, keiner mag es glauben, taucht schon die nächste Frage auf: was ist überhaupt kurz?
Was ist denn bei einer Kurzgeschichte kurz genug?? Wo fängt kurz an, vielleicht bei einer Miniaturlänge, wo hört kurz auf? Vielleicht niemals, wie bei der Relativitätstheorie?
        Ja und dann - was  ist eine Geschichte? Also die Geschichte - nicht die Erzählung - hat mich früher immer sehr interessiert, aber die war ja auch nicht kurz, sie war stets solch ein kaleidoskopartiges bluttriefendes Monster, das die Sieger stets für sich entschieden. Nein, das ist ja auch keine Kurzgeschichte. Wenn unsere Neolithikum-Vorfahren schon auf ihre Sandsteinplatten mit Steinhammer und Feuerstein Kurzgeschichten geschrieben hätten, könnten wir heute lesen, wie man einen Höhlenbären fängt oder ein Mammut jagt. Würde uns das heute helfen? Eben!
        Deshalb hilft es keinem, wenn er meine Schreibversuche lesen muss. Also? 
Wozu bzw. warum? Altpapier gibt es schon zur Genüge, das muss ich nicht noch erweitern. So viel bunt bedrucktes Hochglanzpapier gab es noch nie in der »Geschichte«!
        Also lasse ich dieses Problem eben Problem sein und wende mich meinem Privatvergnügen zu: Für mich selbst zu schreiben. Wer sollte mich da aufhalten wollen? Vielleicht ein Festplattenabsturz ohne Back-up? Auch Humorverlust käme da infrage oder der kurze Besuch meiner Erbtante, eventuell könnte auch Alzheimer da eine Rolle spielen.
        Aber so weit ist es noch lange nicht. Und deshalb muss die Welt, muss mein Land und die Gemeinde (auch die Nachbarn, die davon noch nichts wissen) damit leben, dass ich schreibe.
Ob sie es nun gut finden oder nicht, ich weiss es nicht, ist mir aber auch völlig einerlei, weil es ja doch niemand auf den Gedanken käme, es zu lesen ...

 
 ©by H.C.G.Lux

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Kommentare (10)

ehemaliges Mitglied

Schön, dass euch mein Kommentar gefällt. Ich lese euch auch gerne.👌

ehemaliges Mitglied

Hallo, Ihr Lieben,

da muß ich leider widersprechen, dass Schreiben einfach ist. Sicherlich ist euch auch der Begriff "Schreibblockade" bekannt. Vor ungefähr drei Jahren habe ich mir einen Gartenblog einrichten lassen, in dem ich über meine Pflanzen und sonstige Gartenprojekte berichten wollte. Bis heute steht dort ein einziger Bericht, der mir noch nicht einmal gefällt und ich überlege, das ganze Projekt zu löschen. Es fällt mir einfach nichts Spannendes ein. Hier fällt es mir etwas leichter zu schreiben, kommen mir genügend Ideen und wenn ich erst einmal im Fluß bin, läuft es fast von alleine. Mir ist es dabei völlig egal, ob meine Zeilen gefallen oder nicht. Ich schreibe des Schreibens willen und für mich, denn Schreiben bewahrt vor Demenz, weil es die grauen Zellen fordert. In diesem Sinne soll schreiben, wer Lust dazu hat, oder wer sich etwas von der Seele schreiben will.😉
 

nnamttor44

Es gibt so viele Gefühle, die mir Veranlassung sind, meine Gedanken auf dem Papier oder dem PC festzuhalten. Dann ist es immer noch eine zweite Geschichte, die Niederschrift auch - hier im ST - preiszugeben.

Das kenne ich aber seit meinem achten Lebensjahr. In der Schule lernten wir gerade Aufsätze zu schreiben. Ich dachte mir ein Märchen aus und legte es ganz stolz meinem Vater vor. Er wusste, dass ich keine Rechtschreibschwierigkeiten hatte - doch sein Urteil galt nicht dem Märchen, sondern brachte seine Absicht hervor: üb lieber erst mal das Rechtschreiben! Auch die Klassenlehrerin hatte kein Lob für mich, aber sie kritisierte wenigstens nicht meine ordentliche Rechtschreibung.

So erstickt man Kinder-Kreativität. Auch mein erster (nicht veröffentlichter Roman), den ich mit 14 Jahren schrieb, gab mir nur Vaters Antwort: die Schriftstellerei ist brotlose Kunst! Lass das bleiben. Spätere Berufskollegen oder gute Bekannte waren da anderer Ansicht ...

Egal, vorbei. Wer meine Niederschriften lesen will, kann's tun. Ob sie noch irgendwen interessieren, wenn ich diese Welt verlassen habe, muss mich auch nicht mehr freuen oder grämen. Aber es ist schon angenehm, wenn gelegentlich hier oder da etwas Zustimmung durchblinkt 😊

Schreibt bitte weiter, ich lese Euch gern!

Uschi

Pan

 Mit diesem Problem, liebe Uschi, wurde ich zum Glück nie konfrontiert. Meine Frau Mama schrieb selbst leidenschaftlich gern. So rutschte ich in dieses Metier hinein, das mich - mit Unterbrechungen - nie losließ.
Folglich schreibe ich bis zum allerletzten Tag, werde dann höflich fragen, ob ich nicht mein »Tablet« als Beigabe bekommen kann.
Vielleicht hat Charon, der Fährmann, ja ein Einsehen? Eine €-Münze werde ich sicher übrig haben ...

meint mit einem Lächeln,
Horst
 
„Wir tun immer etwas für die Nachwelt; gern würde ich sehen, dass die Nachwelt einmal für uns etwas tut.“
[Das schrieb einmal Joseph Addison, englischer Dichter, (1672 - 1719)]

nnamttor44

@Pan  
Eins bleibt meiner Nachwelt erhalten, das weiß ich gewiss. Meine Gefühle brachten mich nach dem 10. Geburtstag meines Sohnes dazu, über ihn und meine Gefühle zu ihm ein Gedicht zu schreiben.

Als mein Enkel auf der Welt war, hab ich dieses Gedicht meiner Tochter zu lesen gegeben. Bis dahin wusste sie nichts von diesen meinen Ambitionen. Sie wollte es unbedingt behalten, weil der Inhalt auch ihr aus dem Herzen sprach. Ich denke, es wird wohl weiter auch bei unserem Max im Bewusstsein bleiben. Der Junge ist überaus empathisch veranlagt. Er verwahrt alles sorgfältig, was er von mir ergattern kann 💕.

Max beginnt auch schon - trotz seiner Legasthenie - kleine Erzählungen zu schreiben, manchmal noch mit Hilfe seiner Mama. Und auch bei ihm ignorieren die Lehrerinnen seine Bemühungen, sie würden ihn am liebsten die 2. Klasse wiederholen lassen, weil er angeblich weder sinngemäß lesen noch schreiben könne. Seine Fortschritte während der Corona-Schulschließzeit wollen sie nicht wahrnehmen. Wenn unsere Pläne eintreffen dürfen, wird er ab den Sommerferien eine andere Schule besuchen, darauf freut er sich jetzt schon!

Lieben Gruß von Uschi

 

Syrdal



...nun, lieber Pan, ich habe es gelesen, alles von A bis Z und dein gedankliche Ausflug in die Welt des Schreibens bzw. in den Sinn oder Nichtsinn aneinander gereihter Buchstaben war mir nicht zu lang(atmig)! Doch kamen mir unterwegs auch etliche Gedanken in die Quere, u.a. der bekannte Satz: "Ich schreibe dir einen langen Brief, weil ich keine Zeit habe, einen kurzen zu schreiben." Auch wenn nicht genau bekannt ist, wem man diese überaus wichtige Erkenntnis zuschreiben darf – Kleist, Swifft, Lichtenberg oder Pascal oder gar Goethe – gerät er doch immer wieder und allzu leicht in Vergessenheit. Zugegeben auch bei mir! Deshalb habe ich mich u.a. in meine „Marginalien“-Serie gerettet und – ist es Zufall oder nicht – die irgendwann im Jahr 2018 formulierte Nr. 1 stelle ich jetzt hier ein, weil sie just den Titel „Schreiben“ hat:
 



Schreiben

Schreiben, um sich zu präsentieren,
ist gemeinhin null und nichtig,
die Worte sich sehr schnell verlieren,
die Botschaft ist oft unwichtig,
doch gibt man ehrlich zu verstehen,
was vom Allgeist in einem wallt
und wird’s mit klarem Wort versehen,
dann ist das Schreiben von Gehalt.

© Syrdal 2018

Man könnte über das Schreiben sicher trefflich streiten oder auch diskutieren. Ich lasse das aber geflissentlich sein, denn „In der Kürze liegt die Würze“ sagt ein „geflügeltes“ Wort und vielleicht hat man ja im Leben nur eine streng limitierte Anzahl von Buchstaben oder Wörtern zur Verfügung und sollte somit also sparsam damit umgehen. Andererseits gibt es in unserem hypermodernen hochtechnisierten Land, in dem bereits die künstliche Intelligenz zu schwindelerregenden Höhenflügen ansetzt, nahezu 10 Prozent Neben- und Mitmenschen, die des Schreibens (trotz einstigem Schulabschluss!) nicht mächtig sind. All diese werden ohnehin nie das lesen, was man so auf Papier oder PC-Plattformen verewigt. Das Schreiben hat also diverse Ecken und Kanten. Doch über all das muss ich erst nochmal tiefgründiger nachdenken…

...sagt hier Abschieds halber
Syrdal


 

Pan

Lieber Syrdal  - die Botschaft ist oft unwichtig? Das darf ich Dir so nicht durchgehen lassen 😴, zumal Deine Nr.001 im Wesentlichen all dem entspricht, was dazu zu sagen wäre. Dann jedoch sollte ich meinen Hut nehmen und eine Wanderung in die Gefilde des "Sokrates" unternehmen:
 Der Dichter Aristophanes schrieb vor 2500 Jahren ein Theaterstück, in dem er sich über Sokrates  lustig macht: "Er sei ein geldgieriger Worteverdreher. Der würde sogar behaupten, Wolken brächten den Regen und nicht Gott Zeus! "


Ich liebe den Disput, und sei er noch so geringfügig. Allerdings darf niemand glauben, die Wahrheit gepachtet zu haben. Ich hab sie ja auch nicht erwischt - leider. Immer wenn ich sie packen wollte, entwischte sie mir durch die Finger.
A ber ich habe einen Trost: Eventuell - kann ja sein - ist sie bei Dir angekommen? Sollte das nicht der Fall sein, dann lass uns gemeinsam auf die Suche gehen ...


meint Horst, ganz unvoreingenommen.

Syrdal

@Pan

Lieber Pan, es wird wohl unumgänglich sein, dass wir uns nunmehr beide auf der Suche nach der Wahrheit befinden. Dummerweise habe ich gerade mein schönes großes Fernglas verschenkt und die mir verfügbare Lupe ist auch schon ein wenig verkratzt… Auch weiß ich nicht, wo ich überhaupt mit kleiner Aussicht auf Erfolg ansetzen könnte, denn die Wahrheit ist so ungemein fluide und lässt sich nicht greifen, sie rinnt mir immer wieder durch die Finger, sobald ich meine, sie erfasst zu haben.

Weiterhin müht sich redlich in diesem Sinne
Syrdal
 

Manfred36


Bist du sicher, lieber Horst, dass niemand liest was du schreibst? Nur aufruft und nachschaut, ob da was Besonderes hervorsticht? Glaube ich nicht. Du hast eine einladende Art zu schreiben, und du hast Favoritenränge in Foren nicht nötig. Dass du gern schreibst, merkt man. Mir geht es auch so. Nur bleibt mein Stil hinter deinem zurück (was Hänschen nicht lernt...).

B.G. Manfred

 

Pan

Lieber Manfred - ich bin ganz bestimmt nicht sicher! Ich habe schon zu viele Prügel bekommen (sinnbildlich), so dass ich fortan nur noch die Wahrheit sage, - die ist immer unsicher! Bertold Brecht sagt z.B. in einem seiner Werke:
»Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.«
(Leben des Galilei)


Wir hier im ST schreiben gern, und das ist schön. Eigentlich ist es mir nicht gleich, wenn ich nicht gelesen werde, aber deshalb dreht sich die Erde immer noch um die Sonne. Auch wenn meine Bücher - oder sonstige Schreibsel - irgendwann auf dem Müll landen, was macht's? Dennoch schreibe ich. Ist doch in Ordnung, nicht wahr?
Lass uns weitermachen, das Ende ist absehbar ...
meint lächelnd Horst
 


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